Vor den iranischen Präsidentschaftswahlen verstärkt auch die Opposition im In- und Ausland ihre Aktivitäten und versucht die Wahlen für ihre Zwecke zu nutzen, selbst wenn sie diese als Farce betrachtet…
Von Thomas Schmidinger
Jungle World 25 v. 18. Juni 2009
Der größte Teil der Bevölkerung im Iran ist jünger als 30 Jahre und wurde nach der Islamischen Revolution geboren. Jene Studierenden, die heute gegen die Regierung protestieren oder den Präsidentschaftskandidaten Mir-Hossein Mousavi unterstützen, ihn aber zugleich mit seiner repressiven Politik der achtziger Jahre konfrontieren, gehören einer völlig anderen Generation an, als jene, die die großen Studentproteste Ende der neunziger Jahre trugen. Während den Studentinnen und Studenten der späten Neunziger die Veränderungen des damaligen Reformpräsidenten Mohammed Khatami längst nicht weit genug gingen, wären viele der heutigen Studierenden bereits froh, wenn sie den Spielraum ihrer Vorgängergeneration hätten. Für viele von ihnen sind die anstehenden Wahlen deshalb selbst dann wichtig, wenn sie sich im Wahllokal nur zwischen zwei Übeln entscheiden können.
Im Frühling ist der Teheraner Universitätspark voll von Studenten, sie picknicken oder spielen Fußball. Auch junge Frauen lassen sich trotz der Sittenwächter nicht davon abhalten, mit Männern zusammenzusitzen. Hier ist man sich einig, dass ihre Situation unter Ahmedinejad schlimmer geworden ist. Den Wahlboykott von 2005 halten die meisten Studierenden von heute deshalb für einen Fehler.
Die Studentinnen und Studenten, die unter Khatami politisch aktiv waren, sind mittlerweile häufig im Exil. Roozbeh Farahanipour, Vorsitzender der 1998 von Studierenden und Intellektuellen gegründeten säkular-nationalistischen Oppositionspartei Marze Por Gohar (MPG), betrachtet die Wahlen wie viele Exiloppositionelle in den USA nicht als echte Wahlen, er spricht von »selections« statt »elections«. Dass sich der in Los Angeles lebende Exilpolitiker dennoch etwas von den Wahlen verspricht, liegt daran, dass sich seiner Meinung nach oppositionelle Iraner nicht einfach aus Begeisterung für die vier auf die Verfassung eingeschworenen Kandidaten in den aktuellen Wahlkampf einbringen. »Im Wahlkampf möchten die Oppositionellen so viel Freiheiten erkämpfen wie möglich«, erklärt Farahanipour der Jungle World.
Aber nicht alle Oppositionsgruppen streben einen demokratischen Iran an. Die Anschläge auf eine Moschee in Zahedan, einer Stadt nahe der afghanischen Grenze, sprechen eine völlig andere Sprache. Das Attentat, das am 28. Mai während einer schiitischen Feier 25 Menschenleben kostete, zielte wohl primär auf eine Destabilisierung der Region vor den Präsidentschaftswahlen. Im mehrheitlich von Sunniten bewohnten Südosten des Iran, durch den auch eine der Hauptrouten des Opiatehandels aus Afghanistan führt, haben sich in den letzten Jahren Gruppen sunnitischer Jihadisten etabliert, die mit Anschlägen gegen das schiitische Regime in Teheran vorgehen. Trotz Kontakten zu al-Qaida wurde die wichtigste dieser Gruppen, die sich vor kurzem von Jund Allah (Soldaten Gottes) in Peoples Resistant Movement of Iran (PRMI) umbenannt hatte, zumindest von der Regierung George W. Bush finanziell und logistisch unterstützt. Der Führer der Gruppierung, Abdel Raouf Rigi, übernahm auch für den jüngsten Anschlag in Zahedan die Verantwortung. Bereits länger vermutete Verbindungen der sunnitischen Extremisten mit der Mujahedin-e Khalq (MEK), den sogannten Volksmujahedin, wurden kürzlich von Rigi selbst eingestanden.
Auch die MEK, die erst im Januar 2008 von der EU-Terrorliste gestrichen wurde, versucht die Wahlen im Iran zu stören. Die Organisation, die einst in der islamischen Arbeiterklasse verankert war und militanten Islamismus mit militantem Antiimperialismus verband, später aber aufgrund ihrer Unterstützung Saddam Husseins im irakisch-iranischen Krieg im Iran an Unterstützung verlor, erklärt die Präsidentschaftswahlen zu einem »Wendepunkt in der Eskalation der regimeinternen Auseinandersetzungen«. Maryam Rajavi, die die Organisation seit dem »Verschwinden« ihres Mannes führt und sich im Rahmen eines bizarren Personenkultes inszeniert, freut sich schon auf die »Selbstzerstörung« des Regimes. Ihrer Anhängerschaft – die derzeit ohnehin überwiegend in Camp Ashraf im Irak festsitzt – ließ sie wissen, dass jeder, der zur Wahl gehe, unter den katastrophalen Konsequenzen der Wahlen zu leiden habe.
Darin sind sich die Volksmujahedin mit ihren einst erbittertsten Feinden einig, den Anhängern der durch die islamische Revolution gestürzten Monarchie. Diese meinen noch immer, Reza Pahlevi, der im US-Exil lebende Thronfolger, habe Anspruch auf die Rückkehr auf den Thron seines 1979 gestürzten Vaters. Auch der Monarch im Exil erklärte Anfang Mai bei einer Rede an der University of California, die Wahlen im Iran entsprächen keinen demokratischen Standards.
Unabhängig von ihren ideologischen Unterschieden ist den Exiloppositionellen gemeinsam, dass sie im Land selbst kaum mehr relevant sind. Während die kulturellen Produkte aus dem US-Exil – vor allem Musikkassetten aus Los Angeles – durchaus im Lande geschätzt werden, finden die politischen Zurufe aus dem Exil auch bei Inlandsoppositionellen kaum Widerhall. Im Iran sind vor allem jene wichtig, denen es gelungen ist, im Land aktiv zu bleiben: Die sich erneuernde Studentenbewegung, im Untergrund aktive Organisationen der Arbeiter sowie separatistische oder autonomistische Organisationen der ethnischen Minderheiten.
So wurde auch dieses Jahr trotz Demonstrationsverboten der erste Mai mit Demonstrationen begangen. In Sanandaj, der Hauptstadt der Provinz Kurdistan, versammelten sich Arbeiterinnen und Arbeiter im Amiriyeh-Park zu einer verbotenen Demonstration, die nach einer Viertelstunde von den Behörden aufgelöst wurde. Aber auch in der Hauptstadt Teheran kam es zu Demonstrationen der iranischen Linken, die sich im Laleh-Park versammelte. Ein großes Polizeiaufgebot versuchte nicht nur die Versammlung im Park zu verhindern, sondern wurde bereits präventiv vor Fabriken und dem bereits mehrfach bestreikten Busunternehmen Vahed postiert. Trotz des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte zeigte dieser erste Mai ein deutliches Lebenszeichen der iranischen Arbeiterbewegung.
Auch die Tudeh-Partei, die bis zum Ende der Sowjetunion die moskautreue kommunistische Partei des Iran darstellte, fokussiert in ihren jüngsten Erklärungen die sich verschärfenden sozialen Gegensätze im Iran. In ihrem Parteiorgan Nameh Mardom hält sie fest, dass die Vertiefung der Klassengegensätze direkt mit Spekulationen und unproduktiver Ökonomie zu tun habe, die seit der Machtübernahme Ahmadinejads massiv zugenommen habe. Entgegen der Selbstinszenierung Ahmadinejads als Anwalt der Armen wirft ihm die linke Opposition einen »islamischen Neoliberalismus« zugunsten reich gewordener Mullahs vor.
Während liberale Oppositionelle aus den Oberschichten im Norden Teherans primär um ihre persönlichen Freiheiten kämpfen, befassen sich die linken Gruppierungen mit der immer schwierigeren Lebenssituation der Unterschicht. Diese war es auch, die Ahmadinejad 2005 zum Wahlsieg verholfen hatten. Die wohlhabenden Liberalen machen nicht die Mehrheit der WählerInnen aus. Insofern wird für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen auch relevant sein, ob sich die oppositionellen Arbeiter dazu entschließen wählen zu gehen oder ob sie die Wahlen boykottieren. Mir-Hossein Mousavi, der chancenreichste Herausforderer Ahmadinejads, gilt nicht unbedingt als Vertreter armer Leute. Daher bleibt vor allem abzuwarten, wie sich die unteren Bevölkerungsschichten entscheiden.
Es ist bezeichnend, daß diverse Israel“kritiker“ sich sonst sofort mit immer der gleichen Hetze zu Wort melden, wenn es um das Thema Iran geht, schweigen sie wie üblich. Typische Doppelmoral.
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Ich wünsche dem iranischen Volk, daß es bald schaffen wird, dieses Mullahregime zu vertreiben.
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