Blutiger Boden – Die Tatorte der NSU

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Bei der orstellung, v.l.n.r.: Barbara John, Ombutsfrau der Bundesregierung für die Opfer und Hinterbliebenenfamilien der Gewalttaten des Nationalsozialistischen Untergrundes Regina Schmeken Gereon Sievernich, Martin-Gropius-Bau, Direktor Gorch Pieken, Militärhistorisches Museum, Wissenschaftlicher Direktor und Kurator der Ausstellung

Zehn Menschen wurden ermordet, Dutzende wurden verletzt. 13 Jahre marodierte der rechtsradikale NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) mordend durch Deutschland. Jahrelang fahndete die Polizei ohne Erfolg. Sie jagten einem Phantom nach. Regina Schmeken, Fotokünstlerin und Pressefotografin bei der Süddeutschen Zeitung, begann im Frühjahr 2013, die Tatorte zu fotografieren…

Von Yvonne de Andrés

Kurz vor dem Ende des NSU-Prozesses in München wird ihre Ausstellung „Blutiger Boden“ – Die Tatorte der NSU“ im Martin-Gropius-Bau gezeigt. Die Ausstellung veranschaulicht, wie wichtiges ist, den dominanten Bildern der Täter in den Medien entgegenzutreten und dafür zu sorgen, dass andere Bilder und Erinnerungen die Überlieferung dieser mörderischen Geschichte prägen.

Die Ausstellung von Regina Schmeken ist ein Appell, sich der „Blut und Boden“-Ideologie der NSU-Täter mit den Namen der Opfer entgegenzustellen. Immer wieder hat sie Orte fotografiert, an denen Gewalt geschehen ist: Schlachtfelder, Konzentrationslager der Nationalsozialisten und ihre Bunkeranlagen, aber auch auf den Straßen von Kabul oder in einem Schrebergarten in Brandenburg.

Sie kommentiert ihre neue Arbeit: „Durch diese Aufgabe wurde mir das Ausmaß und die Perfidität der Verbrechen des NSU erst so richtig bewusst. Beschäftigt man sich mit den Morden und mit den Umständen ihrer sehr späten und immer noch nicht abgeschlossenen Aufklärung. […] Man fühlt sich alleingelassen von `den Verantwortlichen´, `der Gesellschaft´, `der Justiz´, man wittert Verrat und Fehlinformation –  wie erst müssen sich die Betroffenen fühlen, die Familien der Ermordeten, ihre Freunde, denen dieses Unrecht geschehen ist.“

Die großen Schwarz-Weiß-Fotografien, die in zwei ins Dunkel getauchten Räumen sich an den Wänden erstrecken, sind bedrückend. Es sind verstörende Bilder. Es ist die Leere des Raumes. Nichts ist mehr sichtbar. Keine Spuren zeugen von dem, was hier geschah. Die Opfer waren neun Männer türkischer und griechischer Abstammung, die in Deutschland lebten und arbeiteten, sowie eine Polizistin. Alle Opfer stellt Regina Schmeken im Gropius-Bau in einem fotografischen Dreiklang, einer Art Triptychon des Tatortes vor. Erläutert werden die Fotografien mit dem Namen des Opfers, dem Alter, dem Tag der Ermordung, und dem Ort und der Straße der Hinrichtung.

Das erste Opfer der Mordserie der terroristischen Vereinigung NSU am 9. September 2000 war der Blumenhändler Enver Şimşek in Nürnberg. Wenige Tage danach starb er an seinen Verletzungen. Das letzte Opfer der Mordserie wurde die Polizeivollzugsbeamtin Michèle Kiesewetter am 25. April 2007. Sie starb auf der Theresienwiese in Heilbronn von den rechtsradikalen Terroristen hingerichtet. Die Opfer wurden am Boden liegend in ihrem Blut gefunden. 

In dem eindrucksvollen Katalog, der den kompletten Zyklus abbildet, hält Hans Magnus Enzensbergerfest: „An Schmekens Aufnahmen wirkt genau das Unauffällige, Banale und Gewöhnliche unheimlich. Gespenstisch wirkt eine Normalität, aus der jede Spur von Common Sense verschwunden ist.“

Die Ausstellung „Blutiger Boden – Die Tatorte der NSU“ ist eine sehr bedrückende, wichtige Ausstellung. Sie lädt dazu ein, die eigene politische Haltung zu reflektieren, einen Standort zu beziehen und nicht zu meinen, dass Demokratie nicht täglich erstritten werden muss. Die Ausstellung läuft bis zum 29. Oktober 2017. Sehr sehenswert.

Auf einen Blick

Was: Blutiger Boden – Die Tatorte der NSU
Wann: 29. Juli bis 29. Oktober 2017
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Montag 10 bis 19 Uhr
Wo: Martin-Gropius-Bau
Eintritt: 7 Euro, ermäßigt 5 Euro

Adresse: Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin

Bild oben: Bei der Vorstellung der Ausstellung, v.l.n.r.: Barbara John, Ombutsfrau der Bundesregierung für die Opfer und Hinterbliebenenfamilien der Gewalttaten des Nationalsozialistischen Untergrundes, Regina Schmeken, Gereon Sievernich, Martin-Gropius-Bau, Direktor, Gorch Pieken, Militärhistorisches Museum, Wissenschaftlicher Direktor und Kurator der Ausstellung, Foto: © Yvonne de Andrés

Ausstellungskatalog: 

Regina Schmeken (Hg.), Blutiger Boden. Die Tatorte des NSU
Text(e) von Matthias Rogg, Gorch Pieken, Katja Protte, Hans Magnus Enzensberger, Barbara John, Feridun Zaimoglu, Annette Ramelsberger, Hrsg. Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Dresden, Gestaltung von Marc Naroska, HatjeCantz Verlag,  2016, Halbleinen,  144 Seiten, 80 Abb., ISBN 978-3-7757-4158-3, Bestellen?