Scharfe Kritik an VHS-Podiumsdiskussion in Köln

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Koeln Panorama

„50 Jahre Besatzung in Palästina – und kein Ende?“ lautet der Titel einer Podiumsdiskussion, die am Freitag, den 8. September ab 19 Uhr in der zentral am Neumarkt gelegenen Kölner VHS stattfinden soll. Zuerst könnte man denken: Gut, dass man auf den Terror der Hamas und vergleichbarer militanter, Israel militärisch bekämpfender und die eigene Bevölkerung unterdrückende Gruppen aufmerksam macht: „Free Gaza from Hamas!“…

Wenn man den Text jedoch zuende liest fühlt man sich eher an BDS-Propaganda erinnert als an eine städtische Bildungsveranstaltung: Seit dem 1967-er Sechstagekrieg – Israel wehrte sich gegen einen Überraschungsangriff gegen gleich mehrere feindliche arabische Armeen  – „ziehe sich“, so heißt es im Kölner VHS-Einladungstext ganz in der Diktion der BDS-Bewegung – „die Schlinge der Besatzung für die Palästinenser und Palästinenserinnen vor allem in der Westbank immer enger. Ihr Alltag wird bestimmt durch Checkpoints, Sperranlagen, Landnahme und israelisches Militärrecht. Es wird immer deutlicher: Ohne ein Ende der israelischen Besatzung kann es keinen Frieden geben.“ Weiterhin findet sich im Einladungstext die schon mehr als verwunderliche Behauptung, die Besatzung sei das einzige Friedenshindernis… Selbst linke MdBs bedienen sich da häufig einer zurückhaltenderen Diktion.

Einseitige Referenten – und ein Günter Grass Moderator

Die Liste der Referenten dieser seltsam anmutenden Veranstaltung beunruhigt jedoch noch mehr: Immerhin ist der Leiter des Referats für Internationale Angelegenheiten der Stadt Köln, Frieder Wolf, dort vertreten. Dieser ist die „rechte“ Hand“ der Kölner Oberbürgermeisterin Reker und unmittelbar für die Städtepartnerschaften zu Tel Aviv wie auch zu Bethlehem verantwortlich. Weiterhin der Nahostreferent von medico international, Riad Othman. Als einziger „Gegenredner“ wurde Gad Lior, Chefredakteur der israelischen Tageszeitung Yedioth Ahronoth, ein erfahrener Journalist, der sich auch in Deutschland auskennt, eingeladen. Dennoch: 2:1 gegen Israel, könnte man also sagen.

Wenn man genauer hinschaut sieht es jedoch noch ärger aus: Kooperationspartner der VHS Köln ist der Städtepartnerschaftsverein Köln – Bethlehem sowie der Münsteraner DINO – „Deutsche Initiative für den Nahen Osten.“ Dieser Dino ist ein seltsamer, aber sehr einflussreicher Promi-Verein mit schwer sozialdemokratischer, „israelkritischer“ Stoßrichtung.  Soeben wurde er sogar – Insider flüstern: von der NRW-SPD – in den WDR-Rundfunkrat geschickt. In seinem Beirat, seinen Referenten und seinem Literaturempfehlungen zum „Nahostkonflikt“ findet sich alles, was einen „israelkritischen“ Zungenschlag hat. Selbst der Autor Jürgen Todenhöfer – inzwischen als Mitherausgeber des „Freitag“ endlich gleichermaßen ein politischer wie ein ökonomischer Kumpel von Augstein – wird angepriesen. Das passt…

Für die Veranstaltung sehr viel bemerkenswerter und bedeutsamer ist jedoch der Moderator der Veranstaltung: Der pensionierte WDR-Journalist Thomas Nehls. Auf der DINO-Website wird er als „ehrenamtliche(r) DINO-Repräsentant“ bezeichnet.

Ein Moderator sollte Neutralität verkörpern. Der erfahrene ARD- und WDR-Journalist Nehls jedoch ist das Gegenteil – wenn es um Israel und um „die deutsche Geschichte“ geht: Als der ehemalige SS-Mann Günter Grass 2012 sein mehr als peinliches „Gedicht“ über Israel – selbstredend mit „Was gesagt werden muss“ betitelt – veröffentlichte stach Nehls mit einem vehementen, Grass unterstützenden Kommentar hervor – in dem er unbewusst die Motive recht deutlich benannte, die ihn als Deutschen umtreiben. Der Kommentar wurde sogar, so bedeutsam ist er gewissen Deutschen, mit Musik unterlegt auf einem eigenen Youtube-Film verewigt.

Einige Auszüge aus der Feder des unparteiischen deutschen Moderators:

„Empörend, ja beängstigend ist nicht der Vorstoß von Günter Grass, sondern das Bündel der meisten Berliner Reaktionen….“ (…) „Grass betreibt nicht aggressive Agitation, wenn er Deutschland vor der Lieferung eines weiteren U-Boots nach Israel warnt, „dessen Spezialität darin besteht, alles vernichtende Sprengköpfe dorthin lenken zu können, wo die Existenz einer einzigen Atombombe unbewiesen ist. (…) Wenn Publizisten wie der stets Polemik-Preis-Verdächtige Henryk M. Broder oder der Moscheen-Verächter Ralph Giordano bar jeder Bereitschaft, sich inhaltlich mit dem Gesagten auseinanderzusetzen, bei dem Schriftsteller gar Antisemitismus als Triebkraft ausmachen, ist Kopfschütteln zu kurz gegriffen. (…) Und dann ist da noch die ausdrückliche Warnung vor weiteren ungezügelten U-Boot-Lieferungen an Israel. Auch über den möglichen Missbrauch dieser Gefährte ist viel zu lange im Windschatten der Weltpolitik geschwiegen worden…“

Der pensionierte WDR-Mann mag für alles Mögliche qualifiziert sein. Ausgerechnet diesen sehr deutschen Günter Grass Verehrer jedoch als „neutralen“ Moderator zu bestimmen, lässt die Motive der Verantwortlichen mehr als deutlich werden.

Lehren aus der Shoah: Die Bedeutung der Nahost-Konflikte für die eigene Sicherheit

In seinen „Grundlagen“ bemerkt DINO in sehr deutscher Selbstreferenz, die an die AfD und an die Sehnsucht nach einem „Schlussstrich“ im Geiste von Walser, Höcke und Grass denken lässt: „Der Initiative ist es wichtig, die deutsche Gesellschaft auf die Bedeutung der Nahost-Konflikte für die eigene Sicherheit hinzuweisen.“ Der israelische Psychoanalytiker Zvi Rix lässt grüßen… Und abschließend wird die weltpolitische Dimension ihrer „Nahost-Arbeit“ so formuliert: „Deshalb gilt für DINO bis heute: „Die Grundlagen des Westfälischen Friedens von 1648 sind unsere Vision für einen Frieden in Nahost““

Mehrere Protestschreiben – und der Brief von Volker Beck

Die Verwunderung über die ausgeprägte Einseitigkeit der Kölner VHS-Veranstaltung sowie der städtischen Involvierung in die zu erwartende „veritable Israelkritik“ hat sich bereits vor der Veranstaltung in mehreren sehr kritischen Stellungnahmen Luft geschaffen: Die DIG Köln und das Bündnis gegen Antisemitismus – BGA Köln sowie die Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit haben dieser Tage deutlich formulierte Kritik geäußert und vor einem Scherbenhaufen gewarnt.

Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Michaela Engelmeier hat soeben mit einem scharfen Protestschreiben auf die im Ankündungstext zum Ausdruck kommende ideologische Stoßrichtung reagiert. Abschließend schreibt die engagierte Sozialdemokratin:

„Die Stadt Köln steht mehr als jede andere Großstadt in Deutschland für eine weltoffene und tolerante Gesellschaft. Nicht nur das, sie wirbt darüber hinaus sogar damit. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass eine Einrichtung der Stadt Köln dem entgegenwirkt, indem sie, bewusst oder unbewusst, mit ihrer politischen Bildungsarbeit zu einem steigenden Hass auf Juden beiträgt anstatt eine Chance für ein friedliches Miteinander zu suchen.“

Wir dokumentieren nachfolgend den Brief des Kölner Grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck an den zuständigen Leiter der Kölner VHS:

„Sehr geehrter Herr …,

der Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus hat festgestellt: 40 % der Deutschen teilen israelbezogene antisemitische Haltungen. Diese meinen beispielsweise: „bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat.“

Politische Bildungsarbeit ist ein wichtiges Instrument gegen solche Haltungen anzugehen. Deshalb ist auch die Arbeit der Volkshochschulen hier ein wichtiger Beitrag, denn: wenn Antisemitismus das Gerücht über die Juden ist, ist Antizionismus das Gerücht über Israel. Doch dann finde ich das hier auf Ihrer Webseite:

„50 Jahre Besatzung in Palästina – und kein Ende? Im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzte die israelische Armee die Westbank, den Gazastreifen und weitere Gebiete und annektierte Ostjerusalem und die Golanhöhen. Seit dieser Zeit zieht sich die Schlinge der Besatzung für die Palästinenser und Palästinenserinnen vor allem in der Westbank immer enger. Ihr Alltag wird bestimmt durch Checkpoints, Sperranlagen, Landnahme und israelisches Militärrecht. Es wird immer deutlicher: Ohne ein Ende der israelischen Besatzung kann es keinen Frieden geben – weder für die Palästinenser noch für die Israelis. Aber wie kann ein Ende der Besatzung erreicht werden, und was braucht ein dauerhafter Frieden?

Es diskutieren u.a. Riad Othman, Nahostreferent von medico international e.V., Gad Lior, Chefredakteur der israelischen Tageszeitung Yedioth Ahronoth, sowie Frieder Wolf, Leiter des Referates für Internationale Angelegenheiten der Stadt Köln. Moderator ist der Berliner Journalist Thomas Nehls. Die VHS Köln kooperiert mit dem Städtepartnerschaftsverein Köln – Bethlehem und der Deutschen Initiative für den Nahen Osten (DINO).“

Wenn man das liest, muss man sich gar nicht mehr fragen, woher diese 40% kommen. Dieser Text ist nicht nur einseitig, er ist regelrecht geschichtsklitternd. Ein Träger der politischen Bildungsarbeit hat eigentlich mit einem solchen Text seine Ungeeignetheit erwiesen. Der 6-Tage- Krieg wird zwar benannt. Seine Vorgeschichte aber völlig verschwiegen.

 Was war der Auslöser dieses Krieges?

 Besetzte Israel nicht auch den Sinai im Rahmen des 6-Tage-Krieges?

 Was ist daraus eigentlich geworden?

 Warum wurden zum Beispiel die Golan-Höhen besetzt?

 Wollte Israel diese Gebiete im Tausch gegen Frieden zurückgeben und warum wurde dies abgelehnt?

 Wem gehörten die von Israel heute besetzten Gebiete eigentlich bis 1967 und wer kontrollierte sie?

 Wie verträgt sich die sich zuziehende „Schlinge der Besatzung“ mit der Rückgabe des Sinai an Ägypten und den Rückzug aus dem Gaza?

 Wo finden die Intifadas und der palästinensische Terror gegen Israel, der Raketenbeschuss aus Gaza, die Selbstmordattentate, die Stabbing-Welle der Messerintifada und das Car-Ramming seine Erwähnung?

 Wird die aktuell gerade virulente innerpalästinensische Auseinandersetzung der Führung in Ramallah mit Gaza (Stromlieferung etc.) irgendwie als Problem gestreift?

 Gehört zum palästinensischen Alltag nicht auch eine korrupte, unfähig und demokratisch nicht legitimierte Führung in der Westbank und ein Terrorregime der Hamas in Gaza?

Nein, man kann nicht 70 Jahre Krieg gegen Israel und alle Facetten des Konfliktes in einen solchen kurzen Text packen. Aber man kann sich um Ausgewogenheit und Differenziertheit bemühen oder ein einseitiges palästinensisches Opfernarrativ promoten. Ich würde mich freuen von Ihnen zu erfahren, wie Sie diese einseitige antiisraelische Schuldzuweisung korrigieren wollen und verhindern werden, dass die Veranstaltung nicht eine genauso verheerend einseitige Wirkung entfaltet.

Übrigens eine Veranstaltung zum jüdischen und demokratischen Staat ausgerechnet am Schabbat durchzuführen, könnte man auch so verstehen, dass man nicht alle bei dieser Debatte dabei haben wollte.“

Man darf gespannt auf den 8.9.2017, 19-21 Uhr, VHS Köln sein. Volker Beck wurde übrigens nicht eingeladen.

Vermutlich werden wieder Lehren aus der deutschen Geschichte gezogen. Nicht, dass wieder jemand rückfällig wird…

Bild oben: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

NACHTRAG:

Soeben wurde bekannt, dass die VHS die Veranstaltung um einen Tag auf Sa., den 9.9.2017 verschoben hat.