Der Berufsoffizier, MAD-Mitarbeiter und Kölner AfD-Oberbürgermeisterkandidat Hendrik Rottmann entwickelt eine Leidenschaft…
Von Alice Burdach
Zuerst erschienen bei: prinzessinenreporter, 16.6.16
Die Kölner AfD ist nicht gerade ein berühmter Haufen. Sie ist mit drei Mitgliedern (von 100) im Kölner Stadtrat vertreten. Sonderlich aktiv ist die Kölner AfD nicht. Ihr Hauptkonkurrent ist Pro Köln. Ihr Vorsitzender heißt Hendrik Rottmann. Und dieser Mensch hat einen interessanten Beruf: Er ist Berufssoldat. Aber noch mehr: Der „Spiegel“ brachte im März 2016 einen Beitrag über Rottmann: „Kölner Politiker Rottmann: Beruf Geheimdienstoffizier, Hobby AfD. Der Beitrag beginnt so: „Hendrik Rottmann arbeitet für den Bundeswehr-Geheimdienst MAD. Der Kölner engagiert sich aber auch bei der AfD. Er ist nicht der einzige Politiker der Rechtspopulisten in der Truppe. Wenn man Hendrik Rottmann nach seinem Beruf fragt, gibt sich der Vorsitzende des Kölner Kreisverbands der Alternative für Deutschland (AfD) recht wortkarg. Auf Anfrage von Spiegel Online erwiderte der Spitzenkandidat der Rechtspopulisten in einer Mail fünfmal lediglich: ‚Kein Kommentar‘. Dahinter pflanzte der Mann, der im letzten Herbst als Oberbürgermeister-Kandidat in Köln angetreten war, jeweils ein Ausrufezeichen.“
Der Beitrag dürfte dem Herrn mit dem auffallenden, fein gezwirbelten roten Schnurrbart, der laut „Spiegel“ seit langem beim MAD arbeitet, nicht gefallen haben. 20 Jahre lang hatte der MAD-Mitarbeiter und Berufssoldat der CDU angehört, dann wechselte er, mitten in der Eurokrise, zur AfD. Beruhigend immerhin: Bisher sah das Bundesamt für Verfassungsschutz keinen Anlass, Rottmanns AfD zu beobachten.
Dieser Herr Rottmann wohnt im feinen Köln-Lindenthal. Auch dort existiert ein AfD Stadtbezirksverband, der sogar auf Facebook vertreten ist. „42 Personen gefällt dies“ vermeldet FB. Das ist nicht sehr viel.
Am 13. Juni postete dieser Kölner Kreisverband, dem auch der Kölner AfD-Vorsitzende und das Ratsmitglied Rottmann angehört, etwas. Von seiner Diktion her ähnelt es eher den Pro-Köln-Stellungnahmen: „Farbenlehre eines politischen Beamten: Schwarz-Gelb-Rot-Grün: Wir fordern politische Neutralität, Herr Kramer. Gez. AfD Fraktion Köln, AfD Fraktion im Rat der Stadt Köln“.
Also, könnte man sagen: Rottmann pur. Die AfD Lindenthal, auch deren Mitglied ist Rottmann, teilt auf FB mit, auch sie habe diesen Aufruf unterstützt: „Der Bezirk Lindenthal liegt im Wahlkreis von Herrn Volker Beck. Der AfD-Stadtbezirksverband Lindenthal erklärt hierzu: „Warum mischt sich der Präsident eines Verfassungsschutzamtes in den politischen Meinungskampf einer Partei ein? Das ist ein einmaliger Vorgang und stellt einen Angriff auf demokratische Prinzipien dar. Danach haben sich Beamte im politischen Meinungskampf neutral zu verhalten.“
Der unbedarfte Leser mag anfänglich irritiert sein: So ganz erschließt sich die Meldung nicht: „Kramer“, wer mag das sein? Noch nie gehört. Vermutlich hat der Leser, so er besser informiert ist, von einem Brief von 60 mehr oder weniger Prominenten gehört – einige hiervon sind Vertreter jüdischer bzw. moslemischer Gruppierungen. Als Privatpersonen haben sie sich für Volker Beck eingesetzt. „Herr Kramer“ gehört zu den eher wenig bekannten Unterzeichnern dieses Aufrufs.
Warum also ausgerechnet Herr Kramer als Angriffsobjekt? Den kennt doch niemand?
Offenkundig hat dies alles mit dem Beamten Rottmann zu tun. Den kennt zwar auch niemand – und doch war er 2015 sogar Oberbürgermeisterkandidat in Köln. 4,01 Prozent erhielt er bei der Wahl – das ist so ziemlich exakt das bisherige Pro-Köln-Niveau.
Dem AfD-Posting wird ein „Offener Brief“ beigefügt. Nun vermag der Leser endlich zu erahnen, wer dieser Herr Kramer ist, und wie er genau heißt: „Stephan J. Kramer, Präsident des Thüringer Verfassungsschutz“. Der 1968 geborene Kramer, ein ehemaliger Oberstleutnant, früheres CDU- und seit 2010 SPD-Mitglied, hat seit 1998 für den Zentralrat der Juden in Deutschland gearbeitet. Von 2004 bis 2014 war er Generalsekretär des Zentralrats der Juden. Thilo Sarrazin, aber auch den Berliner „Tagesspiegel“ und die „Junge Welt“ hatte er in dieser Funktion scharf als rassistisch kritisiert. Seit Ende 2015 ist Kramer nun Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes.
Und so schließt sich der Kreis: 60 mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten haben den Aufruf für den Bundestagsabgeordneten Volker Beck unterzeichnet – aber der MAD-Mitarbeiter und Kölner AfD-Oberbürgermeisterkandidat Rottmann interessiert sich „als Privatmensch“ offenbar einzig allein für den Juden Stephan J. Kramer.