Razamel bedroht das Universum – Kann man machen?

1
920
Foto: casc

Ich gestehe: Ich schaue Morgenmagazin. Es war die Zeit der Corona-Pandemie, als ich morgens nicht pünktlich bei der Arbeit sein musste, sondern die Arbeit irgendwann im Laufe des Vormittags digital bei mir Zuhause eintrudelte, als ich begann, mir zum Frühstück von Dunja Hayali, Kumpaninnen und Kumpanen als erstes die Inzidenzen interpretieren zu lassen.

Von Eva M. Grünewald

Vieles ist seither geschwunden: Das Interesse an Inzidenzen, die Notwendigkeit, am heimischen Schreibtisch zu bleiben und die kritische Haltung einiger Journalistinnen und Journalisten zu Verschwörungserzählungen und Antisemitismus. Geblieben ist mir die Angewohnheit, morgens zum Kaffee ARD und ZDF einzuschalten. So auch diese Woche. Ohne nachzudenken erfolgt der Druck auf den Knopf, der immer häufiger von ARD und ZDF zu benachbarten Sendern, gerne auch einmal WELT TV rutscht.

Nicht diesmal. Und so traf mich die Erkenntnis wie Thors Hammer: Gargamel hat einen Bruder. Razamel. Raza, was auf Spanisch unter anderem „Rasse, Volk“ bedeutet. Und: Er hat Peyes.

Innerhalb von 30 Sekunden zeigt mir ein Trailer des Kinotipps im Morgenmagazin, dass er klein ist, eine riesige Hakennase besitzt, das Treffen des „intergalaktischen teuflischen Zauberer-Bündnisses“ anführt und die „totale Herrschaft“ anstrebt. Dies verkündend umschweben ihn Bücher. Und falls noch irgendein Zweifel existiert: Er hat wirklich Peyes!

Ich erinnere mich, dass schon einmal vor Jahren die Mär ging, an dem Kampf der blauen Zeichenfiguren gegen den übermächtigen schwarzgewandeten Gegner könnte irgendetwas vielleicht nicht ganz politisch korrekt sein. Soweit ich mich erinnere, war es der Popularität ebenso wenig abträglich wie die Überlegung, ob die Gringott-Darstellung in Harry Potter an die Protokolle der Weisen von Zion erinnere, Joanne K. Rowlings Ruhm etwas anhaben konnte.

Da kann es wohl auch nicht schaden, deutlicher zu werden. Wann, wenn nicht im Jahre 2025.

Ein Abenteuer bedrohe ihre, also die der Schlümpfe, und unsere Welt, die reale, so der Kommentar zum Trailer. Dieses Abenteuer besteht darin, dass Papa Schlumpf entführt wird, eingesaugt von einem großen Rüssel, der aussieht wie ein geläufiges Alien-Gefährt dieser Tage es zu tun pflegt.

Auch die Darstellung des eigentlichen Entführers folgt kulturellen Konventionen, gleicht sie doch Abbildungen, wie wir sie aus dem Stürmer kennen. Es handelt sich bei diesem um den kleineren, „aber noch fieseren“, buckligen Bruder Gargamels, namens Razamel, der sich fortbewegt auf einem fliegenden Buch. Man fühlt sich zurückversetzt in die Ur-Tage christlichen Antijudaismus, als die Bedrohung der vermuteten teuflischen Zauberkraft sich in der Fähigkeit des Lesens und Schreibens manifestierte, der Talmud als Zauberbuch und Bedrohung der Bibel gedeutet wurde.

Der seit Jahrzehnten bekannte und vergleichsweise harmlos wirkende Gargamel benötigte im derzeitigen fantastischen Geschehen wohl eine gesteigerte Version, eine explizitere Variante. Als aktuelle Verkörperung des Bösen bedrohen somit beide, das lässt sich den veröffentlichten Trailern entnehmen, nicht nur Schlumpfhausen, sondern gleich Paris, Australien und sogar das Universum. Und sie haben sich absurderweise in der Nähe von München niedergelassen. Ob historische Anklänge hier ungewollt und zufällig sind?

Was sagt die Kritik des Morgenmagazins? Razamel bedroht das Universum und es wird alles gegeben: gesungen, getanzt, ein paar Späße für die Eltern und Uwe Ochsenknecht spricht Papa Schlumpf. Es sind Sommerferien, es ist ein Film, die Kinder lachen. Kann man machen. Meint das Morgenmagazin.

2025. Weltweit trauen Jüdinnen und Juden sich nicht mehr sichtbar in Erscheinung zu treten, werden jüdische Gemeinden bedroht, angegriffen, verletzt. In Berlin traut sich ein jüdisches Restaurant nicht zu öffnen, in Amsterdam werden Jüdinnen und Juden nach einem Fußballspiel durch die Stadt gejagt, in Colorado bei einer Gedenkveranstaltung angegriffen und verletzt, in Washington werden Mitarbeiter der israelischen Botschaft ermordet.

Derweil zeigt das Kino einen Razamel, wie er dem Juden im Stürmer gleicht, der nicht nur das Schlumpfhausen, sondern die reale Welt bedroht. Die Kinder lachen und Rihanna singt dazu.

Ich bin entsetzt. Und frage mich, kann man das ernsthaft machen? Offensichtlich ja, im Jahr 2025.

1 Kommentar

  1. Ihr Entsetzen ist auch das meine. – Erziehung zum Hass gegen die jüdische Minderheit ist eben umso effektiver und nachhaltiger, je früher und bildhafter sie angeboten wird, – damit „flutscht“ das Projizieren des jeweils eigenen Unbehagens auf die schlimmste aller Feindfiguren reibungslos. In der heutzutage vielfach von Qatar gesponsorten Aufbaustufe (Unis + Kulturrerssorts) kann dann das deutende, dozierende und interpretierende Personal mit akademischer PoKoCalumnia anknüpfen. Der mörderische Ernst wird vom ubiquitär kindische Geschwurbel nur kaschiert – der dahergewitzelte Hass reicht von Luther über den „Gift-Pilz“ aus dem Stürmer-Verlag (1933/34) bis zur TU-Präsidentin Geraldine Rauch (2024), wie der Inhalt dieses winzigen Giftschranks zeigt:

    https://docs.google.com/document/d/1uYx_T-7sT2CNb9KURIGM8-hTMLt3cP_XQTbSOYQC5kY/edit

    So unerträglich diese Regredienz selbst für einen Goi – sie gehört noch immer zum christogenen Kultur-Standard, dem sich gerne auch die Mullahs mit ihrem antisemitischen Karikaturen-Wettbewerb anschliessen. Daher die übelwollerische Parole „Weltoffenheit“… Pardon für meinen Sarkasmus. – B.L.

Kommentarfunktion ist geschlossen.