Gedenkveranstaltung zu Ehren von Frau Cordula Kappner s.A. in Hassfurt

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Am Freitag, den 07.04.2017 war Cordula Kappner nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 75 Jahren verstorben. Mit ihr – der früheren Leiterin des Bibliotheks- und Informationszentrums in Haßfurt – hatte nicht nur die Stadt und der Landkreis Haßfurt eine seiner profiliertesten Persönlichkeiten und vor allem auch eine moralische Instanz verloren, galt sie doch als exzellente Sucherin nach Spuren jüdischen Lebens in der Zeit vor, während und auch nach dem Holocaust…

Von Judith Bar-Or

1978 kam sie, die Tochter eines evangelischen Pfarrers, über verschiedene Umwege als Bibliothekarin nach Haßfurt, wo sie sich sofort sehr intensiv den Spuren einstigen jüdischen Lebens in ihrer Wahlheimat widmete: zunächst den steinernen Zeugnissen und dann immer mehr und intensiver den jüdischen Familien. Sie zeichnete mit viel Herzblut Lebenswege der Mitglieder der jüdischen Gemeinden in ihrer Gegend auf, suchte äußerst erfolgreich nach verwandtschaftlichen Verbindungen und auch nach den Vorfahren der Nachkommen der einstigen Juden ihrer Umgebung. Ihr Wissen dokumentierte sie in 37 Ausstellungen in vielen Orten des heutigen Landkreises Haßberge.

Ihr zu Ehren fand am 26.05.2017 in der Stadthalle in Haßfurt eine vom Landratsamt exzellent organisierte Gedenkveranstaltung statt, zu der sich erstaunlich viele Verwandte, Freunde und Gäste eingefunden hatten, um die Verstorbene zu ehren. Musikalisch umrahmt wurde die Feier von den Künstlern Rainer Schwander und Bernhard von der Golz.

Nach der Begrüßung aller Anwesenden durch Herrn Landrat Wilhelm Schneider würdigte dieser sehr eindrucksvoll ihre zahlreichen Verdienste: sie habe den Menschen hier die Schicksale der früheren jüdischen Mitbürger nahegebracht und deren Nachfahren die Geschichte ihrer Familien zurückgegeben. Ihr Motto habe immer gelautet: „Bildung darf nicht zu abgehoben sein!“ – daher sah sie als Leiterin des Bildungs- und Informationszentrums (BIZ) ihre wichtigste Aufgabe darin, bei den Jugendlichen Kritikfähigkeit zu entwickeln für alle Bereiche des Lebens. Deshalb sei sie auch immer aufgeschlossen und konsequent aufgetreten und habe Persönlichkeiten im BIZ auftreten lassen, die von einem Teil der Gesellschaft eher abgelehnt wurden.

Dass Cordula Kappner s.A. nicht nur ihren Verwandten, Freunden, Weggefährten und Bekannten, sondern besonders auch sehr vielen Mitgliedern der jüdischen Gemeinschaft in der ganzen Welt in Zukunft fehlen wird verdeutlichte der einstige Lay Leader der US-Militärgemeinde in Franken, Rektor i.R. Israel Schwierz in seiner Laudatio. Sie habe nicht nur alle ausgelöschten Jüdischen Gemeinden des Kreises Hassberge äußerst akribisch erforscht, sie habe darüber hinaus besonders die Schicksale der Mitglieder dieser Gemeinden – jedes einzelnen von ihnen – ganz intensiv, ja, mit Herzblut in fast 40 Ausstellungen dokumentiert. Dabei war es ihr vor allem wichtig, die Jugend an ihren Ausstellungen zu interessieren, um sie dadurch zu sensibilisieren und gegen jegliche Art von Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit immun zu machen. Sie zeichnete Lebenswege einzelner fränkischer Juden ihrer Region, aber auch ganzer Familien aus dem Kreis Haßberge auf, sie sprach mit möglichst vielen Zeitzeugen und hielt die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit schriftlich und bildlich fest. So wollte sie allen Menschen, vor allem aber den nachgeborenen Generationen klar machen, dass es sich bei den Juden, die nun nicht mehr da waren, nicht um irgendwelche fremden „ Aliens“ gehandelt hat, sondern um ganz normale Menschen, die das NS-Regime zu Fremden und Schädlingen erklärt hatte.

Ganz besonders jedoch lagen ihr die jüdischen Familien mit ihren verwandtschaftlichen Beziehungen und ihren zum Teil sich über mehrere Jahrhunderte erstreckenden Stammbäumen am Herzen. Für diese Art der Familienforschung – Mischpochologie – hatte sie ein besonders glückliches und erfolgreiches „Händchen“. So gelang es ihr in der Tat, für ganz viele Familien in Israel, in den USA, ja weltweit die fränkischen Ahnen zu finden. Dafür sind ihr heute viele Juden weltweit zu großem Dank verpflichtet, können sich doch die „Yahrzeiten“ ihrer Vorfahren religiös begehen und in der Synagoge Kaddisch sagen. Was Cordula bei der Erforschung der jüdischen Familien und ihrer wichtigen Daten geleistet hat wird heute von vielen Juden als „Heilige Arbeit“ bezeichnet und ist in der Tat einmalig. Dafür gebühren ihr für immer Dank und Anerkennung aller, denen der religiöse Umgang mit den Vorfahren von großer Wichtigkeit ist.

Für ihre private Tätigkeit erntete sie natürlich nicht nur Anerkennung, sondern auch das Gegenteil: persönliche Anfeindungen bis hin zu Hassbriefen und Schmierereien an der Hauswand konnten sie jedoch nicht entmutigen, sie ekelten sie höchstens an. Diese negativen Erlebnisse wurden jedoch durch die zahlreichen sehr hohen Ehrungen überdeckt, die sie erhielt: den German Jewish History Award der Obermayer Foundation, das Bundesverdienstkreuz, die Bayerische Verfassungsmedaille sowie den Friedrich-Rückert-Preis des Haßberghauptvereins. Eine ganz besondere und einmalige Ehrung wurde ihr, noch zu ihren Lebzeiten, vom Jüdischen Museum „Jüdische Lebenswege“ in Kleinsteinach zuteil: Das Museum hat nach eigenen Angaben Cordula Kappner sehr viel zu verdanken, da sie für das Museumsprojekt ihre gesammelten Materialien zur Verfügung gestellt hatte. Dadurch dient ihr Privatarchiv über Kleinsteinach und darüber hinaus als Grundlage für das heutige Museum. Deshalb hat man ihre unermüdliche Forschungsarbeit bereits zu ihren Lebzeiten im Jüdischen Museum in Kleinsteinach entsprechend gewürdigt, und zwar in der Form, dass den Besucher ein kleiner Film erwartet, der sie bei ihrer Arbeit zeigt. Darüber hinaus kann man zeitgleich ein Interview mit ihr über ihr Lebenswerk anhören. Es dürfte einmalig sein, dass ein Ort ihr Andenken auf solch‘ eine besondere Art und Weise in Ehren hält.

Im Anschluss an seine Laudatio verlas Israel Schwierz noch in Englisch und Deutsch eine Würdigung von Dr. Jacob Hecht, PhD, aus Ramat Beit HaKerem in Jerusalem, einem Nachkommen von fränkischen Juden aus Maroldsweisach. Darin bedankte dieser sich sehr herzlich für alles Unterstützung, die sie ihm seit 2000 hatte zuteil hatte werden lassen: nicht nur bei der erfolgreichen Suche nach seinen Vorfahren auf dem jüdischen Friedhof von Ermershausen, sondern auch bei der Konzeption seiner sehr beeindruckenden Dokumentation „Acht Generationen der Familie Hecht in Franken, Bayern, 1762-2005“. Er betonte, dass sie ihm äußerst behilflich gewesen sei und dankte für die 17 Jahre, die er mit ihr in Kontakt gestanden war – auch für die Zeit, die sie zusammen mit ihm und seiner Familie bei ihren Besuchen in Jerusalem verbracht hatte. Er stellt fest „ Wir fühlen, dass ein großes Licht aufgehört hat zu leuchten“ und fügte im letzte Satz hinzu: „Cordula, Du bist einmalig“.

Nach einem weiteren Musikstück sprach Frau Irmtraut Neubert, eine langjährige Weggefährtin von Cordula Kappner, ein sehr zu Herzen gehendes Grußwort und brachte auch einige sehr persönliche Erinnerung vor. Sie erinnerte an Cordula Kappner, der die Arbeit mit der Jugend immer ganz besonders wichtig gewesen sei.

Danach würdigte Mark Rosenthal, der zu diesem Ereignis eigens aus den USA angereist war, nochmals das äußerst fruchtbare und tief beeindruckende Wirken der Verstorbenen. „Sie hat den jüdischen Familien , die aus der Gegend stammen, ihre Geschichte zurückgegeben“ meinte er, dessen Vorfahren aus Aidhausen stammen, sichtlich ergriffen. Er erinnerte nochmals an das Anliegen von Cordula Kappner s.A., dass die Menschen hierzulande aus der Vergangenheit lernen – dem braunen Gedankengut und dem Fremdenhass nicht wieder Raum geben mögen, sondern denen helfen, die in Not sind, zu beispielsweise den Flüchtlingen.

Alle, die Cordula Kappner kannten, werden sie sehr vermissen. Es ist sehr zu hoffen, dass ihr Vermächtnis fortgesetzt werden wird.