Die biblische Bedeutung des Namens der „Operation Rising Lion“

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Logo der israelischen „Operation Rising Lion“, © Ministerium für auswärtige Angelegenheiten (Israel)

Am 13. Juni 2025 begannen die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) und der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad die gegen Anlagen des iranischen Atomprogrammes, militärische Einrichtungen im Iran sowie hochrangige Kommandeure der iranischen Militärführung und iranische Kernphysiker gerichtete „Operation Rising Lion“. Deren Codename bezieht sich auf eine alte biblische Weissagung.

Von Thomas Tews

Nach biblischer Überlieferung nahmen die Israelit*innen, als ihnen nach ihrem Auszug aus Ägypten vom König der Amoriter*innen der erbetene Durchzug durch sein Land östlich des Jordan verweigert wurde, ebenjenes ein. Dies beunruhigte den König des benachbarten, östlich des Toten Meeres gelegenen Königreiches Moab, weshalb er den seinerzeit berühmten Wahrsager Bilam herbeirufen ließ, um durch dessen wirkmächtiges Wort die Israelit*innen zu verfluchen und so zu schwächen. In Martin Bubers Bibelübersetzung heißt es:

„Er sandte Boten zu Bilam […], ihn zu rufen, sprechend: Da ist ein Volk aus Ägypten gefahren, da verhüllt es den Anblick der Erde, und das sitzt mir hart gegenüber. Geh nun doch her, verfluche mir dieses Volk, denn es ist mir zu mächtig. Wohl gar vermag ichs, wir schlagen drein, daß ich es aus dem Lande treibe. Denn ich weiß, wen du segnest, ist ein Gesegneter, wem du fluchst, wird verflucht.“[1] (Num 22,4–6)

Interessanterweise wurde in Tel Deir Alla im Ostjordanland eine Inschrift gefunden, in der von einem „Seher der Götter“ namens Bilam die Rede ist. Dieser sprach laut biblischer Überlieferung, diesmal in der Übersetzung von Rabbiner Ludwig Philippson, zum König der Moabiter*innen:

„Nicht Mensch ist Gott, dass er lüge, nicht Erdensohn, dass es ihn reue. Spräch’ er und tät’ es nicht, redet’ und hielt’ es nicht? Sieh! Segen ward mir geboten: Wenn er segnet, kann ich es nicht wenden. Er schaut nicht Schuld an Jaʿakow, sieht Unrecht nicht an Jisrael: Der Ewige, sein Gott, ist mit ihm, des Königs Jubelklang bei ihm! Gott führt’ es aus Mizrajim her, wie die Hörner des Wildstiers ist er ihm! Drum ist nicht Zauberkunst in Jaʿakow, nicht Wahrsagerei in Jisrael: Zur Zeit wird’s Jaʿakow kundgetan und Jisrael, was Gott gewirkt. Sieh, ein Volk, wie eine Löwin steht es auf, wie ein Leu hebt’s sich empor […].“[2] (Num 23,19–24)

Da G*tt nicht wankelmütig ist, konnte Bilam den g*ttlichen Segen über das Volk Israel nicht widerrufen. So segnete er es ebenfalls, anstatt es zu verfluchen, und weissagte, dass es sich in der Zukunft wie ein Löwe (poetisch „Leu“) – ein Sinnbild unbändiger Kraft – erheben würde. Ob dieser Moment nun, über drei Jahrtausende später, tatsächlich gekommen sein sollte, wie der Codename „Operation Rising Lion“ für den israelischen Präventivschlag gegen den Iran suggeriert, mag Gegenstand künftiger Erörterungen sein …

Anmerkungen

[1] Die Schrift. Verdeutscht von Martin Buber, gemeinsam mit Franz Rosenzweig. Band 1: Die fünf Bücher der Weisung. 10., verbesserte Auflage der neubearbeiteten Ausgabe von 1954. Verlag Lambert Schneider, Heidelberg 1981, S. 431.

[2] Die Tora. Die Fünf Bücher Mose und die Prophetenlesungen (hebräisch-deutsch) in der Übersetzung von Rabbiner Ludwig Philippson, revidiert und herausgegeben von Walter Homolka, Hanna Liss und Rüdiger Liwak, unter Mitarbeit von Susanne Gräbner, Daniel Vorpahl und Zofia Helena Stein. 3., überarbeitete Auflage. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2021, S. 633.