Rechte(s) von A-Z

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Folge 18: T bis Trump, Donald

Von Christian Niemeyer

Dieses Lexikon gibt Informationen in kompakter Form sowie weitergehende Literaturhinweise, basierend auf Forschungsliteratur sowie allgemein zugänglichen Nachschlagewerke, zumeist in Printversionen. Internetquellen, etwas das Belltower-Lexikon sowie Wikipedia, wurden konsultiert. Ersteres ist aber zu unspezifisch und im Übrigen schlecht aufgebaut und unvollständig. Letzteres ist zu spezifisch, mitunter unzuverlässig. Das Handbuch Rechtsradikalismus (2002) von Thomas Grumke & Bernd Wagner setzte in beiden Hinsichten neue Maßstäbe. Es hat nur einen Nachteil: es ist zu alt, im Vergleich zum im Folgenden dargebotenen Material (Redaktionsschluss: Juli 2021), das ab jetzt auf hagalil.com in mehreren Folgen erscheinen wird und dem Online-Anhang meines Schwarzbuch Neue / Alte Rechte (2021) entnommen wurde. Am Ende eines jedes Eintrags finden sich in eckigen Klammern in Fettdruck die Seitenzahlen, auf denen die jeweilige Person oder Sache in der Printversion erwähnt wird. Damit gewinnt dieses Lexikon den Charakter eines Sach- und Personenregisters im Blick auf jene Printversion. Literaturhinweise finden sich in jenem kostenlos auf der Homepage des Verlags Beltz Juventa (Weinheim) als Download verfügbaren Online-Material.

 

Tanzmann, Bruno (1878-1939). Völkischer Schriftsteller u. Verleger, zog 1911 in die Gartenstadt Hellerau, deren an sich weltoffenes Profil er zusammen mit Georg Stammler (seit 1912 in Hellerau) und Kurt Gerlach (seit 1919 Schulleiter in Rähnitz) in die völkische Richtung zu verschieben suchte, etwa mittels der Zeitschrift Deutsche Bauern-Hochschule. Die gleichnamige Einrichtung war eine vom Geist des Antisemitismus beseelte Volkshochschule im völkischen Sinne. 1923 veröffentlichte T. in seiner Zeitschrift den Aufruf von Willibald Hentschel, der das Signal zur Begründung der Artamanenbewegung gab. 1935 betonte T. den engen Zusammenhang zwischen Jugendbewegung und Hitlerjugend, die Danksagung erfolgte in Gestalt der Auslobung eines Ehrensolds. In der Kindt-Edition erfährt man von all dem nichts und zu T. nur Nebensächliches. [267, 295 f., 569, 601, 605]

 

Tarrant, Brenton (*1990), aus Grafton/AUS. Rechtsextremist, der am 15. März 2019 bei einem Anschlag auf zwei Synagogen in Christchurch (NZL) 51 Menschen erschoss und weitere 50 verletzte. T., der als ein Idol Anders Breivik angab, war wiederum das Idol von Stephan Balliet. (s. Essay Nr. 19) [539]

 

Techow, Hans-Gerd (1905-1992). Mitglied der Brigade Ehrhardt, Teilnehmer am Kapp-Putsch, wg. Beihilfe am Attentat auf Walter Rathenau zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. In seiner von revanchistischen Parolen durchdrungenen Laudatio zum 70. Geburtstag von Karl Thums spielte T. billigend auf die NS-Euthanasie an, ohne dass dies im Nachgang im Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung beanstandet worden wäre. Kunststück, waren hier doch Gleichgesinnte verantwortlich, Günther Franz etwa. (vgl. Niemeyer 2013: 45 f.) [151, 369, 615, 618, 620]

 

Tellkamp, Uwe (*1968). Schriftsteller (Der Turm [2008], Mitunterzeichner der Charta 2017 gegen die (angebl.) Ausgrenzung des Verlags Antaios auf der Frankfurter Buchmesse. [153]

 

Tetzlaff, Alfred. Vom Schauspieler Heinz Schubert verkörperte Kultfigur im WDR-Fernsehen (Ein Herz und eine Seele [1973 bis 1976]), aber auch, wg. seiner damals schon AfD-nahen Sprüche, Kult bei Neuen Rechten, etwa mit Kaffeetassen, die mit seinen Sprüchen beschriftet sind. (s. Glosse Nr. 2) [655-659]

 

Thums, Karl (1904-1976), aus Wien. Wandervogel (Bundesleiter des ÖWV noch 1957/58) mit ausgeprägt völkischer Agenda und vielfach unter Beweis gestellter NS-Affinität (österr. NSDAP ab Mai 1931), Rassenhygieniker mit Einbindung in das Programm der NS-Euthanasie und, von ihm, aber auch in der Kindt-Edition deutlich verunklarter Biographie, die ihn nach 1945 als einen das NS-System verharmlosenden Ewiggestrigen ausweist. (vgl. Niemeyer 2013: 45 f., s. Essay Nr. 22.3) [151, 270, 274, 276, 293, 358 f., 615-618, 622, 628]

 

Tiefer Staat. Aus dem Türkischen (derin deviet) in etwa: „Staat im Staat“. Gemeint ist damit eine konspirative Verflechtung von Militär, Geheimdienst, Politik, Verwaltung und Rechtsextremismus, wie sie aus türkischer Sicht auch im Zuge des auffälligen Staatsversagens im Verlauf das NSU-Skandals aufkam, etwa 2012 durch die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney, nachfolgend 2014 durch Micha Brumlik & Hajo Funke in der taz, wo sie monierten, dass „die nicht anders als kriminell zu bezeichnende Energie […], mit der die Sicherheitsexekutive und ihre parlamentarischen Wasserträger die Aufklärung des NSU-Skandals verhindern wollen [], eine Sphäre jenseits des Rechtsstaates [schafft].“ (zit. n. Roth 2016: 22) Eben dies scheint inzwischen infolge der Untätigkeit des zuständigen Ministers Horst Seehofer die Regel zu sein. [162]

 

Tillschneider, Hans-Thomas (*1978), aus Timisora/Rumänien. Im Schwarzwald aufgewachsen, AfD-Mitglied (seit 2013), Referent im IfS, Mitbegründer der Patriotischen Plattform (2014), einer eng mit dem (völkischen) Flügel um André Poggenburg und Björn Höcke verbandelter nicht-rechtsförmiger Verein innerhalb der AfD. T. glaubt, so am 26. Mai 2016 auf Facebook, dass „Gott […] die Menschen nach Völkern erschaffen [hat]“, Völker also „Gedanken Gottes“ sind und mithin niemand das Recht habe, „sie bis zur Unkenntlichkeit zu entstellen.“ (zit. n. Bensmann/Hauptmeier/Röttger 2017: 116) In jenem Monat forderte er das Bundesverdienstkreuz für Lutz Bachmann, nachdem er sich gut ein Jahr zuvor im Streit um die Aufnahme von Götz Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza mit dem Spruch hervorgetan hatte: „Die AfD wird entweder mit Götz Kubitschek sein oder sie wird gar nicht sein!“ (ebd.: 118) T. forderte auf dem Kyffhäusertreffen 2016 unter Berufung auf Zarathustra („was fällt, solle man stoßen“) den Austritt Deutschlands aus EU und NATO. [140]

 

Tischer, Maximilian (*1990), aus Seligenstadt (Hessen). Mitarbeiter des AfD-MdB Jan Nolte, 2021 AfD-MdL-Kandidat in Sachsen-Anhalt auf Listenplatz Nr. 26 (der nicht reichte), vom MAD als ‚Rechtsextremist‘ eingestufter Bundeswehrsoldat u., auch über seine Schwester, enger Bekannter von Franco A., mit dem er zusammen er Todeslisten erstellte. Wie jener Mitglied bei rechtsextremen Preppern. Im Landesvorstand der AfD-Jugend, die vom Verfassungsschutz als „verfassungsfeindliche Bestrebung“ bewertet wird. (SP Nr. 22/ 29.5.2021: 8; Erb / Schmidt 2019)

 

Tischer, Thomas. Vater des Vorgenannten, vormals der NPD und den Republikaner nahestehend, mit der Absicht, zeitnahe der AfD beizutreten. Neben Godwin Bachmann Kopf des Deutsch-Russischen Friedenswerks, Reichsbürger, erläutert 2017 bei einem Abendessen mit Jürgen Elsässer seinen Plan einer Siedlungsgründung in, reichsdeutsch gesprochen, Königsberg plus Gründung einer neuen Wehrsportgruppe Hoffmann zur Vorbereitung des nahenden Bürgerkriegs. (vgl. Ginsburg 2018; Erb / Schmidt 2019)

 

Traeger, Max (1887-1960), aus Hamburg. Lehrer u. Schulleiter. 1930 Deutsche Staatspartei, NSLB 1933. Nach 1945 FDP, 1947 bis 1952 Vorsitzender der von ihm begründeten Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). 2017 heftige Kontroverse um sein Agieren in der NS-Zeit, ausgelöst durch eine als hagiographisch eingeordnete, von der GEW anerkannten Biographie (de Lorent 2017; zur Kritik: Brumlik/Ortmeyer 2017) (s. Glosse Nr. 12)

 

Trebes, Horst (1916-1944), aus Köln. Fallschirmjäger-Offizier, der das Massaker von Kondomari anordnete. (s. Essay Nr. 13.3.5) [402 f.]

 

Treitschke, Heinrich von (1834-1896), aus Dresden. Historiker, Politiker u. Publizist. Prof. in Berlin (ab 1874), nationalliberaler (später parteiloser) Reichstagsabegeordneter 1871-1884), als „Vater des modernen Antisemitismus“ sowie als „Totengräber des Liberalismus“ in Verruf. Löste im November 1879 den Berliner Antisemitismusstreit aus durch die von ihm in Umlauf gebrachte Stammtischparole „Die Juden sind unser Unglück!“, gut fünfzig Jahre später Dauerschlagzeile des nationalsozialistischen Sürmer. Dagegen sowie die Ableitung „Keine neuen Juden mehr hinein lassen!“ Nietzsches Anti-Antisemitismus 1885, dass „es vielleicht billig und nützlich wäre, die antisemitischen Schreihälse des Landes zu verweisen.“ (V: 195) (vgl. NLex2 [Niemeyer], 378; s. Essay Nr. 3) [76, 199, 260, 557 f., 683] 

 

Trump, Donald (*1946). Republikaner, 45. Präsident der USA (2017-2021), setzte neue Maßstäbe in Sachen Rechtspopulismus sowie Machiavellismus, den er in Richtung Trumpismus weiterentwickelte. Merkmale: Konsequenter und systematischer Einsatz von Fake News, Hire-and-fire-Prinzip in der Mitarbeiterführung, Verzicht auf Win-win-Konstellationen in der Politik, Vertrauen auf einsam getroffene Bauchentscheidungen, Orientierung der Mittelauswahl an den jeweils verfolgten Zwecken, Dominanz ich-bezogener Perspektiven vom Typ „America first!“, Ablehnung wissenschaftlicher Expertise, sofern sie kurzfristig zu sichernden Gewinnen entgegensteht (etwa Klimawandel), Ablehnung menschenrechtsorientier Politikvorstellungen, Hintanstellung moralischer Erwägungen, sofern sie nur Kosteneffekte haben, aber keinen messbaren Gewinn abwerfen, Umwertung Kants zugunsten von Überlegungen, Menschen unter allen Umständen als Mittel nehmen zu dürfen für eigene Zwecke. Die geradezu fanatische Verehrung T.s bei AfD-Politikern, etwa bei Michael Klonovsky (s. Prolog Nr. 11), ist insoweit überaus aufschlussreich, zumal wenn ihr, wie gleichfalls an diesem Fallbeispiel zu beobachten, ein Joe-Biden-Bashing zur Seite seht mitsamt einer gleichfalls rätselhaften Putin-Verehrung und mithin: der Respekt für eine radikalere und weit humorlosere Variante von Trumpismus. (vgl. Niemeyer 2018c) [17, 21, 23, 26, 38 f., 51, 60, 78, 83, 90, 92, 95, 105, 113, 117 f., 121, 124, 126, 128-135, 142, 150, 170, 209, 214, 220, 237, 241 f., 247 f., 251, 253, 284, 347, 437, 543, 645, 671 f., 674, 711-713, 716 f., 721 f., 734, 744, 759, 761, 764-766, 783 f., 786-789]

 

[Zum Autor: Christian Niemeyer, Prof. (i.R.) für Sozialpädagogik an der TU Dresden. Zum Text: Dieses Lexikon wurde, wie die noch ausstehenden Folgen, wurde dem Online-Material (S. 21-106) meines Schwarzbuch Neue / Alte Rechte. Glossen, Essays, Lexikon (= Bildung nach Auschwitz 1). Mit Online-Materialien. Weinheim Basel 2021 entnommen. Der Wiederabdruck erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlages Beltz Juventa.]

Bild: V.l. Hans-Thomas Tillschneider (2014), (c) blu-news.org / CC BY-SA 2.0; Heinrich von Treitschke; Donald Trump, (c) The White House