55 Jahre nach meinem Abitur fuhr ich 2017 zum Klassentreffen nach Hadamar. Ich besuchte auch die Gedenkstätte für die Tötungsanstalt, in der tausende Menschen ermordet wurden. Während meiner Jugend war sie (wie man im Englischen sagt) der „Elefant im Raum“, den man nicht zu sehen vorgibt…
Von Michael Skoruppa
Wovon ich damals nichts wusste, das war die Synagoge von Hadamar, mitten in der Stadt (siehe Bild oben), die das Dritte Reich überlebte. Ihre Geschichte finde ich, besonders im Vergleich mit der anderer Synagogen, faszinierend.
Am 10. November 1938 sollen SS-Leute aus Limburg die Synagogoge angezündet haben. Das Bemerkenswerte ist, dass (laut wikipedia) Nachbarn das Feuer löschten. Danach hätten Schulkinder (Gymnasiasten?) den Innenraum verwüstet. Die letzten zwanzig in Hadamar verbliebenen Juden wurden 1942 deportiert und zum großen Teil getötet.
Nach dem Krieg verkaufte die jüdische Treuhandorganisation IRSO die Synagoge einem Silhouettenkünstler der sie bis zu seinem Tode als Atelier nutzte. 1980 erwarb die Stadt Hadamar das Gebäude. 1982 wurde darin eine Dauerausstellung eröffnet.
Maria Mathi hat unter dem Titel „Wenn nur der Sperber nicht kommt“1955 einen Roman über das Leben der jüdischen Hadamarer vom Ersten Weltkrieg bis zur Deportation ge-schrieben. Beeindruckend, einfühlsam und präzise hat sie darin das Zusammenleben der Religionen bis zum zerstörerischen Auftreten des Nationalsozialismus beschrieben.
Am meisten beeindruckt hat mich in dem Buch die Szene, in der eine junge Frau in die Kirche geht und beichtet: „Ich will kein Christ mehr sein.“ Und der Pfarrer antwortet ihr: „Ja, du hast recht. Jetzt mit den Juden Jude sein, das ist Gott lieb.“
Am Ende des Buches schreibt Maria Mathi kurz über die neue,friedliche Zeit und schließt mit dem Wunsch „wenn nur der Sperber nicht kommt“.
Unsere frühere Deutschlehrerin, Frau Dr. Erika Jansen hat das Nachwort zu dem Buch geschrieben. Das war für die damalige Zeit eine bemerkenswerte Tat.
Das Buch wird heute von der Kulturvereinigung Hadamr e.V. herausgegeben. Es ist in der Gedenkstätte erhältlich.
Fotos: (c) Michael Skoruppa