Der nächste Text, den wir in Kooperation mit dem Lexikus Verlag vorstellen, stammt aus der Feder von Nathan Birnbaum…
Nathan Birnbaum wurde 1864 in Wien geboren. Seine Eltern stammten aus Galizien und Ungarn, die Familie war eine traditionsreiche Rabbinerfamilie. Er studierte und promovierte in Rechtswissenschaft in Wien, setzte seine Studien danach in Philosophie und Orientalistik fort und ist vor allem als Publizist (teilweise unter dem Pseudonym Mathias Acher) und Übersetzer aus dem Jiddischen bekannt.
1890 heiratete Birnbaum Rosa Korngut und hatte drei Söhne. 1933 emigrierte die Familie von Berlin, wo sie nach 1911 hauptsächlich lebte, in die Niederlande, wo Nathan Birnbaum nach schwerer Krankheit 1937 in Scheveningen starb.
Alex Bein (der Biograf von Herzl und Israels erster Staatsarchivar) nannte Birnbaum die bedeutendste intellektuelle Persönlichkeit in jüdisch-nationalen Kreisen in Deutschland und Österreich zwischen 1885 und 1895, also bevor Herzl auf den Plan trat. Während seiner Studienzeit gründete er zusammen mit Reuben Bierer und Moritz Schnirer die erste jüdische nationale Studentenverbindung: Kadimah (Vorwärts). 1884 erschien seine erste Veröffentlichung: „Die Assimilationssucht. Ein Wort an die sogenannten Deutschen, Slaven, Magyaren etc. mosaischer Confession von einem Studenten jüdischer Nationalität.“
1885 gab Nathan Birnbaum die erste jüdische nationale Zeitschrift unter dem Titel „Selbstemanzipation“ – in Anlehnung an Pinskers „Autoemanzipation – heraus. Darin prägte Birnbaum den Begriff „Zionismus“.
Birnbaum ging zu einem kulturellen Verständnis des Judentums über und war mit seiner Rede „Zionismus als Kulturbewegung“ auf dem Ersten Zionistenkongress von 1897 vertreten. Doch schon kurz darauf überwarf er sich mit Herzl und wandte sich vom Zionismus ab.
Birnbaum favorisierte das Konzept einer interterritorialen Nation, die alle jüdischen Gruppen und deren Kultur integrieren würde. Vor allem das jiddisch-sprechende Ostjudentum war für Birnbaum wichtig. Er kämpfte für die Anerkennung des Jiddischen als Sprache und veröffentlichte dazu eine Vielzahl an Artikeln und Kommentaren. Schließlich initiierte er 1908 die erste Konferenz für die jiddische Sprache in Czernowitz, bei der alle führenden jiddischen Schriftsteller der Zeit teilnahmen. Zwischen 1908 und 1911 lebte Birnbaum in Czernowitz und gab unter anderem die Zeitschriften „Dos Folk“ und „Vokhen-Blat“ heraus.
Bis zum Ersten Weltkrieg wandte sich Birnbaum der Religion zu, sowohl in seinen Arbeiten als auch im Privaten. Er gehörte 1919 zu den Neugründern der Agudat Israel, der ultra-religiösen Bewegung der Orthodoxie, und wurde ihr erster Generalsekretär.
Die vorliegende Schrift „Juden als Erfinder und Entdecker“ erschien 1913 in Berlin.
Juden als Erfinder und Entdecker
Biographien jüdischer Erfinder und Entdecker
Unsere Zeit ist anspruchsvoller als die früheren. Man begnügt sich nicht mehr mit schlichten Wahrheiten und groben Unwahrheiten. Man will die ersteren recht verwickelt und die zweiten recht verfeinert hören. Und so kommt es, dass man sich heute nicht nur mehr als je von jenen einfachen Grundlinien der Lebens- und Gottesweisheit entfernt, die das Judentum gezogen hat, sondern im Kampfe gegen die Juden sozusagen wählerischer in den Argumenten ist. Ehedem genügte es, den Juden ihr trotziges Beharren im angestammten Glauben und Volke vorzuwerfen, oder ihnen ein paar ganz schlimme verbrecherische Neigungen anzudichten, um die praktische Ablehnung der Juden vor sich und den andern zu rechtfertigen. Jetzt macht man sich die Sache nicht mehr so leicht, sucht vielmehr mit heißem Bemühen in Rasse und Geschichte der Juden herum, um ihre angeborene und durchgreifende Minderwertigkeit zu beweisen und deren Wesen zu erklären. Und wer sucht, der findet. So wurde eine ganze Reihe von mehr oder minder interessanten Theorien geschaffen.
Unter diesen nimmt die Lehre von dem völligen Mangel der Juden an genialen Menschen wohl den ersten Rang ein. Dies schon deshalb, weil sie mit großem Raffinement am weitesten zielt. Man muss sich nur vorstellen, was das heißt, den Juden sei zwar eine über die weitesten Schichten des Volkes verbreitete mittelmäßige Intelligenz eigen, das Genie aber sei ihnen versagt. Das bedeutet doch nicht weniger, als dass sie den letzten und eigentlichsten Stempel der menschlichen Gottähnlichkeit nicht tragen; dass sie, das einzige unter allen Kulturvölkern der Vergangenheit und Gegenwart, in einer Art geistiger Sackgasse leben, aus der sie niemals herauskönnen.
Zum Buch: http://www.lexikus.de/bibliothek/Juden-als-Erfinder-und-Entdecker