„Sha Shtil“: Klezmermusik aus Köln

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Jüngst erlebte ich Sha Shtil in Köln im Osteuropäischen Kulturzentrum Ignis – und war überrascht und beeindruckt von der Vitalität und der musikalischen Qualität dieser neuen, ambitionierten Kölner Klezmergruppe. Entstanden ist Sha Shtil im Jahr 2009, ihre vier Musiker – sie stammen aus Georgien, Polen und Deutschland – verfügen über langjährige musikalische Erfahrungen. Sie wussten ihr vorwiegend osteuropäisches Publikum zu begeistern, zum Mitsingen zu animieren…

Von Roland Kaufhold

Das Quartett Sha Shtil präsentiert in seinen gelegentlichen, lebendig dargebotenen Auftritten die in Deutschland und Osteuropa entstandene Tradition des jiddischen Liedes sowie der Klezmermusik der vergangenen 100 Jahre. Dargeboten wird es auf eine unprätentiöse, sehr eigene und zugleich unterhaltsame Weise. Das Publikum soll einbezogen werden in den musikalischen Prozess, mittels der gesanglichen Qualität des Sängers Friedhelm Holtey-Weber, aber auch des Temperaments der aus Georgien stammenden Bassistin und Gitarristin Nino Giersiaschwili – die bei Auftritten auch immer mal wieder dramatisch in Szene gesetzte georgische Lieder in das beachtlich breite musikalische Repertoire integriert.

Jedes der dargebotenen Lieder – so betonen die vier Musiker auch in ihrer Selbstdarstellung – ist eine Liebeserklärung an eine Sprache, die Lager und Ghettos überlebt hat; wenn auch viele ihrer Protagonisten von den deutschen Nationalsozialisten ermordet worden sind. Inhaltlich geht es in den Liedern um die Themen der Jugend und des Alter, um Liebe und Verlust, um die Vertreibung aus der Heimat, um Hoffnung und Sehnsucht – aber auch und immer wieder um das gegenwärtige Leben, das hier und jetzt gelebt werden will und soll. Sha Shtil präsentiert eine Musik, die trotz erfrischenden Schwungs, trotz mitreißenden Rhythmus‘ und eingängiger Melodien auch die tragischen, existentiell berührenden Seiten des  Lebens beleuchtet.

Zu den vier Musikern von Sha Shtil:

Friedhelm Holtey – Weber – Gesang: Friedhelm wurde 1938 in Essen geboren und lebt seit 1950 im Raum Köln. Zeit seines Lebens sang er in verschiedenen Chören. Schon mit 16 Jahren stieß er auf die Klingende Brücke, der er auch heute noch angehört. Dort wurde ihm das Singen in fremden Sprachen zur Normalität. Angeregt durch Alexander Meyen wählte er sich das jiddische Lied zu einem Spezialgebiet aus. Friedhelm ist zudem Mitglied des inzwischen weit über Köln hinaus bekannten, vom Schweizer Komponisten Reto Stadelmann gegründeten und aufgebauten Kölner Kunstorchesters Kwaggawerk: Ein Zusammenschluss von inzwischen 50 Musikern, die, von der Schweizer Guggenmusik geprägt, aber diese weiterentwickelnd, Blasmusik (Trompete, Posaune, Tuba) mit Schlagzeug legieren; sie spielen, wie die WELT 2010 anlässlich einer Preisverleihung an Kwaggawerk konstatierte, „Hits auf die etwas andere Art“. Die FAZ präsentierte jüngst zu Karneval ein mit „Spielen wir jetzt so schräg, dass alle gehen?“ betiteltes filmisches Portrait über das höchst außergewöhnliche Kunstorchester Kwaggawerk.

Alexander Meyen – Geige: Seine Liebe zur jüdischen und speziell zur jiddischen Musik und Kultur entdeckte er auf Reisen durch Israel und einem Studienaufenthalt an der Rubin Academie of Music in Jerusalem, auf Konzertreisen mit der israelischen Sängerin und Gitarristin Sara Goldberg Cohen und der Wiederentdeckung eigener jüdischer Wurzeln. 

Andreas Saletra – Akustikbass: Andreas kommt aus Polen und lebt seit vielen Jahren in Neuss. Der studierte Musiker hat in Polen mit vielen bekannten Zigeunergruppen gespielt,  u.a. bei  „Roma“  und  „Terno Theater“, aber auch Jazz – und Klezmermusik gemacht,  u.a.in der  Gruppe „Tender“

Nino Giersiashvili – Gitarre: Nino  kommt aus Tiflis / Georgien und lebt seit einigen jahren in Köln. Sie spielte einige Jahre in der Romaband Romano Trajo mit. Mit ihrem Temperament und  ihrer Lebensfreude bringt sie viel Rhythmus und Schwung in die Gruppe und natürlich auf die Bühne.

Internet: www.myspace.com/shashtil
Am 19. März  spielt Sha Shtil im Rahmen eines siebenstündigen Kulturfestivals im Kulturbunker, Köln Mülheim, Berliner Str. 20, Festival von 16-23 Uhr.