Die neuen Fernsehtipps

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© Jean-Claude Lother/Why Not Productions Carlotta (Marion Cotillard, li.) erscheint wie aus dem Nichts am Strand und trifft dort auf Sylvia (Charlotte Gainsbourg, re.).

Vom 1. bis 15. Februar 2023

Mi., 1. Feb · 00:15-01:10 · arte
Die geheimen Depots von Buchenwald – Lösung eines Rätsels

Ende der 1980er Jahre taucht bei Recherchen des amerikanischen Historikers Kenneth Alford in den National Archives in Washington eher zufällig eine mysteriöse handgemalte Skizze auf. Sie zeigt den Steinbruch des Konzentrationslagers Buchenwald, darin eingezeichnet acht Bunker. Es handelt sich vermutlich um Stollen, die von den Nazis kurz vor Kriegsende in den Berg getrieben wurden. Zwei Stollen wurden von der US-Armee 1945 nach ihrer Ankunft in Buchenwald aufgrund entsprechender Hinweise entdeckt und geöffnet. Tonnenweise bargen die zusammengerufenen Helfer Raubgut, das nach Frankfurt am Main gebracht wurde und dessen Spuren sich später in ihrer Gänze verlieren. Von den sechs anderen Stollen wussten die Amerikaner nichts. Eine Skizze gab es damals nicht. Doch seit ihrer Entdeckung rätseln Experten und Wissenschaftler, wie auch der Historiker Dr. Harry Stein von der Gedenkstätte Buchenwald, was im Berg wirklich noch verborgen liegt. Aufgrund der Recherchen des Journalisten und Filmemachers Peter-Hugo Scholz wurde die Indizienkette immer stärker. Daraufhin gab das wissenschaftliche Kuratorium der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora grünes Licht, um den Berg zu öffnen und das Rätsel endlich zu lösen. Was hat es mit den zusätzlichen Stollen von der Skizze auf sich? Gibt es sie wirklich? Was liegt darin verborgen? Ein Filmteam hat die Ausgrabungsarbeiten begleitet und dokumentiert. Auf seiner Spurensuche offenbart es eine bisher unerzählte Geschichte.

Mi., 1. Feb · 22:05-23:00 · arte
Norman Mailer – Gewalt und Leidenschaft

Er symbolisierte die USA – den Traum und den Alptraum. Als debütierender Schriftsteller war Norman Mailer der „angry young man“, als zorniger alter Mann und Ikone Amerikas starb er. Dazwischen lag ein Leben wie eine Fahrt mit der Achterbahn, bestimmt von strahlendem Erfolg und dunklen Momenten. Der 1923 als Sohn jüdischer Einwanderer geborene Mailer wuchs in Brooklyn auf. Die dominierende Figur der Familie war seine Mutter, deren Vater Lebensmittelhändler und Hotelier in dem Badeort Long Branch, New Jersey, war. Eigentlich wollte Norman Flugzeugingenieur werden, besuchte jedoch neben dem Studium am Harvard College Schreibkurse. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er an der Pazifikfront. Schlagartig bekannt wurde Mailer 1948 mit seinem ersten Roman „Die Nackten und die Toten“, in dem er seine Erfahrungen als Soldat verarbeitete. Auflage: 7 Millionen. Wie sein Vorbild Ernest Hemingway ließen ihn Krieg, Gewalt, Kampf und sexuelle Obsessionen ein Leben lang nicht los. Immer wieder geriet er in die Schlagzeilen, auch wegen seiner Alkohol- und Drogenexzesse. Er trage „mehr als nur ein bisschen Gewalt in sich“, sagte Mailer von sich. Eine seiner sechs Ehefrauen verletzte er im Rausch schwer. Er gehörte zur New Yorker Boheme der 60er Jahre und war neugierig auf Menschen, die alle Höhen und Tiefen erlebt hatten – ganz wie er. Aber was steckte hinter der Maske des Enfant terrible, des Vaters von neun Kindern? Verzweiflung? Die Suche nach einer Identität, die er doch nie fand? Der Film geht diesen Fragen nach und erzählt die dramatische Lebensgeschichte Norman Mailers.

Mi., 1. Feb · 22:35-01:35 · RBB
Berlin 1945

Berlin 1945 aus der Perspektive seiner Zeitgenossen: Hakenkreuz-Fahnen versinken im Trümmermeer um neuen Gedanken und Fahnen über den Köpfen Platz zu machen, während sich am Horizont die Teilung der Stadt abzeichnet. „Berlin 1945“ erzählt mit Archivmaterial aus den Blickwinkeln der Zeitgenossen, ohne sich über sie zu erheben, ein vielstimmiges, kollektives Tagebuch: Geschichte wird gegenwärtig.

Do., 2. Feb · 22:55-23:45 · 3sat
Die Buchenwald-Kinder – Eine Schweizer Hilfsaktion

Die sogenannte Buchenwald-Aktion, eine Schweizer Hilfsaktion für Opfer des Naziregimes, war eine gut gemeinte Hilfsaktion der Schweiz, die aber mangelhaft geplant und umgesetzt wurde. Für Europa und die Schweizer Bevölkerung bedeutete die deutsche Kapitulation im Mai 1945 eine Erlösung – endlich Frieden. Trotzdem war die Schweizer Regierung besorgt, denn die amerikanische Regierung kritisierte den Bundesrat für seine Politik während des Kriegs. Sie warf der Schweiz vor, sie hätte noch bis zum Kriegsende Wirtschaftskontakte mit dem Naziregime erlaubt und dadurch dazu beigetragen, den Krieg zu verlängern. Nach Kriegsende versuchte deshalb die Schweizer Regierung, die Siegermächte günstig zu stimmen, und bot an, 2000 Kinder aus den Konzentrationslagern zur Erholung aufzunehmen. Doch die Buchenwald-Aktion verlief nicht wie gewünscht, anstatt 2000 wurden nur 370 junge Erwachsene aufgenommen. Die Buchenwald-Aktion inspirierte die Drehbuchautorin Petra Volpe der TV-Serie „Frieden“. Eine ihrer Hauptfiguren ist Klara, eine junge Frau, die in der TV-Serie junge Erwachsene betreut, die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz zur Erholung kommen. Die historische Vorlage für Klara ist die Geschichte von Charlotte Weber (1912–2000), einer ausgebildeten Pädagogin und Musikerin aus Olten, die nach 1945 ein Heim des Schweizerischen Roten Kreuzes leitete. In den Archiven der Cinémathèque suisse wurde ein kaum beachtetes Interview mit Charlotte Weber gefunden. Darin erklärt sie, weshalb die Buchenwald-Aktion damals missglückte: Die traumatisierten jungen Erwachsenen seien in der Schweiz in Lagern hinter Stacheldraht eingesperrt und militärisch bewacht worden. Zudem habe es an Essen und Schulmaterial gefehlt. Das Schweizerische Rote Kreuz SRK war offensichtlich überfordert. Der aktuelle SRK-Direktor Markus Mader nimmt im Dokumentarfilm Stellung. Er erläutert, welche Schlüsse das SRK daraus gezogen habe, nimmt aber auch die Verantwortlichen von damals, zumindest teilweise, in Schutz. Herzstück des Dokumentarfilms ist die Lebensgeschichte von Léon Reich (1925-2014). Reich kam im Rahmen der Buchenwald-Aktion als Überlebender des Holocaust in die Schweiz. In einem ausführlichen Interview aus dem Jahr 2005 erzählt er, wie seine Familie von den Nazis ausgelöscht wurde, wie er den Todesmarsch von Auschwitz ins KZ Buchenwald knapp überlebte und schließlich in die Schweiz kam. Das Interview dokumentiert eine unfassbare Leidensgeschichte, die für viele andere jüdischen Schicksale steht. Léon Reich blieb der Schweiz bis zu seinem Tod verbunden und baute in Biel ein erfolgreiches Uhrenunternehmen auf, das heute noch existiert. Der Dokumentarfilm „Die Buchenwald-Kinder – Eine Schweizer Hilfsaktion“ macht den Faktencheck und stellt Ausschnitte aus der fiktionalen Serie „Frieden“ den historischen Fakten und Erkenntnissen gegenüber: Neben Interviews von Charlotte Weber und Léon Reich, Passagen aus Schweizer Filmwochenschauen und anderen historischen Quellen nehmen renommierte Schweizer Historikerinnen und Historiker Stellung und ordnen die Ereignisse ein. Entstanden ist ein dichtes und beklemmendes Abbild einer düsteren Zeit.

Do., 2. Feb · 23:45-01:10 · HR
Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde

Marthe Cohn war Chichinette: In den Kriegswirren entscheidet sie sich 1945 als Spionin der Alliierten in Nazi-Deutschland ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Ihre Mission gelingt, doch dann redet sie fast 60 Jahre lang mit fast niemandem über ihre Heldentaten. Heute, im Alter von 101, bereist sie mit großem Eifer die Welt, um ihre Geschichte mit der jungen Generation zu teilen. Marthe Cohn ist eine kleine, alte Dame – und tourt wie ein Rockstar durch die ganze Welt. Eine Frau mit Charakter, Humor und viel Energie. Schnell verstehen wir, warum sie damals „Chichinette“ (Kleine Nervensäge) genannt wurde. Ihre Vorträge sind unterhaltsam und gespickt mit Pointen. Mit Schlagfertigkeit und Charme fesselt sie ihr Publikum – und mit ihrer unglaublichen Lebensgeschichte: Marthe Hoffnung, eine französische Jüdin aus Metz, die im Krieg ihren Verlobten und ihre Schwester verlor und 1945 entschied, als Spionin für die Alliierten in Nazi-Deutschland ihr Leben aufs Spiel zu setzen und für das baldige Ende des Krieges zu kämpfen. Dann sprach sie fast 60 Jahre nicht über ihre unglaubliche Geschichte. „Chichinette – Wie ich zufällig Spionin wurde“ von Nicola Alice Hens erzählt in atmosphärischen, teils animierten Bildern einen beeindruckenden Lebensweg und beobachtet Marthe heute, wie sie mit der liebevollen Unterstützung ihres Mannes Major die Welt bereist, um mit großem Eifer ihre Geschichte mit der jungen Generation zu teilen. Denn sie weiß: Viel Zeit bleibt ihr nicht mehr.

Fr., 3. Feb · 09:30-10:00 · ARD-alpha
RESPEKT – Demokratische Grundwerte für alle! Judenhass – was tun gegen eine mörderische Ideologie?

Laut einer aktuellen Studie denkt ein Viertel der Deutschen antisemitisch. Warum Antisemitismus (immer noch) so häufig vorkommt und wie er am besten zu bekämpfen, will Christina Wolf für „Respekt“ herausfinden. Dazu forscht sie erst nach, wann und wie Antisemitismus entstanden ist – eine unselige Geschichte, die fast bis Christi Geburt zurückreicht. Um den modernen jüdischen Alltag kennenzulernen, besucht Christina Wolf die eher traditionelle Israelitische Kultusgemeinde in München. Und sie besucht die liberale jüdische Gemeinde Beth Shalom, die das Judentum bewusst „liberal“ und „zeitgemäß“ interpretiert. Im Gespräch mit Jüdinnen und Juden erfährt die Moderatorin, welche Erfahrungen sie im Alltag mit Antisemitismus gemacht haben. Die Rubrik „Zahlen und Fakten“ zeigt die Entwicklung antisemitischer Übergriffe. Antisemitismus hat aber auch andere Erscheinungsformen. Häufig „tarnt“ er sich als Kritik an der Politik Israels. Die Grenze zwischen legitimer politischer Kritik und Antisemitismus ist meist nicht leicht zu erkennen. Christina Wolf will mehr erfahren und reist nach Berlin, um eine Antisemitismusforscherin zu treffen. Um den jüdischen Alltag auch einmal selbst mitzuerleben, mietet sie sich kurzerhand einen Juden. „Rent a Jew“ nennt sich ein Projekt, das Begegnungen von jüdischen und nichtjüdischen Menschen fördert. Es vermittelt jüdische ehrenamtliche Referent*innen z.B. an Schulen. Am Ende ihrer interessanten Reise kommt die Moderatorin in der Reportage zu dem Ergebnis: Antisemitismus hat eine lange Geschichte und viele Formen. Ihm begegnen kann man mit Aufklärung und gegenseitigem Verständnis.

Fr., 3. Feb · 20:15-21:45 · 3sat
Die Akte General

In der Bundesrepublik der 1950er-Jahre führt der Generalstaatsanwalt Fritz Bauer einen einsamen Kampf gegen die Vertuschung nationalsozialistischer Verbrechen und das Wegschauen. Doch damit macht er sich viele Feinde, die ihm Steine in den Weg legen. Unterstützt wird er vom jungen Staatsanwalt Joachim Hell, mit dem er ein Verfahren gegen Adenauers engsten politischen Vertrauten Hans Globke in Gang setzen möchte. Doch Bauer ist der festen Überzeugung, dass nur so die junge Demokratie gefestigt werden könne. Nicht nur seine Haltung, sondern auch sein aufbrausendes Temperament machen Bauer angreifbar. Immer wieder formiert sich Widerstand aus Politik, Nachrichtendiensten und dem Justizapparat gegen den Einzelkämpfer. Wohl wissend, dass das Interesse an der Ergreifung Adolf Eichmanns in Deutschland gering ist, versucht Bauer, den israelischen Geheimdienst zu einer Verhaftung des in Argentinien vermuteten Organisators der Massendeportationen zu bewegen. Tatsächlich gelingt es Bauer in geheimen Verhandlungen, die Verhaftung Eichmanns durch den Mossad in Gang zu setzen. Unterstützt vom jungen Staatsanwalt Joachim Hell, lässt Bauer auch danach nicht locker: Mit Material aus den Eichmann-Vernehmungen will er ein Verfahren gegen Kanzleramtschef Hans Globke erreichen, um dessen Verstrickung in die Deportationen zu ahnden, und wagt sich damit an Adenauers engsten politischen Vertrauten.

Sa., 4. Feb · 07:30-08:00 · RBB
rbb wissenszeit: Rassismus.Kolonialismus.Heute

Rassismus gab es schon, bevor europäische Länder Kolonien in außereuropäischen Gebieten gründeten. Die Kommunikationswissenschaftlerin Natasha A. Kelly hält den Rassismus für den Motor der Kolonialisierung. Sie sagt, die Idee, dass Schwarz für Leid und Tod steht, das Negative, und Weiß das Positive symbolisiert, zum Beispiel in der Darstellung weißer Engel, wurde auf die Menschen übertragen. Der Film setzt sich anhand der Lebensgeschichte des Herero-Nachfahren und Aktivisten Israel Kaunatjike mit der Frage des Rassismus und der deutschen Kolonialzeit auseinander. Die promovierte Soziologin, Kommunikationswissenschaftlerin und Autorin Natasha A. Kelly analysiert die Strukturen, die den Rassismus gefördert und tief in unsere Gesellschaft eingeschrieben haben. Und zwar bis heute. Von den Einflüssen der Kolonialzeit auf ihre Arbeit am Theater berichtet die Regisseurin und Autorin Simone Dede Ayivi und sie erzählt von ihrem Aktivismus bei ISD – der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland.

Sa., 4. Feb · 20:15-21:00 · ARD-alpha
Geheimnisvolle Orte: Hohenlychen – Das Sanatorium der Nazis

Mitte des letzten Jahrhunderts gehörte Hohenlychen zu den Orten, wo sich die nationale und internationale Prominenz der Welt traf. Hohenlychen versprach Genesung, Entspannung und erstklassige medizinische Betreuung, ein kleines Davos mitten in der Mark Brandenburg. Dann kamen die Nazis. Vom Sanatorium fuhren Ärzte in die Konzentrationslager Ravensbrück und Neuengamme, um medizinische Versuche an Frauen und Kindern durchzuführen. In die Bedeutungslosigkeit fiel das ehemalige Sanatorium nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Für fünf Jahrzehnte blieb Hohenlychen sowjetisches Lazarett; für Deutsche – Betreten verboten. In Hohenlychen, 80 Kilometer nördlich von Berlin, stehen Villen und Häuser im Fachwerkstil am Zenssee. Prunkvolle Treppenaufgänge, Hunderte von Zimmern und Sälen. In den 1920er- und 1930er-Jahren gehörte Hohenlychen zu den Orten, an denen sich die nationale und internationale Prominenz der Welt traf. Hohenlychen versprach Genesung, Entspannung und erstklassige medizinische Betreuung, einkleines Davos mitten in der Mark Brandenburg. In der Zeit des Nationalsozialismus zogen sich Rudolf Hess und Albert Speer ausgelaugt und erschöpft immer wieder nach Hohenlychen zurück. Deutsche Sportler bereiteten sich im Reichssportsanatorium auf die Olympischen Spiele 1936 vor. Auch der Star der Olympischen Spiele, Jesse Owens, kam nach Hohenlychen, um sich am Meniskus operieren zulassen. Ärzte des Sanatoriums fuhren in die Konzentrationslager Ravensbrück und Neuengamme, um medizinische Versuche an Frauen und Kindern durchzuführen – im Namen des medizinischen Fortschritts. Internationales Aufsehen erregte der Tod der Kinder vom Bullenhuser Damm. An diesem Verbrechen war maßgeblich ein Arzt aus Hohenlychen beteiligt. Wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs empfing Heinrich Himmler in Hohenlychen den schwedischen Diplomaten Graf Folke Bernadotte, um einen separaten Frieden zu verhandeln. Im Gegenzug kamen Tausende, in Konzentrationslagern inhaftierte Frauen frei. Begonnen hat die Geschichte von Hohenlychen 1902, als der Berliner Geheimrat und Arzt Gotthold Pannwitz an diesem Ort die ersten Baracken für Tuberkulosekranke aufbauen ließ und aus Hohenlychen ein Mekka für Schwindsüchtige machte. In die Bedeutungslosigkeit fiel das ehemalige Sanatorium nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Für fünf Jahrzehnte blieb Hohenlychen sowjetisches Lazarett; für Deutsche war das Betreten verboten. Zeitzeugen, wie der Sohn von Graf Folke Bernadotte, die Polin Wanda Poltawska und der letzte sowjetische Chef des Lazaretts Hohenlychen kommen zu Wort.

So., 5. Feb · 11:50-12:35 · WDR
Karneval mit Haltung – Die unbequemen Jecken von Küpper bis Kasalla

Karneval ist für viele nicht mehr als Party mit Ballermann-Faktor. Doch es geht auch anders. Karneval kann mehr sein. Unterhaltung mit Haltung, politische Kante mit Humor. Gerade in Zeiten von Ressentiments gegen alles Fremde kann der Karneval mit seinen Millionen Zuschauern ein wichtiges Forum für Zivilcourage sein. Es geht um die Kunst, als Karnevalist auch für das eigene Publikum zum Teil unbequeme Positionen zu beziehen. Der Film dokumentiert die derzeit mutigsten und politischsten unter den erfolgreichen Karnevalisten. Kasalla, Brings, Bernd Stelter und andere Bühnenstars sorgen für Stimmung und Lacher mit Nachhall. Viele dieser auch unbequemen Jecken haben ein Vorbild: Karl Küpper. Er war ein in den 1930er Jahren deutschlandweit bekannter Karnevalist, der sich im Dritten Reich nicht angepasst hat. Küpper hat Haltung gezeigt und wurde dafür bestraft. Er war der einzige Büttenredner, der die Nazis auf der Bühne verhöhnte. Mehrfach wurde er von der Gestapo misshandelt und verhaftet. Letztlich durfte er nicht mehr auftreten. Karl Küpper ist für viele Karnevalisten eine Art moralischer Kompass, sowohl für die Vertreter des alternativen Lagers wie Jürgen Becker und Gaby Köster oder des traditionellen Karnevals wie Bernd Stelter und Peter Brings. Die Dokumentation verwebt das aktuelle Karnevalsgeschehen mit der Geschichte Karl Küppers. Es sind berührende Momente, wenn Sohn Gerhard Küpper über die wichtigsten Momente im Leben seines Vaters erzählt. Die Zuschauer erleben auch die Nachfolger Küppers im Karneval der letzten Jahrzehnte und in der aktuellen Session. Und die Karnevals-Bands mit der besonderen Kraft ihrer Hymnen sind ebenfalls dabei: Von den Bläck Fööss über Brings bis zu Kasalla.

Do., 9. Feb · 16:00-16:55 · arte
Im Einsatz für das Tote Meer

Das Tote Meer ist vor allem durch seine außergewöhnliche geografische Lage, sein einzigartiges Ökosystem und seine besondere Geschichte bekannt. Für den Salzwassersee sieht es jedoch düster aus: Aufgrund des übermäßigen Wasserverbrauchs und schlechten Wassermanagements ist der Wasserspiegel in den letzten Jahrzehnten erheblich gesunken. Die fortschreitende Austrocknung des Gewässers zieht erhebliche Schäden nach sich. Wo einst Strände für Touristen waren, befindet sich heute eine Wüstenlandschaft. Den Entscheidungsträgern liegen verschiedenste Lösungsvorschläge vor, doch aufgrund der politischen Realität in der Region scheint es unmöglich, der Zerstörung mit vereinten Kräften entgegenzuwirken. Der israelische Aktivist und Freiwasserschwimmer Oded Rahav, der jordanische Umweltschützer Munqetz Mehyar und der palästinensische Rettungsschwimmer Yusuf Matari haben es sich darum gemeinsam zur Aufgabe gemacht, die Bevölkerung vor der Naturkatastrophe zu warnen. Sie organisieren eine Sportveranstaltung, die es in der Art noch nie zuvor gab: Eine Gruppe internationaler Schwimmerinnen und Schwimmer durchquert gemeinsam das Tote Meer – von Jordanien bis nach Israel. Allerdings ist der hohe Salzgehalt des Wassers für die Sportlerinnen und Sportler eine große Herausforderung: Dieser erschwert das Schwimmen und kann im schlimmsten Fall tödlich enden. Der Film begleitet die drei Organisatoren von der Idee bis zur Ausrichtung der Veranstaltung.

Do., 9. Feb · 23:55-00:40 · 3sat
Aus den Trümmern in die Freiheit – Bayern nach dem Krieg

Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa: Auch Bayern liegt in Trümmern. Der Film schildert den Weg Bayerns vom Kriegsende bis zur bayerischen Akzeptanz des Grundgesetztes am 23. Mai 1949. Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht und der vollständige Zusammenbruch des NS-Regimes bietet die Chance zu einem voraussetzungslosen Neuanfang. Doch wie sieht dieser Neuanfang aus? Wie kann sich die Demokratie in einem fast vollständig zerstörten Land entwickeln? Welche Rolle spielen die amerikanischen Befreier? Was passiert mit den Nazis? Wie kann man überleben – trotz Hunger, Wohnungsnot und fehlender Infrastruktur? Der Film setzt sich mit diesen Fragen auseinander und zeigt, wie sich Bayern in den verschiedensten gesellschaftlichen und politischen Bereichen aufmacht, in diese neue, nicht gekannte und erlernte Freiheit zu gehen. Eine dynamische Zeit: Parteien werden gegründet, Frauen wieder in die Politik geholt, Städte von den Trümmern befreit. Auch Vertriebene und Flüchtlinge, die die Bevölkerungszahl Bayerns um 20 Prozent ansteigen lassen, müssen integriert werden.

Fr., 10. Feb · 20:15-21:45 · 3sat
Die Himmelsleiter (1/2) Sehnsucht nach morgen

Köln 1947: Die Rheinmetropole ist komplett zerstört. Das Ende des Kriegs bedeutet noch lange nicht das Ende des Überlebenskampfes. Der Winter 1946/47 ist der härteste des Jahrhunderts. Hungrig, geschlagen und müde wollen sich die Menschen nicht einfach der Verzweiflung überlassen. Eine von ihnen ist die dreifache Mutter Anna Roth. Ihr Mann Adam, ein Jude, gilt seit sechs Jahren als vermisst, es besteht kaum noch Hoffnung, dass er überlebt hat. Mit Hamstern, endlosem Schlangestehen und Tauschgeschäften hält die Schneiderin ihre Großfamilie über Wasser. Tochter Sophie hat einen unehelichen Sohn, Paul, und einen italienischen Ehemann, Francesco. Während Evchen, ihre Jüngste, sich als Liedermacherin für den Karneval versucht, schwänzt ihr Sohn Michel die Schule. Über die Himmelsleiter – so werden die verminten Waldwege nach Belgien wegen ihrer tödlichen Gefahr genannt – schmuggelt er Kupfer und Blei. Dank Annas unermüdlicher Tatkraft haben die Roths im Kellergeschoss ihres zerbombten Hauses ein bescheidenes Zuhause gefunden. Das Viertel, in dem die Ruine steht, soll jedoch einem Kasernenbau der belgischen Besatzer weichen. Die meisten Trümmergrundstücke hat Armin Zettler hierfür bereits aufgekauft. Mit dem heimtückischen Ex-Parteibonzen, der ihr immer wieder nachstellt, will Anna keine Geschäfte machen. Sie vermutet, dass er ihren Mann denunzierte, hat aber keine Beweise. Im Spruchkammerverfahren, zu dem auch Anna als Zeugin geladen ist, wird man Zettler hoffentlich den Prozess machen. Unterdessen bangt sie um Paul, den man beim Lebensmitteldiebstahl in der belgischen Kaserne erwischt hat. Die Roths erhalten Besuch von dem belgischen Offizier Valmund. Dabei verliebt der junge Leutnant sich in Sophie und sorgt nicht ganz uneigennützig dafür, dass ihr Ehemann Francesco verhaftet wird. In dieser schwierigen Situation steht Anna der Bauer Josef Halfen bei, ein hilfsbereiter Mensch, den sie beim Hamstern kennengelernt hat. Während sie ihm Klavierstunden gibt, erleben beide Momente des Glücks. Doch dann wird Zettlers jüngster Sohn, der Bahnpolizist Bruno, bei einem Überfall auf den Güterbahnhof angeschossen. In Verdacht gerät Michel, der bei der heimlichen Aktion dabei war. Die Polizei durchsucht das Haus der Roths und verhaftet Anna wegen des Verdachts auf Hehlerei. Plötzlich steht Adam in der Kellerwohnung. Er hat das KZ Mauthausen überlebt und über Ungarn den Weg zurück zur Familie gefunden. Auch er hat noch eine Rechnung mit Zettler offen. „Die Himmelsleiter – Sehnsucht nach Morgen“ zeichnet das Porträt einer fleißigen, pragmatischen und zielstrebigen Frau. Der Film über die Nachwirkungen des Krieges und des totalitären Regimes basiert auf den autobiografischen Erlebnissen von Peter Zingler, der seine persönlichen Kindheitserinnerungen in die liebenswürdige Figur des kleinen Paul einfließen ließ. Der jüngste Spross der Familie Roth erlebt die Trümmerfelder Kölns als riesigen Abenteuerspielplatz, der Gefahren und Entbehrungen – aber auch wunderbare Glücksmomente bereithält. Regisseur Carlo Rola zeichnet das facettenreiche, vielschichtige Porträt einer Kölner Familie, die stellvertretend für viele in den Trümmern der zerstörten Großstadt unbeirrt ein neues Leben aufbaut. Anhand des Alltags einer Familie, die Hoffnung und Ablenkung von den Alltagsnöten im Karneval erfährt – und deren unbändiger Glaube an eine bessere Zukunft, der „Sehnsucht nach morgen“, nie erlischt -, zeichnet der Film ein hoch emotionales Gesellschaftsbild der damaligen Zeit.

Fr., 10. Feb · 21:45-23:20 · 3sat
Die Himmelsleiter (2/2)

Wie aus dem Nichts taucht Adam Roth aus der Kriegsgefangenschaft wieder auf. Die Situation ist nicht einfach, zumal Anna sich zu Josef hingezogen fühlt. Anna und Adam bangen um ihren Sohn Michel, der angeblich auf Bruno geschossen haben soll, den jüngeren Sohn von Armin Zettler. Dem intriganten Nazi Zettler gelingt es, mit weißer Weste aus dem Spruchkammerprozess zu kommen – zum Entsetzen seines Opfers Adam. Aufgebracht durch den Freispruch, will Adam das Recht in die eigenen Hände nehmen. Doch er ist kein Mörder, er kann Zettler nicht richten. Die Konfrontation mit Adam zeigt jedoch Wirkung, denn der geldgierige Altnazi hat viel zu verlieren. Gnadenlos nutzte er die Not verfolgter Juden aus, um all ihren Schmuck zu kaufen. Angeblich ermöglichte er ihnen die Flucht, doch von niemandem, dem er „half“, hat man je wieder etwas gehört. Nun will er nach Südamerika auswandern, doch seine Beute ist ihm nicht genug: Auch den Verkauf des Viertels an die Belgier will er noch rasch abwickeln. Alle notwenigen Papiere hat Zettler sicherheitshalber auf den Namen seiner Frau Hermine übertragen lassen – doch die schmiedet inzwischen ihre eigenen Pläne. Zu viel Unrecht hat sie an der Seite ihres jähzornigen Mannes erduldet, damit soll nun Schluss sein. Als Hermine zum ersten Mal in ihrem Leben aufbegehrt, tritt Anna ihr zur Seite. Sie beschützt Hermine vor Zettlers Gewaltausbruch, ein Erfolg, der Anna ermutigt. Gemeinsam mit ihrer Familie heckt sie nun eine List aus, um Zettler ein für alle Mal das Handwerk zu legen.

Sa., 11. Feb · 01:10-02:45 · arte
Frauen der NS-Zeit

In der Geschichte des Zweiten Weltkriegs wurde die Rolle von Frauen häufig nur am Rande wahrgenommen. Dabei waren rund 500.000 von ihnen ab 1939 in den von der Wehrmacht besetzen Gebieten aktiv – dort, wo der Holocaust in die Tat umgesetzt wurde. Sie waren nicht etwa passive Zeuginnen eines von Männern verübten Völkermords, sondern unentbehrliche Mittäterinnen. Das Engagement und die Brutalität der Sekretärinnen, Krankenschwestern, KZ-Wächterinnen und Ehefrauen von SS-Männern wirft Frauen auf: Wie sind sie zu Komplizinnen, mitunter zu Mörderinnen geworden? Warum hat die deutsche Nachkriegsjustiz in Teilen die Augen vor ihren Verbrechen mindestens genauso verschlossen wie vor denen ihrer männlichen Mitstreiter? Welche Tabus führen auch heute noch dazu, ihre Taten nicht zu benennen? Die Dokumentation geht beispielhaft den Geschichten einiger dieser Frauen nach: von ihrer Indoktrination – vor allem innerhalb des Bunds Deutscher Mädel (BDM) – bis in die Nachkriegszeit, in der nur wenige von ihnen von ihrer Vergangenheit eingeholt wurden. Persönliche Dokumente der Frauen und Berichte von Angehörigen verbinden sich mit Archivaufnahmen aus der damaligen Zeit. Interviews mit Historikerinnen und Historikern sowie KZ-Überlebenden veranschaulichen, wie hoch die Gewaltbereitschaft in der gesamten Gesellschaft war. Aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet der Dokumentarfilm die Einbindung von Frauen in der Todesmaschinerie der Nazis und ihre aktive Mittäterinnenschaft, von der Einzeltat bis zur Beteiligung am Massenmord. Die Beweggründe der Frauen waren unterschiedlich: sei es die Hoffnung auf sozialen Aufstieg oder auf die Emanzipationsmöglichkeit in einem zutiefst frauenfeindlichen System, das die Ungleichheit zwischen Mann und Frau beförderte. Die Geschichte dieser Frauen und ihrer verschiedenen Lebenswege zeigt den Holocaust als Verbrechen, für das auch gewöhnliche Bürger mitverantwortlich waren.

So., 12. Feb · 20:15-21:00 · ARD-alpha
Osteuropa nach dem Holocaust – Vom Verschwinden der Schtetl

Ein Kriegsziel der Nazis waren die reichen Kornkammern der Ukraine. Ausgerechnet dort stießen die Nazis auf Millionen osteuropäische Juden, die in kleinen Städtchen, den Schtetln, oft ein sehr traditionelles, religiöses Leben führten. Noch bevor das systematische Morden in den großen Vernichtungslagern wie Auschwitz begann, ermordeten Sonderkommandos der Nazis in diesem „Holocaust durch Kugeln“ rund zwei Millionen Menschen, schätzt man heute. Die Radio-Bremen-Dokumentation „Osteuropa nach dem Holocaust – vom Verschwinden der Schtetl“ reist zu den letzten noch existierenden Schauplätzen einer ehemals reichen jüdischen Kultur, aber auch eines monströsen Verbrechens. Rivka Yoselevska gehört zu denen, die erschossen wurden, aber sie konnte sich aus der Grube befreien und als eine der wenigen Überlebenden vom Massenmord berichten, der vieltausendfach in Osteuropa stattgefunden hat. „Dann wurde ich erschossen,“ erzählt sie in einem Interview von 1981. „Ich fiel in die Grube, immer mehr Körper fielen auf mich. Ich hatte das Gefühl, ich ertrinke. Ertrinke im Blut der eigenen Leute.“ 95% der Juden Galiziens, heute gelegen in Südpolen und der Westukraine, wurden so in Gruben „geschossen“. Zurück blieben blutdurchtränkte Erde, tausende Massengräber und verwaiste Schtetl. Hunderte Synagogen und Friedhöfe fielen der Vernichtungswut der Deutschen zum Opfer, doch vieles blieb auch einfach stehen. „Die Menschen (…) leben buchstäblich auf diesem Blut, das dort vergossen ist und leben auch oft mit dem Wissen, dass ihre Eltern oder Großeltern da mitgemacht haben. Dass sie womöglich in einem jüdischen Haus wohnen, dass sie womöglich jüdische Möbel haben, einen jüdischen Tisch oder eine jüdische Decke“, sagt Magdalena Waligórska, Expertin für osteuropäische Geschichte. Christian Herrmann, Autor aus Köln, bereist schon seit Jahren die jüdischen Schtetl in Osteuropa und fotografiert, was von ihnen übrigblieb. In den Synagogen befinden sich heute Turnhallen, Kinos oder eine Schnapsfabrik. Fanden die Häuser keine Nachnutzung, fielen sie in sich zusammen und wurden oft abgerissen. Heute ist vom ehemals blühenden jüdischen Leben in Osteuropa fast nichts mehr übrig. Gibt es noch Rabbiner, kommen sie oft aus Israel oder den USA, sie haben Mühe, mehr als die zehn Männer, die dafür nötig sind, zu einem Gottesdienst zusammen zu bekommen. Dennoch gibt es viele Menschen in Osteuropa, die sich um den Erhalt des jüdischen Erbes bemühen. So versucht zum Beispiel Sasha Nazar, die Jakob Glanzer Schul zu retten, eine der letzten Synagogen im ehemaligen Lemberg, heute dem ukrainischen Lwiw. Viele Massengräber sind bis heute unbekannt und das Erbe der Schtetl ist massiv bedroht. In ein paar Jahren werden weitere Synagogen und historische Häuser der jüdischen Bevölkerung verschwunden sein.

So., 12. Feb · 21:00-21:45 · ARD-alpha
NS-Geheimkommando 1005

So akribisch wie sie ihre Massenmorde geplant und durchgeführt hatten, gingen die NS-Täter dabei vor, die Spuren ihrer abscheulichen Verbrechen zu beseitigen. Hatten sie zunächst die Opfer ihrer Hinrichtungen in Massengräbern verscharrt, so fürchteten sie – nachdem der Krieg für sie verloren schien und nach der Gegenoffensive der Roten Armee -, dass ihre Gräueltaten entdeckt würden. Wie systematisch die „Bürokraten der Massenmorde“ planten, ihre Spuren zu verwischen, und wie grausam und unmenschlich sie dabei vorgingen, ist bis heute ein weitgehend unbekanntes Kapitel der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Genauso akribisch wie sie ihre Massenmorde geplant und durchgeführt hatten, gingen die NS-Täter dabei vor, die Spuren ihrer Verbrechen zu beseitigen. Hatten sie beim Vormarsch in den Osten zunächst die Opfer ihrer Hinrichtungen einfach in Massengräbern verscharrt, so fürchteten sie – nachdem der Krieg für sie verloren schien und nach der Gegenoffensive der Roten Armee -, dass ihre Gräueltaten entdeckt würden. Wie systematisch die „Bürokraten der Massenmorde“ darangingen, ihre Spuren zu verwischen, und wie grausam und unmenschlich sie dabei vorgingen, ist bis heute ein weitgehend unbekanntes Kapitel der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Viele Angehörige der damals getöteten Juden, Sinti und Roma, der Partisanen oder einfachen Zivilisten warten bis heute auf eine Nachricht über den Verbleib ihrer Verwandten, hoffen noch immer zumindest auf eine würdige Gedenkstätte. Der Dokumentarfilm begleitet einerseits die französische Organisation Yahad-In Unum bei ihren Recherchen in der Ukraine und folgt andererseits dem Enkel eines der Täter bei den Nachforschungen über seinen Großvater, einen ehemaligen Angehörigen der SS. Beide sind im Raum Lemberg unterwegs. Die Rechercheure von Yahad-In Unum versuchen, Schauplätze von Massenerschießungen und noch lebende Augenzeugen zu finden. Dabei entstehen auch Porträts der Mitarbeiter um den Gründer und Inspirator, den französischen Priester Patrick Desbois. Der Hamburger Vertriebsleiter Rüdiger Schallock folgt den Spuren seines Großvaters, des SS-Untersturmführers Walter Schallock (1903-1974), dessen Taten bis heute als dunkler Schatten auf den Opfern lastet. „Transgenerationelle Traumatisierung“ nennt das die Wissenschaft inzwischen. Der Film wurde an mehreren Orten in der Ukraine hauptsächlich im Jahr 2021 gedreht. In Kiew ist der Fernsehturm zu sehen, an dem eine Inschrift an das Massaker von Babyn Yar erinnerte. Auch in der Schlucht von Babyn Jar selbst – heute ein Park in einem Vorort von Kiew – drehte das Team. Auch nach Lemberg und in einige kleinere Orte bei Lemberg fuhr der Autor Ingolf Gritschneder mit seinem Kamerateam. All diese Orte sind nun entweder bereits beschädigt oder zerstört, oder es droht ihnen im Krieg Russlands gegen die Ukraine Beschädigung oder Zerstörung.

Mo., 13. Feb · 01:20-02:50 · HR
München 1970 – Als der Terror zu uns kam

Fast jeder erinnert sich an das Attentat auf die israelische Olympiamannschaft 1972. Dass München aber zuvor schon einmal wegen Terroranschlägen im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden hat, weiß hingegen kaum noch jemand: Weder die versuchte Entführung einer EL AL Maschine am 10. Februar 1970 mit einem Toten, noch die Brandstiftung in einem jüdischen Altenheim drei Tage später mit sieben Toten, die meisten Holocaustüberlebende, oder die Bombenanschläge auf zwei Flugzeuge sind im Gedächtnis, obwohl es sich um die größte antisemitische Anschlagserie handelt, die es in Deutschland nach dem Ende des Nationalsozialismus gegeben hat. Fast jeder erinnert sich an das Attentat auf die israelische Olympiamannschaft 1972 in München vor genau 40 Jahren. Dass München aber bereits zweieinhalb Jahre zuvor schon einmal wegen Terroranschlägen im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden hat, weiß kaum noch jemand: Flugzeugentführungen, Paketbomben und ein Brandanschlag. Weder die versuchte Entführung einer EL AL Maschine am 10. Februar 1970 mit einem Toten und mehreren Schwerverletzten noch die Brandstiftung in einem jüdischen Altenheim drei Tage später mit sieben Toten, die meisten Holocaustüberlebende, noch der doppelte Bombenanschlag auf zwei Flugzeuge der Austrian Airline und der Swissair am 21. Februar 1970 sind im Gedächtnis, obwohl es sich um die größte antisemitische Anschlagserie handelt, die es in Deutschland nach dem Ende des Nationalsozialismus gegeben hat. Im Mittelpunkt der sehr persönlich gehaltenen Filmdokumentation von Georg M. Hafner steht ein Opfer, das das Pech hatte, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein: ein Passagier der Swissair Maschine, der als Fernsehjournalist über den Nahost-Konflikt berichtete und auf dem Weg nach Tel Aviv war – Rudolf Crisolli, der Onkel des Autors. Er war der Kollateralschaden für eine vermeintlich gute Sache, für den angeblich gerechten Kampf um einen palästinensischen Staat. Aber wer hatte beschlossen, dass sein Tod gerecht ist? Wer ist für seinen Tod verantwortlich? Die Suche nach Antworten auf diese persönlichen Fragen führt mitten hinein in das politische Klima der 70er Jahre, das Erbe der 68er Bewegung, die Radikalisierung der linken Bewegung und die Anfänge des modernen Terrorismus. Der Film zeigt eindrucksvoll, dass die blutigen zwölf Tage im Februar 1970 eine Warnung hätten sein müssen. Stattdessen aber wurden alle Vorboten verdrängt, um die heiteren Spiele, mit denen Deutschland die Erinnerung an die Nazi-Olympiade 1936 tilgen wollte, atmosphärisch nicht zu belasten. „München 1970“ das ist auch der bislang nicht wahrgenommene Prolog der Anschläge auf die Olympischen Spiele 1972. Das Panorama der zwölf Tage im Februar 1970 setzt sich aus privaten Foto- und Filmarchiven zusammen, aus wiedergefundenen privaten Schätzen des Autors, aus der Schilderung von Hinterbliebenen, die verkohlte Andenken an ihre Eltern aus den Trümmern der Swissair geborgen haben und ihre Erinnerungen sortieren. Aus den dramatischen Erinnerungen an die verheerende Brandnacht im jüdischen Altersheim in München und aus Schilderungen von Zeitzeugen, die damals meinten, den gerechten Kampf der Palästinenser in Deutschland mit allen Mitteln unterstützen zu müssen. Die Generation der 68er, die wütend die verdrängte Nazivergangenheit der Eltern anprangerte, machte gemeinsame Sache mit der Judenfeindschaft der arabischen Genossen. Die handelnden Personen, so sie noch leben und so sie reden, sind heute im gesetzten Rentenalter. Sie haben mit Erinnerungsschwächen zu kämpfen, mit Rheuma und steifen Gelenken. Es sind Bombenleger darunter, Brandstifter, Mörder. Sie haben ihre Strafen verbüßt, aber die wenigstens haben etwas dazu gelernt. In ihren Schilderungen der Zeit schwebt Wehmut mit. Oder sie schweigen beharrlich. „Das Humansein müssen wir einfach liquidieren“, schreibt ein prominenter Stadt-Guerillero. Dem stemmt sich der Film entgegen. Der Film geht aber auch der Frage nach, warum die deutschen Strafverfolgungsbehörden zwar einerseits sehr akribische Untersuchungen zu den Anschlägen durchführten, dann aber die Attentäter noch im selben Jahr abgeschoben wurden. Erstmals geben damalige hochrangige Mitarbeiter des israelischen Geheimdienstes Mossad Auskunft über die Zusammenarbeit zwischen deutschen Linken und palästinensischen Terrorkommandos, aber auch über die europäische Politik der Beschwichtigung und über die Weigerung, die israelischen Warnungen ernst zu nehmen. Am Ende bleibt die bange Frage: Wäre der Anschlag auf die Olympiade in München 1972 zu verhindern gewesen oder sogar der 11. September, wie einige behaupten?

Mi., 15. Feb · 20:15-22:25 · arte
Ismaels Geister

In diesem von temperamentvollen Charakteren getragenen Familien-Melodram kreuzen sich die Wege von Lebenden und Toten. Der Regisseur Ismaël, die 40 hat er überschritten, schreibt an einem Film, der von der diplomatischen Karriere seines Bruders Ivan inspiriert ist. Regelmäßig muss er seinem Schwiegervater Henri Bloom beistehen, einem jüdischen Dokumentarfilmer; der ist seit dem Verschwinden seiner Tochter Carlotta untröstlich und hat auf dem Bildschirm eine Endlosschleife mit Dias von ihr als Kind laufen. Denn Carlotta, Blooms Tochter und Ismaëls Frau, ist seit 20 Jahren verschwunden und wurde vor einigen Jahren für tot erklärt. Dem Vater, aber auch Ismaël hatte der Verlust das Herz gebrochen; Ismaël hat lange gebraucht, um sich wieder binden zu können. Sylvia, eine Astrophysikerin, teilt nun das Leben mit ihm und liebt ihn mit großer Zärtlichkeit. Eines Tages taucht nun Carlotta aus dem Nichts wieder auf. Ismaël hatte sich mit Sylvia in sein Haus am Meer zurückgezogen, um zu schreiben, und plötzlich steht Carlotta da, am Strand, ohne Gepäck. Ismaël ist völlig verwirrt und Sylvia fragt sich, ob sie noch eine Rolle in seinem Leben zu spielen hat, zumal Carlotta ihr gegenüber unverhohlen den Platz an Ismaëls Seite beansprucht. Als die Dreharbeiten zu seinem Film beginnen, flieht Ismaël vom Set und versteckt sich im Haus der Eltern in Roubaix. Irgendwann muss sich Ismaël seinem Leben wieder stellen … Wie die Erinnerung diskontinuierlich ist, wird auch dieser Film mit Sprüngen in Zeit und Raum erzählt; zumal es zusätzlich den „Film im Film“ gibt, den Ismaël gerade schreibt und dann dreht: über seinen Bruder, einen geheimnisumwitterten Diplomaten. Die virtuose Montage, kunstvolle Lichtsetzung sowie Rhythmus- und Stimmungswechsel verleihen dem Film eine geisterhafte Atmosphäre. Arnaud Desplechin zitiert unterschwellig die Arbeiten von Bergman, Truffaut und Hitchcock. Mathieu Amalric spielt wieder eine Figur, die ein Alter Ego des Regisseurs sein könnte; Marion Cotillard und Charlotte Gainsbourg bringen ihre Schauspielkunst und die geheimnisvolle Aura ihrer Figuren in den Film ein.
Bild oben: © Jean-Claude Lother/Why Not Productions: Carlotta (Marion Cotillard, li.) erscheint wie aus dem Nichts am Strand und trifft dort auf Sylvia (Charlotte Gainsbourg, re.).