Justizgroteske oder was! – Antifaschist plötzlich ein 200 % Nazi!?

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Humor unterm Hakenkreuz

Es begab sich zu … Nein, kein Märchen, besser berichten wir über ein real anhängendes Gerichtsverfahren. Arbeitender Fotojournalist trifft auf „Bürger in Uniform“ am Rand der Demonstration. Erregte Diskussion. Das Zitat aus einem historischen Flüsterwitz „….! Der Hund ist tot!“ findet Eingang in das Gespräch um zu einer inhaltlichen Argumentation anzusetzen. Vergeblich. Postwendend wurden seine Personalien aufgenommen. Der Einwurf: Es handle sich um ein Zitat aus einem Flüsterwitz, also einem Anti-Nazi-Witz, brachte den Hüter des Gesetzes nicht von seinem Handeln ab. Vorwurf: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen…

Die Groteske nahm ihren Lauf. Was war vorgefallen?

Am 2. Juni 2016 fand im Bundestag die Debatte zurResolution zum Genozid gegen die Armenier vor über 100 Jahren statt. Junge Armenier manifestierten dazu bunt beflaggt vor dem Reichstag. In der Türkei ist das Benennen des Genozids ein No go und Staatsraison. 

Der Fotojournalist tat seine Arbeit. Auf dem Weg in den Rückraum der Demo traf er auf einen Kollegen, der durch sein Equipment auffiel. Kamera, Stativ, Regenschirm gegen Sonneneinfall und alles stand auf einer Deutschlandfahne, die auf der Erde ausgebreitet war.

Eine politische Willensbekundung des Berichterstatters? Wo bleibt die journalistische Neutralität? Später vor Gericht sagte der Journalist aus: Er hätte die Fahne tags zuvor gefundenen und sein Equipment damit geschützt. Der Münchner Journalist, der auch für die national-türkische Tageszeitung Sabah schrieb, missachtete wohl auch in München, seiner Heimatstadt öfters seine Neutralitätspflicht als Journalist, laut Beobachtern von vor Ort wird er auch als Akteur bei Demonstrationen beschrieben.

Die Richterin beurteilte die Äußerung des Fotografen als einen “vermeidbarer aber nicht unvermeidbarer Verbotsirrtum“ in ihrem Urteil vom August 2016. Trotz seiner fast 25-jährigen antifaschistischen Arbeit, hätte er den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt.

Ein Gerichtsgroteske oder ein Wolf im Schafspelz? Ein Antifaschist hat einen vermeintlichen Flüsterwitz aus der Nazi-Zeit in das belehrende Gespräch des jungen „Bürger in Uniform“ eingeführt. Weiter kam er nicht: „Da jetzt haben wir ihn!“ der Beamten-Einwurf. Wurde der verbriefte Antifaschist zum Missetäter, gar Kriminellen abgestempelt?
Was der Polizist nicht wissen konnte: Der Beschuldigte hatte als Akteur gegen die Verfolgung der “Asozialen” im Nationalsozialismus vielen Gedenkveranstaltungen unter anderem mit Dietmar Glietsch, dem damaligen Polizeipräsidenten des Landes Berlin, durchgeführt. Im Gericht wohl eingeführt.

Die Aussage wurde getroffen. Der Kontext ist wichtig, den der Sagende zum Ausdruck bringen wollte. Beim Empfänger – dem Polizeibeamten – kam sie offensichtlich nicht mehr an.

Die Verherrlichung von Nazi-Propaganda -einerseits- und die satirische Meinungsäußerung – andererseits – war hier offensichtlich der tiefe Graben, der  sich da auftat und worüber das Amtsgericht verurteilte.

Die Staatsanwältin forderte 30 Tagessätze, die Richterin erhöht das Strafmaß auf 40 Tagessätze.

Einen Anti-Nazi-Witz wird zum „Hakenkreuz im Abfalleimer-Fall“?  Ältere andere Grundsatzurteile drängen sich ins Gedächtnis. Für den Polizisten ein Nazispruch für den „geschichts-politischen Basisarbeiter seit 1993“ ein Zitat aus einem Flüsterwitz und genau gegenteilig gemeint. Ein Geschmäckle bleibt für den Beklagten, dass hier offensichtlich ganz bewusst so geurteilt wurde.

Die Justiz-Groteske geht jetzt am 4. April in die zweite Runde. Die Berufung.

Mittwoch, den 4. April vor der 61. Strafkammer des Landgerichtes um 12:30 im Saal 1/B 129 in der Wilsnacker Straße 4 in Berlin (Areals des Strafgerichts Turmstraße)

Bild oben: Humor unterm Hakenkreuz