Zwei interessante DVDs bei Absolut Medien…
Von Karl Pfeifer
Der 1912 in Wien als Hans Mayer geborene Jean Améry wurde als Widerstandskämpfer in Brüssel am 23. Juli 1943 beim Verteilen antinazisitischer Flugblätter verhaftet und in die Festung Breendonk verbracht, wo er verhört und gefoltert wurde.
Améry hat Auschwitz überlebt und kehrte noch im April 1945 zurück nach Brüssel. Als Essayist hatte er in der Bundesrepublik großen Erfolg weniger als Schriftsteller, manche sahen in ihm eine moralische Instanz. In Österreich setzte man sich spät, erst nach seinem Selbstmord in Salzburg im Oktober 1978, mit ihm auseinander. Amery war ein bedeutender Intellektueller, der als Autodidakt sein Wissen erwarb. Er hat sich in seinen Essays mit seinem Verhältnis zum Judentum, in das er hereingeboren wurde und auch mit den Problemen der Schoa und des unter deutschsprachigen Linken nach 1967 wieder populär gewordenen „Antizionismus“ gründlich auseinandergesetzt. Seine Themen, das Altern, der Selbstmord als Menschenrecht, Schuld und Sühne bleiben aktuell. Wie auch seine Solidarität mit dem Staat Israel. Amérys Gesamtwerk erschien bei Klett-Cotta.
Absolut Medien, der wichtige DVDs zur Zeitgeschichte produziert, hat rechtzeitig zum 40. Todestag die DVD „Die Tortur“ Jean Améry gewidmet. Er las diese Geschichte über die erlittene Folter zuvor für das SDR Radio. Améry bleibt leise und undramatisch, was den Zuseher zwingt, genau hinzuhören.
Wer diesen bedeutenden deutschsprachigen Denker des XX. Jahrhunderts verstehen will, sollte sich den Film von Dieter Reifarth „Die Tortur“ anschauen.
„Die Gezeichneten“ ein Stummfilm von Carl Theodor Dreyer aus dem Jahr 1922
Der Film wurde restauriert und mit der sehr modernen Musik von Bernd Theves von Arte gezeigt. Es ist eine Geschichte, die vor der russischen Revolution 1905 spielt. Eine junge Jüdin und ihr zum Christentum konvertierter Bruder sowie eine Gruppe junger russischer Revolutionäre sind die Helden dieser Geschichte, die den mörderischen Antisemitismus vor allem als Ablenkungsmittel vom sozialen Elend hinstellt. Der restaurierte Stummfilm „Die Gezeichneten“ gründet auf einen 1912 veröffentlichten dänischen Roman, der vom dänischen Regisseur Dreyer in Berlin gedreht wurde.
20 Jahre vor der Schoa hat man den Antisemitismus in Deutschland als ein Phänomen des rückständigen Russlands wahrgenommen. Fast hundert Jahre nach der Entstehung wirken Film und Sprache der Texte etwas antiquiert. Aktuell bleiben leider die Ausgrenzung von Menschen und die Bereitschaft von Mobs zu Ausschreitungen auch in Europa.