Juden in der Welt: Malta

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Im 19. Jahrhundert machte sich eine gewisse Einwanderungsbewegung bemerkbar. Nach der Volkszählung von 1911 gab es in Sizilien über 1000 jüdische Einwohner…

Aus der Serie über die „Inseln des Mittelmeers„, aus Mark Wischnitzers „Die Juden in der Welt

Katakombenfunde sichern das Vorhandensein von Juden im Zeitalter des römischen Kaisertums und bis ins späte Mittelalter. Sie kamen wohl aus Alexandrien nach dieser wichtigen Handelsstation auf dem Wege nach Italien. Aus der arabischen Epoche behielten die Juden die Bezeichnung „Aljama“ für Gemeinde und „Meschita“ für Synagoge. Ihre Zahl stieg unter der Dynastie derer von Anjou. 124o waren es 26 jüdische Familien neben 47 christlichen in einer vorwiegend mohammedanischen Bevölkerung. Einige Familien wohnten auf der Nachbarinsel Gozzo. Die kleine Insel Gonino, jetzt nur ein kahler Felsen zwischen Malta und Gozzo, spielt in der jüdischen Siedlungsgeschichte insofern nur eine Rolle, als der Pseudomessias Abraham Abulafia, den die Malteser Juden ablehnten, dort eine nicht gerade freiwillige Zuflucht fand. Abgesehen vom Apostel Paulus war Abulafia der erste Jude, dessen Name im Zusammenhang mit Malta überliefert ist.

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Die Malteser Juden boten eine eigentümliche Mischung aus sizilianischen, sardinischen und spanischen Elementen. Man begegnet unter ihnen Trägern von arabischen Namen und einer Gruppe der Inglisi — wohl Nachkommen der 1290 aus England Vertriebenen. Manche unter ihnen mögen von schiffbrüchigen Palästinapilgern abstammen.

Im Jahre 1492 hatte Malta eine jüdische Einwohnerschaft von 5oo Seelen, Gozzo von nahezu 35o. Der Königliche Rat würdigte die kolonisatorische Bedeutung der Juden und hegte Bedenken gegen die Anwendung der Ausweisungsmaßnahme. Die Berufsgliederung der Juden wies eine erfreuliche Mannigfaltigkeit auf. Händlern gesellten sich Gewerbetreibende und Landbesitzer zu. Neben Ärzten gab es auch Barbiere und sogar einen Gehilfen des königlichen Falkoniers. Die Ausführung des Vertreibungsediktes wurde bis 1493 aufgeschoben. Die Juden zogen nach den Inseln der Levante, nach Nordafrika, vornehmlich aber nach der Türkei. Dem Familiennamen Malti begegnet man auf vielen Inseln und in den Städten des Balkans. In Sofia bestand lange Zeit eine maltesische Landsmannschaft mit eigenem Bethaus.

Im Jahre 153o wurde Malta von Kaiser Karl V. dem Johanniterorden übertragen. In seinem Kampf für die Christenheit schreckte der Orden nicht vor Piraterie zurück. Mit den ungläubigen Türken wurden auch Juden gekapert und als Sklaven nach Malta verschleppt. Josef haKohen schildert in seiner Chronik „Emek haBachah“, wie die Johanniter auf Schiffen von Rhodos nach Malta fahren, um Beute zu machen, wie ein Schiff aus Saloniki gekapert wird, auf dem sich ungefähr 70 Juden befinden. Die Gefangenen müssen ihre Angehörigen in Bewegung setzen, um durch Lösegelder freizukommen. Eine Mittelmeerreise ist für den nichtchristlichen Passagier eine gefährliche Sache. Unter Todesgefahr schiffen sich Juden aus dem Kirchenstaat ein, den sie verlassen müssen, weil sie der Papst Pius V. nicht duldet. Unterwegs werden sie von Malteser Mönchen überfallen. Die Überlebenden verschmachten in Gefängnissen.

Hundert Jahre später (1663) besuchte der englische Forschungsreisende Philip Skippon die Insel. Er sah das Gefängnis, sah den Sklavenmarkt. Die jüdischen Sklaven trugen einen gelben Tuchfleck auf ihren Hüten. Skippon erwähnt den Fall eines Juden, der nach einjähriger Gefangenschaft für einen Betrag von 4oo Skudi verkauft wurde. „Der Gefangene besaß einen Paß der venezianischen Regierung und glaubte sich frei. Wie er in Notwehr dem Manne, der ihn gekauft hatte, einen Schlag versetzte, legte man ihm Fußschellen an und rasierte ihm Haupt- und Barthaar. Er wurde ins Gefängnis abgeführt und erhielt 5o Peitschenhiebe.“

Die Nachricht von den Leiden der Gefangenen auf Malta drang überall zu den jüdischen Gemeinden. Lösegelder wurden gesammelt, eine „Gesellschaft zur Auslösung der in Malta gefangenen Juden“ wurde gegründet. Die Verbindung mit den Sklaven wurde durch venezianische Kaufleute christlichen Glaubens aufrechterhalten. Besondere Agenten führten die Verhandlungen, vermittelten die Gelder, bemühten sich um die Darbenden. Im Laufe der Zeit bildete sich eine Sklavengemeinde mit Synagoge und Friedhof. Die kirchlichen Behörden verwendeten sich gelegentlich für die Berücksichtigung der Sabbatruhe und der Feiertage seitens der Sklavenbesitzer. Eigentümlich war die Organisation der Sklavengemeinde, der der christliche Agent der venezianischen Gesellschaft vorstand. An Feiertagen verteilte er Gaben unter die Sklaven, er war es, der ihnen einen Betsaal einrichtete sowie einen Ofen für das Backen der Mazzoth. Die venezianische Gesellschaft versah die Gefangenen mit einer Thorarolle. „An die Gemeinde der leidenden Gefangenen der Insel Malta. Mag der Herr sie herausführen aus der Not zur Freiheit. Amen. So sei Sein Wille“ — mit diesen Worten begannen die Schreiben der Gesellschaft an die Malteser Judengemeinde.

Unter den Sklaven hatten manche geistige Interessen. Mose Azulai zum Beispiel schrieb nach Venedig, man möchte ihm hebräische Bücher schicken. Die venezianischen Juden ließen ihm einen Midrasch und einen hebräischen Kalender zukommen.

Die Sklaven ertrugen ihr Los standhaft. Nur wenige entzogen sich den Qualen durch Taufe. Im Jahre 1798 hörte die Herrschaft des Ordens auf Malta auf, und die Sklavengemeinde, die einzige in ihrer Art, über die Cecil Roth eine aufschlußreiche Studie (The Jews of Malta, in Transactions of The Jewish Historical Society of England; Bd. XII) veröffentlicht hat, wurde aufgelöst.

Es lebten auf Malta auch freie Juden in geringer Zahl. 1800, als die Insel unter englische Oberhoheit kam, entstand eine neue Gemeinde. Sir Moses Montefiore fand auf seiner Reise nach Jerusalem 1838 auf Malta nur sechs Familien vor. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Bedeutung der Insel infolge der Eröffnung des Suezkanals. Sie erhielt einigen Zuzug von Juden. Heute leben sie dort in nur geringer Zahl.

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Siehe auch: Die jüdische Gemeinde in Malta heute
wikipedia.org/wiki/Malta
heritagemalta.org
jewsofmalta-synagogue

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