Tag der Gerechten im NRW Landtag zum Genozid an den Armenierin

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Würdigung von Armin T. Wegner und Doğan Akhanlı…

6. März 2015: Der „Tag der Gerechten“ im NRW Landtag in Düsseldorf. Es war eine gelungene Implementierung des neuen europäischen Tages der Würdigung von Menschen mit Zivilcourage – erstmals in einem deutschen Parlament. Auf Einladung der Präsidentin des Landtages, Carina Gödecke, gestaltete die internationale Armin T. Wegner Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Landtagspräsidium eine eindrucksvolle gut besuchte Feier.

Thematisch im Zentrum stand die Erinnerung des Völkermordes an den Armeniern vor 100 Jahren – und die Würdigung solcher „Gerechter“, welche damals und heute unter eigener Gefahr das (Ver-)Schweigen dieses Verbrechens durchbrochen haben. Der Einladung folgten auch türkisch- und kurdischstämmige MitbürgerInnen – vor allem aber auch Vertreter der Armenier in Deutschland. Der Vorsitzende der Armin T. Wegner Gesellschaft, Ulrich Klan, gab in seiner Rede der Freude Ausdruck, dass auch S.E. Erzbischof Karekin Bekdjian, das geistliche Oberhaupt der Armenischen Kirche in Deutschland, der Einladung der Landtagspräsidentin gefolgt war. Im Anschluss wurde die Ausstellung der Armin T. Wegner Gesellschaft eröffnet: Unter Armin T. Wegners Motto „Widersetzt Euch viel und gehorcht wenig“ sind in dieser professionellen Multimedia-Schau Bilder, Texte, Hörstationen und digitale links zu erleben. Darunter sind nicht zuletzt Fotos von den mörderischen Deportationen der Armenier 1915 / 1916 zu sehen.

Armin T. Wegner, der in Anatolien und Mesopotamien zum Augenzeugen der Verbrechen wurde, ging unter eigener Gefahr in die Todeslager der Deportierten, dokumentierte die Verbrechen und fotografierte diese Bilder, die er später veröffentlichte und die heute wichtige Beweismittel des Völkermords sind. Diese Ausstellung wird noch einige Wochen in der Wandelhalle des Landtags zu sehen sein.

In der Feierstunde wurde als historischer „Gerechter“ posthum Dr. Armin T. Wegner gewürdigt. Als heute lebender „Gerechter“ war der deutsch-türkische Schriftsteller Dogan Akhanli aus Köln eingeladen. Die Feier begann mit live-Musik der professionellen jungen deutsch-kurdischen Musikerin Asli Kaya, welche die erste NRW-Landespreisträgerin „Jugend musiziert“ auf der anatolischen Langhalslaute baglama war. Das Musikprogramm zwischen den Reden enthielt auch das armenische Lied „Grunk“ und das armemisch-türkisch-kurdisch-arabische Friedenslied „Sari Gelin“. Es wurde aus dem Werk der Geehrten gelesen: Von Wegner aus seinem „Offenen Brief an US-Präsident Wilson über die Austreibung des armenischen Volkes in die Wüste“ und von Akhanlı aus seinem Roman „Die Richter des Jüngsten Gerichts“. Die Texte wurden unter die Haut gehend präsentiert von der deutsch-türkischen Schauspielerin und Regisseurin Günfer Cölgecen (Bochum). Die Laudatio auf Armin T. Wegner hielt Hermann Schulz. Der Autor und Mitbegründer der Armin T. Wegner Gesellschaft ist selbst bereits eine lebende Legende: In Afrika geboren, langjähriger Honorarkonsul von Nicaragua, heute selbst erfolgreicher Schriftsteller, viel gelesene und mehrfach übersetzte Stimme der Völkerverständigung für LeserInnen aller Altersgruppen, machte er in den Siebziger Jahren als Verlagsleiter des Peter Hammer Verlages mit großem Mut das verdrängte Werk des ins Exil gejagten Armin T. Wegner erstmals in der Bundesrepublik wieder im Buchhandel zugänglich zu machen.

Bei dieser Feier Im Landtag wurden die Texte Armin T. Wegners erstmals aus der Neuausgabe gelesen – dem soeben erschienenen Band „Rufe in die Welt“: Dieses Buch wurde von Miriam Esau und Prof. Michael Hofmann herausgegeben als zweiter Band der mehrbändigen und mehrjährigen Armin-T.-Wegner-Werkausgabe. Die dort enthaltenen ethisch-politischen Manifeste des engagierten Dichters und seine Einsprüche gegen die Mächtigen der Welt, darunter vor allem auch seine Texte zum Genozid an den Armeniern, sind damit erstmals seit Jahrzhnten wieder für die Öffentlichkeit greifbar.

Die Laudatio auf Doğan Akhanlı hielt Ulrich Klan. Der Initiator dieser Veranstaltung, Mitbegründer und Vorsitzende der Armin T. Wegner ist von Beruf Komponist, Musiker, Autor und Pädagoge. Er würdigte Doğan Akhanlı als den ersten türkischen Schriftsteller, der in einem Roman den Völkermord an den Armeniern offen und ausführlich beim Namen nannte, und zwar in seinem auf Türkisch und auf Deutsch erschienenen Buch „Die Richter des Jüngsten Gerichts“. Für diesen besonderen Mut wurde Akhanlı im Jahre 2010 bei der Einreise in die Türkei verhaftet und für Monate ins Gefängnis gesperrt. In einer großen europäischen Solidaritätsbewegung, in der auch die Armin T. Wegner Gesellschaft stark engagiert war, wurde seine Freilassung aus türkischer Haft erreicht. Doğan Akhanlı wurde in Deutschland mehrfach ausgezeichnet auch für sein konsequentes Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus – nicht zuletzt auch gegen wachsende antisemitische Tendenzen in der Türkei und in anderen Ländern. Er organisiert den Dialog über die Völkermorde des XX. Jahrhunderts. Sein erfolgreiches Theaterstück „Anna`s Schweigen“ (2012) zeigt, wie tief Gewalterfahrung und Gewaltbereitschaft ineinander verschränkt sind und wie nötig es ist, die gesellschaftliche Sprachlosigkeit zu beenden, wo Nachkommen von Tätern und Opfern zusammen leben.

Doğan Akhanlı war bei der Feier zu seinen Ehren im Landtag zugegen und bedankte sich in eine kurzen Rede, in der er sein Konzept für einen „transnationalen Raum der Erinnerung an Völkermord“ darlegte.

Ulrich Klan

Armenischen Kinderschuh 1915
Armenischen Kinderschuh, den Armin T. Wegner 1915 am Wegrand der Deportierten fand und sein eigenes langes Leben lang wie eine Reliquie aufbewahrte, ehe er ihn seiner Tochter Sibylle Anush (armenisch „Die Süße“) vererbte, die ihn der A.T.Wegner Gesellschaft schenkte. Dieses Foto zeigt den Kinderschuh auf der Hand von Sibylle Anush Stevens, geb. Wegner. Er ist heute im Armin T. Wegner Zimmer der Stadtbibliothek Wuppertal für die Forschung zugänglich aufbewahrt.

Hermann Schulz, Dogan Akhanli und Ulrich Klan
Vor der Armin T. Wegner Ausstellung sieht man v.l. Hermann Schulz, Dogan Akhanli und Ulrich Klan.