Die Recherche des kanadischen Fernsehsenders wird den politischen Strudel, in den der Libanon in den letzten Monaten geraten ist, kaum beruhigen. Ganz und gar nicht…
Von Avi Issacharoff, Haaretz v. 23.11.10
Die Entscheidungsträger im Libanon (sofern es solche gibt außer der Hisbollah), die Medien, die Öffentlichkeit – alle beschäftigen sich ohne Unterlass mit den Prognosen zu den Absichten der Hisbollah für den Fall, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag beschließen sollte, Anklage gegen Mitglieder der Organisation wegen ihrer Involvierung in die Ermordung Rafik Hariris zu erheben. Es ist anzunehmen, dass die CBC-Reportage die politische Bedrängnis verschärft, in der sich die Hisbollah seit einigen Monaten angesichts der deutlichen Kritik an ihr im ganzen Land befindet.
Der Traum Nasrallahs, sich als Beschützer des Libanon zu präsentieren, schwindet mit der Zunahme veröffentlichter Indizien für die Verstrickung seiner Leute in den Mord dahin. Der bislang zentrale Beweis ist die Spur der Telefongeräte von acht Hisbollah-Mitgliedern (allem Anschein nach die Killer, die am 14. Februar 2005 die Höllenmaschine nahe dem Hotel St. George in die Luft sprengten), die sich zur Zeit des Mordes in der Umgebung aufhielten.
Eine der Möglichkeiten, für die sich die Hisbollah entscheiden könnte, um die Gemüter zu beruhigen zu versuchen, könnte eine Art Stellungnahme zur Anwesenheit ihrer Leute am Tatort sein, unter dem Vorwand der „Sicherheit des Staates“ – bspw. um Mossad-Agenten nachzuspüren. In dieser Phase sieht es jedoch so aus, also ob nicht einmal derartige Erklärungen der Organisation helfen könnten, ihren Namen von der Anschuldigung reinzuwaschen, die gegen sie erhoben und von keinem anderen als Nasrallah selbst offengelegt worden ist.
In der Zwischenzeit muss ein anderer Faktor Saad a-Din al-Hariri, den Sohn des Verstorbenen, um den Schlaf bringen. Einer seiner engsten Vertrauten, Wissam al-Hassan, der als Kommandant des libanesischen Geheimdienstes verantwortlich für die Sicherheit seines Vaters war, entpuppt sich als Hauptverdächtiger in der Affäre. Al-Hassan bot ein schwaches Alibi auf, über das er scheinbar nicht sonderlich tief nachdachte. Die Aufzeichnung der Gespräche, die er in den Monaten vor dem Attentat und danach mit dem engen Berater Nasrallahs, Hussein Chalil führte, können etwas über die so engen Beziehungen zwischen den libanesischen Sicherheitskräften und der Hisbollah lehren (innerhalb von 15 Monaten rief al-Hassan Chalil 279 Mal an).
Der UN-Bericht weckt den Verdacht, dass die Militärhilfe, die westliche Staaten und allen voran die USA der libanesischen Armee zukommen lassen, auf Umwegen der Hisbollah hilft. Auch die zahlreichen Verhaftungswellen im Kreis von Offiziellen der libanesischen Mobilfunkbetreiber wegen des Verdachts auf Spionage für Israel machen deutlich, wie eng die Zusammenarbeit zwischen dem libanesischen Geheimdienst und der Hisbollah geworden ist – wie es scheint gerade wegen der Ermordung Rafik al-Hariris und der Nachverfolgung der Mobilfunkbetreiber der Verdächtigen.
Ein für die Israelis vielleicht beruhigender Punkt liegt darin, dass klar wird, dass es Ungeschicklichkeiten nicht nur auf Seiten Israels gibt. Ein subalterner Hisbollah-Aktivist, der gebührenfrei mit seiner Verlobten telefonieren wollte, war es, der offensichtlich zur Aufdeckung des Killernetzwerks der Hisbollah geführt hat. Diese Aufdeckung wird aufgrund der Notwendigkeit, zu beweisen, dass sich die Geräte tatsächlich zur Tatzeit des Mordes in den Händen von Aktivisten der Organisation befanden (und nicht lediglich in ihrem Besitz), nicht mit Sicherheit zur Anklage gegen Hisbollah-Leute führen. Andererseits muss man einkalkulieren, dass die Verstrickung der schiitischen Organisation sie zu einer völlig anderen Reaktion veranlassen könnte: der Eröffnung einer weiteren Front mit Israel.