Bedenkliche Kontinuitäten in Österreich

2
49

Immer wieder ereifert sich die FPÖ über die mangelhaften Deutschkenntnisse von Schülern mit Migrationshintergrund. Doch einige FPÖ Politiker sind auch nicht sattelfest in der deutschen Sprache. Hier nur zwei Fälle aus letzter Zeit…

Von Karl Pfeifer
Zuerst erschienen in: Illustrierte Neue Welt 3/2018

2016 hatte der Uhrturm, die damalige Zeitung der FPÖ-Graz, unter dem zutreffenden Titel „Zuerst Deutsch, dann Schule!“ folgenden Untertitel publiziert: „Alarmzeichen: 1.342 Schüler an den 36 Grazer Volksschulen können den (sic!) Unterricht nicht folgen“.

2017 hatte die FPÖ mit dem Plakat Salzburg’s Alternative geworben. Von den vielen Rechtschreibfehlern in FPÖ-Publikationen ganz zu schweigen.

Heute würde kein völkischer Politiker oder Lehrer wagen zu behaupten, dass Juden niemals die deutsche Sprache beherrschen können. Doch sieben Jahre nach der Befreiung Österreichs behauptete ein Lehrer genau das.

Unter den Hotelfachschülern, die an der Badgasteiner Hotelfachschule einen zweijährigen Kurs besuchten, war ich als 24jähriger der älteste Schüler. Als ich im September 1952 im Hotel Weismayr ankam, in dem sich damals noch die Hotelfachschule und das Internat befand, sagte mir der Sekretär: „Gehen Sie die Stiegen herunter, dann den Gang bis zur Wäscherei, dort bitten Sie Frau Generalmajor St. Ihnen die Wäsche zu geben“. Auf dem langen Weg zur Wäscherei vergaß ich, dass ich die Chefin der Wäscherei mit einem militärischen Titel anreden sollte, und fragte, wo ich Frau St. finde. Die Frau St. schrie mich mit hochrotem Gesicht an: „Für Sie bin ich noch immer Frau Generalmajor“. Der Herr Generalmajor St. befand sich als schwer belastet interniert in Glasenbach (Internierungslager).

Wie ich bald erfahren sollte, waren alle Lehrer der Schule ehemalige Nationalsozialisten, mit Ausnahme des Direktors, Dr. Hans Ginsel, des Englischlehrers Dr. Kronawetter und des sehr alten, monarchistischen Geschichtslehrers.

Die „Unterrichtssprache“, wie Deutsch damals an Österreichs Schulen genannt wurde, lehrte Wilhelm Praßtorfer, ein nicht gerade nordisch aussehender, kleinwüchsiger Mann, der aus meiner Heimatstadt Baden bei Wien stammte und ein „Illegaler“ war, d.h. Mitglied der in Österreich nach 1933 verbotenen NSDAP.

Im Herbst 1952 sagte er ganz beiläufig während des Unterrichts, Juden könnten nie die deutsche Sprache beherrschen. Ich wollte sicher gehen und fragte ihn, ob er auch Heinrich Heine meinte. Er bejahte begeistert.

Ich ging zum Hotelfachschuldirektor, Dr. Hans Ginsel, und erzählte, was Herr Praßtorfer über Heinrich Heine gesagt hatte. Dieser bat mich, darüber zu schweigen und am nächsten Tag gab es eine Pflichtvorlesung für Schüler und Lehrer: Dr. Hans Ginsei: Heinrich Heine, ein großer deutscher Dichter. Der „Blutmaterialist“ Wilhelm Praßtorfer musste sich das in der ersten Reihe sitzend an hören.

Beim Lesen der Badener Zeitung, die zwei Mal in der Woche erschienen ist – heute sind die Ausgaben in der Nationalbibliothek in Wien bis 1945 digitalisiert – fand ich heraus, dass Wilhelm Praßtorfer als nationalsozialistischer Funktionär zwischen 1938 und 1940 in Baden fungierte und in diesem Blatt seine zumeist schwülstigen und pathetischen Texte veröffentlichte.

Zum Beispiel am 26. Oktober 1938: Gedanken zur Eröffnung der Gaubühne. Von Wilhelm Praßtorfer, Kulturreferent des Kreises Baden:<

Blut und Ehre wird bis heute von Burschenschaften postuliert. Der Wiener Kurier schrieb im Jänner 2018: „Da ist die „Germanomanie“ der österreichischen Burschenschafter, also die Devise, dass man sich „deutscher als die Deutschen“ fühle. Und da ist die Sache mit der Abstammung: Dass „Blut“, wie es unter Burschen und Mädeln heißt, das Aufnahmekriterium ist… Wer nicht deutschstämmig ist, hat nämlich noch immer bei vielen Burschenschaften keinen Zutritt – im größten und ältesten Dachverband der Männerbünde Österreichs und Deutschlands, der Deutschen Burschenschaft, wurde deshalb vor einigen Jahren über die Einführung eines,Ariernachweises diskutiert.“

Die Anhänger dieser Ideologie sitzen heute im Parlament und in der Regierung.

Es wird Zeit, auf diese Kontinuitäten der Zweiten Republik hinzuweisen.

2 Kommentare

  1. Deppen gibts, aber so richtige Deppen – unglaublich:

    https://derstandard.at/2000088042685/Juedische-Mitglieder-wollen-bundesweiten-Verein-in-der-AfD-gruenden

    Jüdische AfD-Mitglieder wollen deutschlandweiten Verein gründen

    Mitglieder sehen keinen Widerspruch Jüdisch und AfD-Mitglied zu sein sei kein Widerspruch, findet Schulz. „Dass sich in den Reihen der AfD einzelne tatsächliche Antisemiten (…) finden, leugnen wir nicht; nur wird in der öffentlichen Wahrnehmung der Einfluss dieser einzelnen Mitglieder maßlos überschätzt.“

  2. Es wird Zeit, auf diese Kontinuitäten der Zweiten Republik hinzuweisen.

    ok, Herr Pfeifer – fünf Minuten gegoogelt:

    https://derstandard.at/2000084129145/Oberrabbiner-Schaechtverbot-waere-der-Anfang-vom-Ende-der-juedischen-Gemeinde

    STANDARD: In Niederösterreich will der freiheitliche Landesrat Gottfried Waldhäusl eine Form der Registrierung der Käufer koscheren Fleischs. Die Israelitische Kultusgemeinde reagiert empört und spricht von einem „negativen Arierparagrafen“. Zu Recht?

    Goldschmidt: Dass Listen geschrieben werden, auf denen dann Käufer koscheren Fleischs stehen sollen, ruft ziemlich üble Erinnerungen an die düsteren Kapitel des letzten Jahrhunderts wach. All diese Versuche, die Religionsausübung von Juden in Europa und auch jetzt in Österreich einzuschränken, sind höchst alarmierend.

    https://derstandard.at/2000087515029/Nazi-Posting-auf-blauer-Seite

    Die FPÖ im oberösterreichischen Vöcklamarkt propagierte auf Facebook Rassenschutz. Das Posting ist mittlerweile gelöscht

    Vöcklamarkt – „Schütze Deine Rasse, es ist das Blut Deiner Ahnen!“, war da in einem Posting der offiziellen Facebook-Seite der FPÖ Vöcklamarkt am letzten Freitag zu lesen. Das Posting – dem STANDARD liegt ein Screenshot vor – wurde mittlerweile gelöscht. Es zeigt das sepiafarbene Foto einer Frau mit blondem Zopf, …

    https://derstandard.at/2000087994052/Kickl-greift-die-Medienfreiheit-frontal-an

    Die FPÖ sieht in Journalistinnen und Journalisten, die kritisch berichten, primär Feinde, die mit Ausdrücken wie „linkslinke Auftragsschreiber“ denunziert werden

    Das Verhältnis zwischen seriösen Medien und der FPÖ ist, vorsichtig ausgedrückt, ein gespanntes. Weniger vorsichtig ausgedrückt: Die Blauen sehen in Journalistinnen und Journalisten, die kritisch berichten, primär Feinde, die mit Ausdrücken wie „linkslinke Auftragsschreiber“ der „Systemmedien“ denunziert werden. Gut, fällt noch unter Meinungsfreiheit. So weit, so schlecht. Doch was sich nun im Innenministerium unter Herbert Kickl abspielt, ist ein Frontalangriff auf die Medienfreiheit.

Kommentarfunktion ist geschlossen.