Tel Aviv für Jedermann

2
59

Tel Aviv gehört, abseits der politischen Diskussionen, zu den interessantesten Städten der Welt. Wer sich ein Bild von Israel machen möchte, sollte Tel Aviv einmal zumindest für einige Tage besucht haben. 1909 von 66 Familien gegründeten, gehört Tel Aviv heute zu den quirligsten und widerspruchsreichsten Städten der Welt. Ein Reiseführer stellt nun 111 spannende Orte der Stadt vor…

Von Roland Kaufhold
Erschienen in: Publikative.org v. 12.10.2015

Andrea Livnat, promovierte Historikerin und Redakteurin des deutsch-jüdischen Internetmagazins haGalil.com, lebt seit 13 Jahren in Tel Aviv – „und ist fast jeden Tag froh darüber, dass ihre Kinder hier aufwachsen“ (S. 236). Nun hat sie, gemeinsam mit der Fotografin Angelika Baumgartner, einen großzügig bebilderten Städteführer vorgelegt, in dem sie – von A (Abu-Nabut-Brunnen) bis Z (Der Zionismus-Boulevard) – 111 außergewöhnliche Orte Tel Avivs vorstellt. Historische, kulturelle, architektonische, musikalische und alltägliche Orte und Ereignisse aus Tel Aviv werden auf vergnügliche und leicht lesbare Weise portraitiert. Jeder dieser Orte wird auf einer Buchseite in Neugierde weckender Weise vorgestellt; auf der gegenüberliegenden Seite findet sich ein ganzseitiges Foto, ergänzt durch einige konkrete Ortsinformationen.

Eine spannende Entdeckungsreise für Touristen wie auch für Menschen, die etwas länger in Tel Aviv bleiben können. Auf dem Cover des Buches prangt eine Orange, für Viele das Symbol Tel Avivs.

In der verwinkelten Altstadt des palästinensisch geprägten Jaffa: Wo gibt es den besten, cremigsten Hummus: Bei Abu Hassan in der Dolfin Straße. 100 Meter weiter befindet sich das Nalaga´at-Zentrum, in dem Taubblinde Theater spielen, verbunden mit einem abgedunkelten Restaurant und dem Café Kapish mit tauber Bedienung. Eine Einführung in die Gebärdensprache gibt es so gratis. Unmittelbar daneben das Ilana-Goor Museum, zahlreiche Skulpturen wie auch der berühmte schwebende Baum, der der Jaffa-Orange ein Denkmal gesetzt hat. 200 Meter weiter, direkt am Hafen von Jaffa, befindet sich das Spielzeug-Erholungsheim, das uns einen nostalgischen Blick in israelische Kinderzimmer ermöglicht.

Tel Aviv gilt, dank der Sonne und des Meeres, aber auch der aus Deutschland importierten Bauhaus-Tradition, als die „weiße Stadt“. 2003 wurde ihr deshalb von der UNESCO der Status eines Weltkulturerbes verliehen. Wo befindet sich das mit deutscher Hilfe neu gegründete Zentrum der 4.000 „weißen“ Gebäude? In der Idelson Street 29 treffen wir auf das Max-Liebing-Haus. Der am Strand gelegene Charles-Clore-Park, 1,5 Km lang, erweist sich als ein Paradies für Kinder. Wenige 100 Meter weiter am Strand kommen wir zum traditionsreichen Drummer´s Beach: Pünktlich zum Schabbat treffen sich dort seit 20 Jahren an der morbiden, mit zahlreichen Graffitis verzierten Strandmauer, junge und altgewordene Trommler, mit denen wir taktvoll ins Wochenende gelangen können. Einen Kilometer weiter nördlich treffen wir am Strand auf eine besonders eindrucksvolle Tafel, auf der an den legendären Piratensender „The Voice of Peace“ von Abie Nathan erinnert wird: „20 Jahre lang 24 Stunden am Tag“ sendete vom Meer aus der erste kommerziellen Radiosender Israels. Drückt man auf den neben dem Schild installierten Knopf ertönt noch einmal der bis heute bekannte Jingle: „From somewhere in the Mediterranean, we are `The Voice of Peace´“ hören wir die Stimme des lebensfrohen Utopisten Abie Nathan, dessen Wirken übrigens in einer gleichnamigen eindrucksvollen Fernsehdokumentation gewürdigt worden ist.

Wie gelangen wir in den „grünen Hinterhof“ Tel Avivs, mit den Afeka-Höhlen? Wo finden wir eine beachtliche Ansammlung von Straßenkunst – während im Hintergrund, zwischen den Bäumen, einige Hochhäuser durchschimmern? Im Alfred Institut, einer Kooperative für Kunst und Kultur, haben sich 2005 dreizehn Künstler zusammengeschlossen und einen „herrlich angenehmen Ort“ geschaffen, „um Kunst zu erleben, fern vom Snobismus manch etablierter Galerie“. In der American Colony, 1866 von Christen aus den USA gegründet, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Einige der originalen, mit Holz verkleideten Häuser sind bis heute erhalten.

Wo finden wir die imposanten Banyan Feigen, mit ihren zahlreichen Luftwurzeln, an denen nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene Tarzan spielen können? Wo finden wir eine große Ansammlung von Hochzeitsgeschäften? Wie gelangen wir zum „Secondhand-Himmel“ der Literatur? Auf der Allenby 87 finden wir in einen Hinterhof, dessen Weg uns nur ein kleiner Schaukasten weist, den Buchladen Halper. 50.000 englische Titel, aber auch zahlreiche deutsche, französische und spanische Bücher finden wir dort.

Und, ganz zum Schluss: Wo gibt es das beste, „natürliche Eis“ („Artik Tivi“)? Die Gebrüder Sharon und Kfir Abu vertreiben es an der Ibn Gvirol Street 158, was mit einem Foto eindrücklich veranschaulicht wird.

Ein tolles, anregendes Buch von Andrea Livnat, das uns zu einem Israelbesuch anregen kann, einschließlich mehrtägigem Aufenthalt in Tel Aviv.

Andrea Livnat, 111 Orte in Tel Aviv, die man gesehen haben muss. Mit Fotografien von Angelika Baumgartner, Emons Verlag 2015, 240 S., Euro 14,95, Bestellen?

2 Kommentare

  1. MASCHU, NICHT MESCHUGGE

    Von Nina Horaczeck

    Das Baby ist maschu. Das ist schon am Flughafen in Tel Aviv klar. Überall, wo es vorbei getragen wird, heißt es nur „maschu maschu“, was für ein tolles Baby. „Meschugge“ ist hingegen in Wien von Freunden zu hören. Ein Monat quer durch Israel, und das mit einer Fünfjährigen und einem Baby, sei einfach verrückt, Israel kein Land für einen Familienurlaub.

    Dabei gibt es kaum eine bessere Destination für Eltern, …

Kommentarfunktion ist geschlossen.