Demo und Gedächtnis

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2020

First of all: ja, es ist sehr sehr gut, dass derzeit so viele gegen Rechts demonstrieren. Mir ist zwar nach wie vor schleierhaft, warum dieses nun enttarnte geheime Treffen das ausgelöst hat, – weil: was die Rechten vorhaben war doch vorher schon bekannt,- das konnte jeder wissen, der seine Augen nicht ganz fest verschlossen hatte,- aber gut. Besser spät als nie. Und Hauptsache der Groschen fällt, eh es zu spät ist.

Von Ramona Ambs

Noch besser wär natürlich, man würde die Rechten einfach erst gar nicht wählen und deren Positionen hoffähig machen. Auch die Leute nicht, die in den demokratischen Fraktionen sitzen, aber rechte Parolen nachplappern oder damit arglos spielen und populistisch taktieren. Aber das scheint schwierig zu sein, wenn man sieht, dass Politiker, die aiwangern, enorm an Zulauf gewinnen.

Deshalb ist es wirklich wichtig, dass Leute nun in der Arschkälte demonstrieren gehen… Ich bin da durchaus stolz auf meine deutschen Mitbürger.

Als Jüdin beruhigt mich das Ganze aber nicht die Bohne.

Auch nicht, wenn man die Demos als #niewiederistjetzt labelt.

Weil ich nämlich an Gedächtnis leide.

Ja, auch an Kurzzeitgedächtnis.

Als wir letzten Herbst Eure Solidarität gebraucht hätten, kam kaum jemand raus. Wir standen alleine auf der Straße, um gegen Antisemitismus zu demonstrieren. Das waren im Grunde jüdische Familientreffen…

Aber für uns kommt die Bedrohung halt auch nicht nur von rechts, sondern auch von links und von islamistischer Seite. Wer sich da einreihte, war wirklich an der Seite der Juden. Das ist bei den jetzigen Demos anders. Die sind einfach nur „gegen rechts“. Da laufen auch Leute mit, die glauben ihr Judenhass sei besser als der der Nazis. Weil sie ihn anders labeln…

Von daher tu ich mich jetzt schon schwer, nun mit solchen Leuten gemeinsam zu demonstrieren, auch wenn wir in dem Fall den gleichen Feind haben.

Hinzu kommt der Gestus, und die Art und Weise, wie solche Demonstrationen mittlerweile aufgezogen werden, die mich abhalten, dazu zu kommen.

Früher demonstrierte man einfach zusammen für oder gegen etwas.

Heute ist so eine Demo ja mehr ein gruppentherapeutisches Happening, wo man sich sehr umeinander sorgt und vorsorglich die Teilnehmer (pardon,- natürlich die Teilnehmenden) voneinander separiert.

Hier in Heidelberg beispielsweise wurde der Demozug in fünf „Safe Space Blöcke“ eingeteilt. Nein, das ist kein Scherz aus dem Kabarettprogramm von dem unsäglichen Dieter Nuhr, sondern leider Realität. Die Blöcke haben sogar eigene Namen: Bunt, queerfeministisch, Antifa, Schüler*innen und Familien laufen vorsorglich voneinander getrennt.

Wir Juden haben übrigens keinen eigenen Block samt Blockwart-, pardon Awareness-Ordner, bekommen, aber gut- am Shabbat kämen eh kaum welche zur Demo. Und die wahren Opfer, die man vor Diskriminierung schützen muss in diesem Land sind natürlich die Queerfeministen. Die wurden zuletzt auch mega gedisst, als sie so prominent bei den Palidemos mitliefen. Die benötigen schon besonderen Schutz. Muss man einsehen… – und immerhin hab ich so verstanden, warum zu unseren jüdischen Veranstaltungen keiner kommt: einen Safe Space können wir Juden nie bieten… nicht auf der Straße, nicht in der Synagoge und nicht zuhause… nirgends… Wir brauchen allerdings auch kein A-Team, wenn uns was triggert. Wir sind Kummer jeglicher Art gewohnt. Nennt sich Alltag.

However.
Will sagen: schön, dass so viele dabei waren.

Aber ausreichend ist das noch lange nicht.

Da braucht es mehr. Viel viel mehr.

Bildquelle: Screenshots von https://www.instagram.com/p/C2SVm1so7ST/