„Wir sind eine solidarische Gesellschaft“

1
56

In Köln fand die zweite Kippa-Solidaritätsaktion statt…

Von Roland Kaufhold

150 Menschen hatten sich am 2. August in der Hitze vor dem Kölner Dom versammelt, deutlich weniger als noch vor drei Monaten. Es gab in Köln keinen aktuellen Anlass für die zweite „Kippa Colonia“, in den Nachbarstädten Bonn und Düsseldorf war es jedoch zu Angriffen auf Kippaträger gekommen. Jedoch: 24 Stunden zuvor war es im 90 Kilometer entfernt gelegenen Gelsenkirchen  zum wiederholten Male zu einer antisemitischen Attacke auf die dortige Synagoge gekommen. Diesmal hatten Unbekannte, vermutlich mit einem Stein, eine Scheibe beschädigt. Die Alarmanlage ging los, die Täter entkamen, Zeugen werden gesucht.

„86 Veedel, kein Platz für Antisemitismus“

Mehrere Redner, so Gilberg von der Kölner DIG, riefen erneut zur Solidarität auf: „Wer Juden angreift greift uns alle an!“ Rechtsradikale Gruppen wie die auch in Köln agierenden Identitären hätten „schon lange den Boden des Grundgesetzes“ verlassen. Gerd Buurmann betonte: „In allen Parteien gibt es Antisemitismus.“ Dieser sei kein Alleinstellungsmerkmal einer politischen Richtung. Mit dieser zweiten Kölner Kippa-Aktion wolle man neue Akzente setzen: Möglichst viele sollten Selfies mit der Kippa vor dem Dom machen und diese in den sozialen Netzwerken verbreiten. Und Losungen auf den vorbereiteten Papiertafeln formulierten: „86 Veedel, kein Platz für Antisemitismus“, zwei Frauen mahnten: „Niemals vergessen!!!“

Bürgermeister Hans-Werner Bartsch (CDU) verwies auf die hohe Zahl – „324 Fälle“ – von antisemitischen Delikten in NRW: „Das macht uns Sorgen“.  Regina Kaiser (Grüne): Kippa Colonia solle allen Juden ein Zeichen geben, dass man Angriffe auf Juden niemals zulassen werde.

Eine fragwürdige städtische Resolution zum Antisemitismus

Der neue Kölner SPD-Fraktionschef Christian Joisten lobte die kürzlich verabschiedete städtische Resolution gegen Antisemitismus. Dies könnte jedoch verwundern: Im Gegensatz zu München, Frankfurt und Berlin wurde in Köln die Benennung von BDS-Aktionen als Antisemitismus bewusst aus der Resolution gestrichen.

Deutliche Gegenentwürfe hierzu trugen im Kölner Stadtrat die seit Jahren gegen Antisemitismus engagierten Stadtratsmitgliedern Lisa Gerlach („Bunt“) (( https://www.hagalil.com/2016/11/koelner-klagemauer-2/ , https://www.bunt-koeln.de/wp-content/uploads/2018/01/Anfrage-Gegen-jeden-Antisemitsmus-%E2%80%93-welche-Projekte-foerdert-Koeln-Kulturausschuss-23.01.2018.pdf )), Thor Zimmermann & Tobias Scholz („Gut“) (( http://www.dieguten.koeln/rm-scholz-antisemitismus-kompromisslos-bekaempfen/ )) und das couragierte Grüne Ratsmitglied Ralf Unna (( https://www.hagalil.com/2017/02/dig-koeln/ )) vor. Diese persönliche Stellungnahme hatte der Grüne Stadtrat und bundesweit renommierte Tierarzt gegen den Willen eines Teils seiner Fraktion abgegeben. Seine spontan formulierte Rede für eine substantielle Resolution gegen Antisemitismus fand viel Anklang in der Stadtratssitzung, vermochte die hinter den Kulissen ausgekungelte inhaltsleere Resolution jedoch nicht mehr zu verbessern. Ganz in der Tradition veritabler „Israelkritiker“ wird in der Resolution BDS bewusst ausgeklammert; dafür steht dort nun der mehr als befremdliche Satz: „Von dieser antisemitischen Haltung ist das demokratische Recht, politische Kritik an der jeweiligen israelischen Regierung zu üben, zu unterscheiden.“ 

Man hört geradezu die Diktion der neuen NRW-Linken Landesvorsitzenden Inge Höger , schließlich sollten ja auch die Kölner Linken mit unterschreiben. Einschlägige, gemeinsamen Erfahrungen mit türkischen Islamisten auf dem „Free-Gaza-Deck“ 2014 sowie Högers ein knappes Jahr später auf einer Wuppertaler „Palästina-Konferenz“ getragener Palästina-Schal, der einen Nahen Osten ohne Israel zeigte (( https://lizaswelt.net/2014/11/13/mehr-als-ein-toilettengate/ )), sprechen eine deutliche Sprache. Aber auch die von Höger und Groth ermöglichte Verfolgung „des Juden“ Gregor Gysi bis auf die Toilette des Berliner Bundestages (( https://www.zeit.de/2014/48/antisemitismus-afd-die-linke))  im November 2014 ist schon ein antisemitisches Alleinstellungsmerkmal, das jede Konkurrenz mit der AfD standhält.

Also ein hasenfüsiger, nichtssagender, keinerlei konkrete Praxis ermöglichender Kölner Stadtratsbeschluss, der das gedruckte Papier nicht wert zu sein scheint.

Gegenüber haGalil betont Ralf Unna auf Anfrage: „BDS ist das „Kauft nicht beim Juden!“ dieser Tage, Antisemitismus im Gewand linker Antizionisten – ein Verbrechen gegen die einzige Demokratie in Nahost!“

Bürgerzentrum Alte Feuerwache & die DFLP

Auch das Bürgerzentrum Alte Feuerwache mit seiner seit Jahren betriebenen einseitigen Unterstützungen von gewaltaffinen palästinensischen Gruppierungen wie der DFLP (( https://www.rundschau-online.de/region/koeln/koeln-archiv/alte-feuerwache-kritik-an-koelner-buergerzentrum-nach-dflp-veranstaltung-23643486)) wird in der Stadtrats-Resolution nicht kritisiert, was u.a. Tobias Scholz in seiner Rede im Stadtrat gefordert hatte.

Ulrich Soénius von der IHK erinnerte an den jüdischen Geschäftsmann Richard Stern: Dieser, selbst Mitglied des „Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten“, hatte am 1.4.1933 trotz des Verbots („Judenboykott“) sein Geschäft eröffnet. Zuvor hatte er ein eigenes Flugblatt in Köln verbreitet, in dem er gegen den antisemitischen Boykott protestierte. 1939 emigrierte er, 1945 kam Stern als jüdischer Soldat kurzzeitig nach Köln zurück. Solche Menschen seien für ihn ein Vorbild. „Wir sind eine solidarische Gesellschaft“, betonte Soénius unter Beifall.

Anita Rick-Blunck war extra aus dem benachbarten Bergisch-Gladbach angereist. Sie gehört dem dortigen Städtepartnerschaftsverein mit der israelischen Stadt Ganey-Tikva an. Bisher war die Kleinstadt besonders stolz auf ihre „trilateralen“ Beziehungen auch zu Beit-Jala. Nun hat der Bürgermeister ausgerechnet den israelischen Verein hinausgeworfen: Dort gäbe es einen Fokus auf Antisemitismus. Das möchte man nicht mehr hinnehmen. An die Stelle der „Trilateralität“ soll in Bergisch-Gladbach offenkundig mehr oder weniger deutliche Kritik an Israel treten. Benennung von Antisemitismus stört da nur. Das FDP-Mitglied Rick-Bunck hingegen betonte, wie offen man ihr in Israel immer wieder begegnet sei. Dies sei eine Verpflichtung.

Für unerwartete Fröhlichkeit sorgte eine 30-köpfige Touristengruppe aus Israel, die sich zufälligerweise gerade auf der belebten Domplatte aufhielt. Sie stimmten spontan, unter großer Begeisterung, ein israelisches Lied an; auch einen eigenen Dirigenten hatte sie dabei. „Wir kommen aus unterschiedlichen Städten Israels, ich selbst komme aus Bat Yam“ erklärte mir ein Israeli auf Englisch.

Am Ende der Veranstaltung gab es für die Besucher auch ein „Offenes Micro“. Als ein Redner versuchte, rassistische Parolen zu verbreiten, wurde dies vom Versammlungsleiter unverzüglich unter Beifall beendet.

Das neue Bündnis RABA: Rheinisches antifaschistisches Bündnis gegen Antisemitismus

Optisch fielen diesmal zahlreiche Transparente auf: Eine Israelfahnen, eine Peace Fahne und drei großformatige Transparente: „Gegen jeden Antisemitismus“, „Köln gegen Rechts“ und ein großformatiges „Nie Wieder. Konsequent gegen jeden Antisemitismus & Deutsche Opfermythen.“

Letzteres stammte vom soeben neu gegründeten linken Kölner Bündnis RABA: Rheinisches antifaschistisches Bündnis gegen Antisemitismus, gleich 40 Mitglieder waren gekommen: „Wir bekämpfen Faschismus, Nationalismus und religiösen Fundamentalismus. Wir richten uns dabei gegen jede Form von Rassismus und Nationalismus“, heißt es auf ihrer neuen Facebook-Seite. Der 62-jährige Olaf Hensel blickt auf eine lange linke Geschichte in Köln zurück. Er gehört zu den Mitbegründern von RABA: „Wir waren in Köln zwar oft bei israelsolidarischen Aktionen dabei, auch beim letzten Kippa-Event, waren aber politisch bisher kaum wahrnehmbar. Aber wir waren politisch nicht mit allem einverstanden, was insbesondere Buurmann sagt.“ Daher habe man nun im antifaschistischen Spektrum Kölns das Bündnis RABA gegründet und als ersten Schritt ein eigenes Transparent gemacht. Sie wollen sich zukünftig in Köln und Umgebung noch stärker einbringen angesichts der zunehmenden antisemitischen Übergriffe. Und Klaus Fischer (60) von „Kein Veedel für Rassismus“ ergänzt: „Wir werden nicht zulassen, dass Menschen mit Kippa in Köln angegriffen werden.“

1 Kommentar

Kommentarfunktion ist geschlossen.