„Zeige Geschick im Würfelspiel, damit Du sammelst der Juden viel!“

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Das Kinder-Brettspiel „Juden raus!“ aus Nazideutschland ist am Vorabend des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust in einer neuen Ausstellung der Wiener-Library an der Universität Tel Aviv zu sehen

Der Akademische Direktor und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Komitees der Wiener Library, Prof. José Brunner, erklärt das Spiel, das einem harmlosen Spiel ähnelt, das damals in Deutschland beliebt war, allerdings mit einer bösen Abwandlung. Die Aufgabe der Spieler besteht darin, schnell sechs „Judenhüte“ in der Stadt einzusammeln und zu einem der Sammelpunkte zu bringen. Der erste Spieler, dem dies gelingt, gewinnt das Spiel. Eine der Beschriftungen auf der Tafel lautet: „Auf nach Palästina!“.

Prof. Brunner: „‚Juden raus!‘ ist eindeutig das Ergebnis jahrelanger offenkundiger Hetze und Antisemitismus, die in den 1930er Jahren in der deutschen Gesellschaft herrschten – so sehr, dass jemand auf die Idee kam, die Judenvertreibung sei ein geeignetes Thema für ein Kinderspiel. Die meisten Kinder spielten Spiele, die ihnen die Geschichte der NSDAP, ihre Gründung und ihre Entwicklung beibrachten, während dieses Spiel Kindern ausdrücklich beibrachte, Juden zu deportieren.“ Prof. Brunner fügt hinzu, dass die Fakten über die genaue Entstehung des Spiels umstritten und teilweise sogar widersprüchlich sind. Bekannt sei aber, dass es von einem Lebensmittelhändler namens Rudolf Fabricius vertrieben wurde.

Figuren des Brettspiels, Foto: Tel Aviv University

Prof. Dina Porat vom Institut für Jüdische Geschichte der Universität Tel Aviv ergänzt: „In den 1930er Jahren spielten Kinder in deutschen Schulen und Vorschulen, die ihre Erziehung von der NSDAP erhielten, viele Spiele, die sie ermutigten, sich mit den Institutionen der Partei zu identifizieren. Das in der Ausstellung gezeigte Spiel ist im Gesamtzusammenhang mit Lernmaterialien in NS-Schulen und -Kindergärten zu sehen, wie etwa eine Sonderausgabe der Protokolle der Weisen von Zion für Kinder oder das erschreckende Kinderbuch „Der Giftpilz“. Während des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts konnten diejenigen, die eine solche Bildung von klein auf erhalten hatten, deutlich von älteren Generationen unterschieden werden, die in einem anderen Deutschland ausgebildet wurden.“

Trotzdem das Spiel eindeutig antisemitisch ist und sogar den Nazi-Slogan „Juden raus!“ verwendet, wurde es vom Nazi-Establishment nicht gut aufgenommen, fügt Prof. Brunner hinzu. Ein Artikel, der am 29. Dezember 1938 in der SS-Wochenzeitschrift „Das Schwarze Korps“ veröffentlicht wurde, kritisierte das Spiel scharf und behauptete, es sei respektlos gegenüber der deutschen Politik der Säuberung Deutschlands von Juden, weil es systematische harte Arbeit als Glücksspiel darstelle. Tatsächlich war die Säuberung ein methodischer, gründlich durchdachter Plan. Auch beim deutschen Publikum kam das Spiel nicht gut an und die Verkaufszahlen waren offenbar recht gering. Obwohl das Spiel wirtschaftlich gescheitert war und es wahrscheinlich nicht viele Kinder spielten, ist es ein Beweis dafür, dass es dort, wo Antisemitismus und Rassismus herrschen, Unternehmer geben wird, die versuchen werden, davon zu profitieren.

Die Universität Tel Aviv erhielt das Spiel in den 1970er Jahren zusammen mit dem gesamten Wiener-Archiv aus London, das Zehntausende von Dokumenten aus der NS-Zeit enthielt. Das Spiel erregte sofort die Aufmerksamkeit der Direktoren der Bibliothek und wurde im Laufe der Jahre von Zeit zu Zeit den Besuchern der Bibliothek, hauptsächlich akademischen Forschern, gezeigt. Nach bestem Wissen und Gewissen ist das Spiel im Besitz der Wiener Library eines der wenigen Originale, die es noch auf der Welt gibt. Die Sammlung der Bibliothek umfasst auch die SS-Wochenzeitung „Das Schwarze Korps“, in der die Kritik des Spiels veröffentlicht wurde.

Bild oben: Das Brettspiel, Foto: Tel Aviv University