Zur Jahrzeit von Fritz Grünbaum

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Ernst Federns Erinnerung an den großen Kabarettisten Fritz Grünbaum (1881-1941)…

Der österreichisch-amerikanische Psychoanalytiker Ernst Federn war als Jude und Widerstandskämpfer sieben Jahre lang politischer Häftling in Dachau und Buchenwald.

Dort freundete sich Ernst Federn mit dem berühmten österreichischen Kabarettisten Fritz Grünbaum (1881-1941) an. Am 7. April 1940 fand, unter provisorischen Lebensumständen, anlässlich Fritz Grünbaums 60. Geburtstages im KZ Buchenwald eine kleine Feier von Freunden statt. Wenige Monate später, am 14.1.1941, wurde Fritz Grünbaum im KZ Dachau tot aufgefunden.

Unmittelbar nach seiner Befreiung im April 1945 durch amerikanische Truppen schrieb Ernst Federn einen Erinnerungstext an diese berührende Geburtstagsfeier Fritz Grünbaums. Diese versuchte er über Mathilde Grünbaum (Lukacs) – einer Nichte Theodor Herzls – , Fritz Grünbaums Witwe Lilly Herzl zukommen zu lassen.

Mathilde Lukacs stellte den Brief dem „Aufbau” zur Verfügung. Die Zeitung der New Yorker deutschsprachigen Emigranten veröffentlichte ihn am 17. August 1945.

Roland Kaufhold

Nachfolgend veröffentlichen wir die Erinnerungen Ernst Federns an den 60. Geburtstag von Fritz Grünbaum.

Ernst Federn (1945)
Erinnerung an Fritz Grünbaums 60. Geburtstag im Konzentrationslager

Ernst Federn schrieb im August 1945 über Fritz Grünbaum:

„… welch ein großer Künstler Ihr Fritz war, liebe Frau Lilly, das wissen nur mehr Wenige. Denn nur Wenige haben das KZ überlebt, die ihn noch im Lager auftreten gesehen haben.

Das ist große Kunst, die in einer überfüllten Stube, als Bühne einen Tisch, ohne alle Utensilien, von schrecklichen Strapazen ermüdete Menschen in ein Meer von Heiterkeit zu tauchen versteht. Eine Heiterkeit ohne Konzessionen an die Instinkte, immer auf dem Boden feiner Geistigkeit stehend, eine Philosophie, die einen vor Lachen hat beinahe bersten lassen und doch voller Tiefe war.

Es ist mir noch gut in Erinnerung, daß ich in Dachau meinte, ich werde nie mehr in meinem Leben lachen können. Aber Fritz Grünbaum hat es mich wieder gelehrt, als er, das erste Mal in einem deutschen KZ, eine Kabarettvorstellung inszenierte. Er wußte genau, welche ungeheure Hilfe er mit seiner Kunst seinen Leidensgefährten brachte, und nie hat er nein gesagt, wenn man ihn um seine Mitwirkung bat, es konnte ihm noch so beschwerlich fallen. Müde oft und deprimiert stieg er auf das improvisierte Podium; aber kaum sprach er die ersten Worte, machte er die ersten Gesten, da sprang sein Fluidum auf die Zuhörer über, und er hob sie hoch, diese Unglücklichen aller Klassen und Konfessionen, aller Berufe und Bildungsgrade, zu seiner hohen und reinen Kunst. Ja, Fritz Grünbaum brauchte nie hinabsteigen zu seinen Zuhörern, um zu werben, denn er wußte immer sie sich nahezubringen.

Aber sich selbst übertroffen als Mensch und formvollendeter Sprecher hat sich Fritz Grünbaum zur Feier seines 60. Geburtstages. Glückliche Umstände hatten es uns erlaubt, ihn feiern zu können mit allem, was zu einem richtigen Geburtstagsfest gehört. Manchmal gab es solche Zeiten des Friedens im Lager. Hinter Blumen hob sich ein kleiner Berg von guten Sachen, mit für seine Gefäßkrämpfe viel zu viel Zigaretten und einer großen Schüssel Quark, den Fritz über alles gern mochte. Beda-Löhner hielt eine warmempfundene und natürlich formvollendete Geburtstagsrede, unser damaliger Blockältester, der Fritz ehrlich zugetan war, gratulierte ihm mit wenigen einfachen aber herzlichen Worten im Namen seiner Mithäftlinge, und am Ende antwortete Fritz in einer unvergleichlichen Rede. Er sprach von der geringen Aussicht, die für ihn bestehe, lebend das Lager zu verlassen. Aber er werde mit dem Bewußtsein zu seiner Zeit abtreten, seine Pflicht getan zu haben. Als er geendet hatte, da fühlte jeder, der nur eine Spur von Seele im Leibe hatte: „Voilà un homme, un grand homme!”

Dieser Text ist erschienen in: Ernst Federn: Versuche zur Psychologie des nationalsozialistischen Terrors. Herausgegeben von Roland Kaufhold. Gießen 2014 (Psychosozial Verlag). Wir danken dem Psychosozial Verlag (Prof. Dr. Hans-Jürgen. Wirth) und dem Autor für die Veröffentlichungsrechte.

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