Der Fürther „Schulhof“

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Wer an dem Synagogen-Mahnmal in der Geleitsgasse in Fürth vorbeigeht, kann sich heute kaum mehr vorstellen, dass sich dort einst das religiöse Zentrum jüdischen Lebens befand, das mit seinen Synagogen und seiner Talmudschule weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war. Daher hat das Jüdische Museum Franken den sog. „Schulhof“ (jidd. Schul = Synagoge) in einem 3D-Modell rekonstruieren lassen. Das Modell ist ab sofort in der Dauerausstellung sowie in einer digitalen Panoramaversion auf der Webseite des Jüdischen Museums Franken zu sehen…

Das Modell im Maßstab 1:130 zeigt die Bebauung Schulhofs am Ende des 19. Jahrhunderts. Jeweils durch ein Tor in der Königstraße und in der Mohrengasse gelangte man in das 90 Mal 100 Meter große Areal.

Insgesamt vier Synagogen, eine Gemeindekanzlei mit Rabbinerwohnung und Bibliothek, eine koschere Fleischerei und eine Talmudschule befanden sich an diesem, für jüdisches Leben, zentralen Ort. Mit der Fertigstellung der Hauptsynagoge im Jahr 1617 hatte der Schulhof im Areal des heutigen Löwenplatzes seinen eindrucksvollsten Bau bekommen. Im Laufe der Jahrhunderte sollte sie noch mehrmals umgebaut werden.

In der Talmudschule studierten bis 1824 eine große Zahl von Studenten, von denen einige später als Rabbiner Bekanntheit erlangten. Sogar einige christliche Schüler studierten an der Fürther Talmudschule. Zusätzlich befand sich auf dem Areal ein Ritualbad, ein solches ist heute noch im Keller des Jüdischen Museums in der Königstraße 89 zu sehen. Da die genaue Lage der Mikwe nicht bekannt ist, wurde auf eine Darstellung verzichtet.

Das Novemberpogrom 1938

In einer Nacht, vom 9. auf den 10. November 1938, wurden mehrere Jahrhunderte jüdischer Geschichte zerstört. Die gesamte Bebauung des Schulhofs wurde abgetragen und der Platz bis zur heutigen Wohnbebauung als Parkplatz genutzt. Bis auf das Synagogendenkmal von Kunihiko Kato in der Geleitsgasse erinnert nichts im heutigen Stadtbild mehr an den einstigen Glanz vergangener Gebets- und Lehrtradition.

Das Modell im 3-Dimensionalen Druck

Die Datenlage war von Beginn der ersten Planungen an mitunter unklar. Architektenpläne gibt es für die Hauptsynagoge und teilweise auch von der Klaus- und Mannheimer Synagoge. Für die Rekonstruktion der Gebäude wurden vor allem Fotos aus den 20 Jahrhundert herangezogen. Oft waren Details nur zu erahnen und wurden sorgsam eingefügt. Besonders hilfreich erwiesen sich Abwasserpläne aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, die von großer Bedeutung für die Ableitung von Flüssigkeiten in der koscheren Fleischerei, der sogenannten Scharre, waren.

Alle relevanten Gebäude des Modells sind beweglich und abnehmbar. Die Entstehung des Gebäudeensembles kann so chronologisch nachempfunden werden. Eine Beschriftung sowie ein Hinweis auf das Synagogenmahnmal auf der Trägerplatte erleichtert die Einordung in die heutige Bebauungssituation.

Die texturierte Panoramaversion

Mit einer Panoramaversion, die über die Homepage des Museums aufgerufen werden kann, ist ein weiterer Zugang zum Schulhof geschaffen worden.

Aus vier Kamerastandpunkten (Übersicht, Scharre, Rabbinerhaus und Neuschul) wird der Schulhof für den Betrachter „begehbar“. Für den Besucher des Museums weist ein QR-Code auf die virtuelle Version hin. Bei der Erstellung wurde auf eine behutsame Rekonstruktion mit gedeckter Farbgebung geachtet. Wenige Details, die auf historischen Fotos sicher zu erkennen sind, darunter den Blumenschmuck am Rabbinerhaus, einen historischen Leiterwagen für kleine Transporte wie auch die Beleuchtung, zeugen von der Zurückhaltung in der Ausführung der 360 Grad Anwendung.

Ausblick

Die bestehende Version soll nicht das Ende der Veranschaulichung sein. Wie sah ein Gottesdienst im 19. Jahrhundert in Fürth aus? Was wissen wir über Vorbeter und Rabbiner dieser Zeit? Was bedeuten die kultisch relevanten Einrichtungsgegenstände für die Religionsausübung? Solche und ähnliche Fragen sollen in einer Erweiterung der Panoramaversion sichtbar werden. Dazu sollen Schüler*innen und Erwachsene je nach Kenntnisstand auf unterschiedlichen Lernebenen jüdische Religion entdecken.

Zur digitalen Panoramaversion auf der Webseite

Bild oben: Überblick Panoramaversion Fürther Schulhof, ©3D Betrieb GmbH