Antifaschistische Großveranstaltung in Budapest mit Eli Wiesel

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1979 gründete Pastor Sándor Németh in Budapest die kleine christliche Pfingstgemeinde „Versammlung der Gläubigen“ (Hit Gyülekezete), deren Motiv das fast totale Scheitern des ungarischen Christentums während der Zwischenkriegszeit und insbesondere 1944 nach der deutschen Besatzung war, als binnen sechs Wochen mehr als eine halbe Million jüdischer Ungarn mit tatkräftiger Hilfe der Administration unter Reichsverweser Horthy nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde…

Von Karl Pfeifer, Budapest

Das Kádárregime versuchte diese Gemeinde zu destruieren, die sich jedoch im Laufe der Jahre zur viert größten Glaubensgemeinschaft Ungarns entwickelte und sich immer wieder an die Seite der von Antisemiten angegriffenen Juden Ungarns stellt.

In der Budapester Halle der „Versammlung der Gläubigen“ empfingen am Tag der Menschenrechte stehend mit Beifall 10.000 – zumeist junge christliche Zuhörer – den Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger Eli Wiesel, nachdem dieser durch Schofarblasen angekündigt worden war. Die Veranstaltung wurde von der Wochenzeitung der Pfingstgemeinde hetek beispielhaft organisiert und vom ATV Fernsehsender live übertragen.

Dr. Peter Feldmajer, Präsident des Verbandes der jüdischen Gemeinden Ungarns begrüßte Wiesel mit einer kurzen Rede, in der er auf den mörderischen Rassismus in Ungarn und die antisemitischen Aggressionen aufmerksam machte. Er zitierte aus der Nobelpreisrede von Eli Wiesel: „Man muß Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten“ und las die letzten Zeilen des anlässlich des Budapest Besuchs 1937 geschriebenen Gedichts THOMAS MANN ZUM GRUSS von Attila József vor:

An der Menschheit Saat
frisst tödlich schrecklicher der Dschungelstaat.
Was hält die Zukunft noch in ihrem Schoss?
Wann bricht das Wolfsgeschmeiss gegen uns los?
Kocht schon das neue Gift, das uns entzweit? […]
Setz dich! Fang an! Lass uns dein Märchen hören!
Und manche-doch sie werden dich nicht stören-
schauen dich nur an. Sie wollten zu dir gehn,
den Europäer unter Weissen sehn…

Ich empfand es mehr als seltsam, dass bei dieser Gelegenheit der ehemalige israelische Tourismusminister Benny Elon das Wort ergreifen durfte. Während alle anderen Redner jeglichen Rassismus und insbesondere den gegen Roma verurteilten, tat diesem bekannten Rechtsextremisten lediglich der Antisemitismus weh.

Eli Wiesel bedankte sich bei den Zuhörern, die er Freunde Israels nannte und erklärte, noch nie war das Verhältnis zwischen Juden und Christen so gut, wie in unserer Zeit. Juden und Christen sind Alliierte, sagte der Nobelpreisträger, und erwähnte unter den gemeinsamen Feinden, den Rassismus, den Antisemitismus, den Faschismus und Bigotterie.

Juden und Christen erwarten das Kommen oder die Rückkehr des Messias, welche die einzige entsprechende Antwort auf den Holocaust sein wird. Das Publikum spendete Elie Wiesel stehend Beifall, für seine gedankenreiche, emotionale Rede.

Vor seiner Abreise gab Eli Wiesel der ATV-Fernsehstation ein Interview, in dem er seiner Sorge über die Stärkung der neonazistischen Bewegungen Ausdruck gab, weil er nicht sieht, dass die ungarische Gesellschaft, die Träger und Prediger des Hasses ausgrenzt. Dafür machte er Ungarns Präsidenten László Solyom und Zoltán Balog, führendes Mitglied der rechten Fideszopposition und Vorsitzender der Menschenrechtskommission des Ungarischen Parlaments verantwortlich.

“Ich fahre mit gemischten Gefühlen nachhause. Ich sah im Museum Bilder, wie junge Menschen dem Beispiel der alten Pfeilkreuzler folgend marschieren. Ich sah Kinder in Uniformen gekleidet. Es ist unannehmbar, dass man ungestraft das Denken und die Moral der Jugend vergiften kann. Es dürfte nicht gestattet sein, dass das Gesetz dies erlaubt“ – sagte Eli Wiesel. Es ist die Verantwortung der Intelligenz und der Politiker, dass den neonazistischen Bewegungen nicht erlaubt wird, Hass der Jugend zu predigen. Während seiner Begegnungen mit dem Ministerpräsidenten und dem Präsidenten Ungarns bat er, dass Ungarn die Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen bestrafe. Wiesel betonte, dass er nicht einverstanden ist, mit der Logik, auf Grund dessen Ungarns Präsident ein gegen die Hassreden gerichtetes Gesetz verhindert hat.

Eli Wiesel betonte, dass er im Parlament betroffen die Rede des Vorsitzenden der Menschenrechtskommission anhörte, der u.a. behauptete, es gäbe solche, die die Beschuldigung mit Antisemitismus als eine Wunderwaffe der politischen Kommunikation benützen.

“Was Zoltán Balog in meiner Anwesenheit sagte, das war beleidigend und unverzeihbar” und er setzte hinzu, die Politiker müssten es eindeutig machen, für neonazistische Bewegungen und eine neonazistische Partei gibt es keinen Platz in der ungarischen Gesellschaft.

Der Nobelpreisträger nannte die von hetek und ATV organisierte Großveranstaltung ein besonderes Erlebnis: “Ich nahm letzten Abend an einem großartigen Fest teil. Sehr viele Jugendliche kamen, um zuzuhören. Für mich war das ein Zeichen der Ermunterung.”