„Hineni“

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Vorgestern beschloss ich, eine arbeitsreiche Woche fröhlich zu beenden. Spontan meldete ich mich zu einem Free Dance Event an. Ich hatte richtig Lust, das Tanzbein zu schwingen…

Von Anita HavivHoriner

In Tel Aviv traf ich auf eine eine eingetanzte Gruppe von Hedonisten, die mich sehr freundlich in ihre Mitte aufnahmen.

Die Lehrerin kündigte an, dass das Leitmotiv der heutigen Stunde “ das Bekennen zur Unvollkommenheit“ sei.

Ergänzend fügte sie hinzu: „Wir müssen lernen, zu uns selbst zu stehen, und nicht versuchen jemand Anderer zu sein.“

Bald schwebten Alle beglückt im Raum herum, und verrenkten sich in unterschiedliche Richtungen.

Als bekennender Kontrollfreak war mir klar, dass es noch dauern würde, bis die Muse sich auch Meiner erbarmt.

So beschloss ich – in Erwartung der bald einzutretenden Seligkeit – mich einer Dehnungsübung zu widmen.

Bedauerlicherweise suchte ich mir dazu eine Stange aus, von der ich irrtümlich annahm, dass sie in die Wand geschraubt sei. Meine Fehleinschätzung führte dazu, dass ich binnen weniger Sekunden mit der Stange über mir krachend auf dem Boden landete.

Mit einem Schlag hatte ich meine Co-Tänzer aus ihrer Trance hochgeschreckt. Zwei galante Herren halfen zuerst dem eisernen Monster und dann mir wieder auf die Beine.

Diese Szene spielte sich ab, während im Hintergrund Leonard Cohens betrübliches letztes Lied „You want it darker“ spielte.

Der Refrain des Liedes lautet „Hineni“, was auf Hebräisch „ich bin hier“ oder auf gut Mameloschen “ ech bin du“ bedeutet.

Während ich mir nichts sehnlicher wünschte, als im Erdboden zu versinken, fiel mir auf, dass diese Worte meine missliche Lage widerspiegelten. Der verehrte Barde möge es mir verzeihen, dass ich es wage, Paralellen zwischen ihm und mir zu ziehen, doch hatte ich – zwar nicht dem lieben Gott – aber doch der Gruppe unmissverständlich meine Anwesenheit vor Augen geführt: „Hineni!!!!“

Und das Motto der Lehrerin “ Mut zu Dir selbst“ hatte ich – wenn auch unfreiwillig – umgesetzt. Was blieb mir schon Anderes übrig?

Als ich am nächsten Tag – in der Hoffnung auf etwas Empathie – meinem alten Freund Moshe von der Blamage berichtete, meinte er nur lakonisch:

„Was geht eine Wiener Kaffeehausjüdin wie Du auch tanzen.“