„Kindermörder Israel“

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Ein antisemitisches, apologetisches und falsches Schlagwort

Von Armin Pfahl-Traughber

Bei den derzeitigen „propalästinensischen“ Demonstrationen gegen Israel kann man immer wieder ein Schlagwort hören: „Kindermörder Israel“. Mit Aggressivität wird es im Chor als Schmähung gerufen, wohl nicht nur von arabischstämmigen Demonstranten, sondern auch von „linken“ Israelfeinden. Kritische Aufmerksamkeit und Kommentierungen gibt es dazu nur selten. Dabei geht es um ein antisemitisches, apologetisches und falsches Schlagwort. Drei Begründungen seien zu dieser Einschätzung in umgekehrter Reihenfolge der Wertungen vorgetragen:

Erstens, falsch ist die Aussage, weil ein Mord eine beabsichtigte und systematische Tötung meint. Es ist zwar durchaus zutreffend, dass bei Angriffen von Israel auch Kinder ums Leben kommen. Dies ist aber gerade nicht Ausdruck einer bewussten Vorgehensweise. Kommt es zu nicht beabsichtigten Fällen von getöteten Kindern, so werden diese durch öffentliche Aufzüge von der Hamas propagandistisch instrumentalisiert.

Zweitens, apologetisch ist die Aussage, weil sie das Agieren der Hamas zumindest indirekt unterstützt. Sie kalkuliert bei ihrem ganzen Handeln bewusst ein, dass Kinder getötet werden. Bekanntlich lagert die Hamas mitunter in der Nähe von Schulen und Krankenhäusern ihre Raketen und sonstige Waffen. Erfolgen Angriffe aus Israel auf derartige Orte, so können sie bei Kindern nachvollziehbar zu tödlichen Konsequenzen führen. Genau darauf setzt die Hamas in zynischer Weise. Der Gefahr werden eben jene Kinder gezielt von ihr ausgesetzt. Sie sind daher ganz bewusst gewählte Opfer, aber eben der Hamas und nicht von Israel.

Drittens, antisemitisch ist die Aussage, weil sie an alte antisemische Klischees aus dem Mittelalter anknüpft. Bekanntlich wurde damals Juden unterstellt, sie würden kleine Kinder entführen, um deren Blut für religiöse Zwecke zu missbrauchen. Jahrhundertelang kursierte die damit gemeinte „Ritualmord“-Propaganda in judenfeindlichen Zusammenhängen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind derartige Mythen auch in der islamisch geprägten Welt verbreitet, woran eben die von der Hamas ausgehende antisemitische Propaganda anknüpft. Man überträgt lediglich alte Legenden in die heutige Zeit.

Prof. Dr. phil. Armin Pfahl-Traughber, Politikwissenschaftler und Soziologe, ist hauptamtlich Lehrender an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl. Er gehörte beiden „Unabhängigen Arbeitskreisen Antisemitismus“ des Deutschen Bundestags an.

Bild oben: Screenshot X / Twitter