Rüstungszentrum Parchin: Iraner sollen sich selbst kontrollieren

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Noch am gleichen Tag, an dem die Wiener Verhandlungen zwischen den P5+1 Staaten, der EU und dem Iran abgeschlossen wurden, pries der Präsident der USA den Atomdeal: „It’s not based on trust, it’s based on verification“. Beispiellose, nie zuvor gekannte Inspektionen würden garantieren, dass der Iran die vereinbarten Reduktionen seines Atomprogramms einhält…

Von Detlef zum Winkel

Das gelte, so Obama, nicht nur für die schon bekannten Nuklearanlagen des Landes, sondern für alle Einrichtungen, bei denen es einen konkret begründeten Verdacht auf heimliche Aktivitäten zur Entwicklung einer Atombombe gibt. Auch der deutsche Außenminister Steinmeier bediente sich dieser Argumentation. Die vereinbarten Kontrollen würden jedes erdenkliche Schlupfloch schließen.

Fünf Wochen später lässt eine Veröffentlichung der Nachrichtenagentur Associated Press solche pompösen Ankündigungen wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. ((http://bigstory.ap.org/article/a9f4e40803924a8ab4c61cb65b2b2bb3/ap-exclusive-un-let-iran-inspect-alleged-nuke-work-site)) Der Wiener Korrspondent von ap, George Jahn, berichtet, er habe Einsicht in ein vertrauliches Dokument der Internationalen Atomenergie Agentur nehmen können. Neben dem Joint Comprehensive Plan of Action zwischen den P5+1, der EU und dem Iran gebe es Vereinbarungen zwischen der IAEA und dem Nationalen Sicherheitsrat des Iran. Darin sei geregelt, wie die militärische Einrichtung Parchin in der Nähe von Teheran inspiziert werden soll: autorisierte iranische Inspektoren würden für die IAEA das Gelände fotografieren. Innerhalb eines umstrittenen Gebäudes würden sie sieben Materialproben für anschließende Laboruntersuchungen in Wien entnehmen, außerhalb desselben zwei Bodenproben. Auf einem eintägigen workshop sollen die Ergebnisse erörtert werden. Anschließend würden der Generaldirektor der IAEA, Yukiya Amano, und der Chef der Inspektoren eine Einladung in den Iran (nach Parchin?) erhalten.

Jahn schränkte ein, er verfüge nicht über eine Kopie des unterschriebenen Dokuments, sondern nur über eine Abschrift eines Entwurfs. IAEA-Offizielle hätten ihm allerdings bestätigt, dass sich die finale Version nur unwesentlich davon unterscheide. In den USA folgte ein heftiger Schlagabtausch. Medien, die den Demokraten nahestehen, fragten höhnisch, ob Netanyahu am anderen Ende der Leitung gewesen sei, als der Text telefonisch an Jahn durchgegeben wurde. Mithilfe solcher Fälschungen habe George Bush vor 12 Jahren den Irak-Krieg begonnen. Auf Seiten der Opposition kritisierten Sprecher der Republikaner den ihrer Ansicht nach unmöglichen Zustand, dass der Kongress auf Pressemeldungen angewiesen sei, statt von der Regierung Einsicht in die Dokumente zu erhalten. In Deutschland spottete Die Welt über „freiwillige Selbstkontrolle für Irans Atomwaffen“ ((http://www.welt.de/politik/ausland/article145479449/Freiwillige-Selbstkontrolle-fuer-Irans-Atomwaffen.html)). In Israel fragte Energieminister Steinitz sarkastisch, ob iranische Inspektoren auch 24 Tage warten müssten, bevor sie eine „Kontrolle“ durchführen können. Das ist die Frist, die der Joint Plan of Action im Streitfall vorsieht.

Hat Associated Press eine Fälschung in Umlauf gebracht? Die US-Administration vermied diese Behauptung. Außenminister Kerry räumte die Existenz der Abmachung ein, erklärte aber, ihren Wortlaut nicht zu kennen. Es handele sich nicht um eine Geheimabsprache, sondern um ein Routineabkommen, wie es die IAEA mit allen ihren Mitgliedsländern abschließt, um die technischen Details von Inspektionen zu regeln. Yukiya Amano äußerte Betroffenheit über die „irreführenden“ Pressemeldungen; die IAEA werde „robuste Inspektionen“ des iranischen Atomprogramms durchführen. Veröffentlichen könne er die Abmachung aber nicht. Das ist kein wirkliches Dementi. Die iranische Behörde für Atomenergie wandte sich gegen „Spekulationen“ über die Parchin-Kontrollen, sagte aber ebenfalls nichts darüber, ob die Spekulationen richtig oder falsch sind.

Bei dieser Lage der Dinge darf man getrost davon ausgehen, dass George Jahn der Wahrheit ziemlich dicht auf den Fersen ist. Die IAEA wird Parchin nicht nach ihren Standards kontrollieren können. Khamenei hat seine „rote Linie“ – ein Zugang zu Militäranlagen wird nicht erlaubt – durchgesetzt. Man ist also geneigt zu schlussfolgern, dass wir nie erfahren werden, was sich in Parchin vor Jahren zugetragen hat. Doch das wäre eine oberflächliche Schlussfolgerung. Der Verdacht gegen Parchin begründet sich nicht aus dem Einsatz der Standardmittel der IAEA, Satellitenfotos und Bodenproben. Er beruht vielmehr auf Erkenntnissen über die Tätigkeit ausländischer Spezialisten im iranischen Atomprogramm.

Dabei geht es besonders um einen Russen ukrainischer Abstammung, der drei Jahrzehnte in Tscheljabinsk (südlicher Ural) für das sowjetische Atombombenprogramm gearbeitet hatte, in den neunziger Jahren arbeitslos wurde und von 1996 bis 2002 in iranischen Diensten stand. ((http://isis-online.org/isis-reports/detail/irans-work-and-foreign-assistance-on-a-multipoint-initiation-system-for-a-n)) Dort soll Vyacheslav Danilenko Vorlesungen über komplizierte Sprengtechniken gehalten haben, mit deren Hilfe man winzige künstliche Nanodiamanten herstellt, die sogenannte Detonationssynthese. Angeheuert wurde er von Seyed Abbas Shahmoradi, damals Direktor eines Teheraner Forschungsinstituts für Physik, das aus dem Verteidigungsetat finanziert wurde. Über Shahmoradis Vorliebe für Nanodiamanten ist nichts weiter bekannt. Dass er sich für Danilenkos Kenntnisse über Sprengladungen interessierte, die in einem Hohlraum gleichzeitig implodieren und dadurch gewaltige Drücke erzeugen, kann als sicher unterstellt werden. Solche Experten wurden auch in Los Alamos beschäftigt. Die Schockwellen in Folge der Implosion einer Hohlladung braucht man für die Zündung von Nuklearwaffen.

Aus diesem Kontext stammt die Information, dass man mit Hohlraumladungen in einem Container auf dem Gelände von Parchin experimentiert hat. Alles Lüge, alles Fälschungen des israelischen Mossad, schreibt Gareth Porter hierzu, ein preisgekrönter investigativer Journalist, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Iran gegen ungerechte Anschuldigungen in Schutz zu nehmen (http://irananders.de/nachricht/detail/717.html). Porter glaubt zu wissen, dass der fragliche Container von Parchin zu nichts anderem als zur Entwicklung von Nanodiamanten gedient hat. Warum dann auf einem Militärgelände? Und warum machen sich deswegen heute noch alle in die Hose?

Indem der Iran die Aufklärung der „possible military dimensions“ (PMD) seines Atomprogramms konstant verweigert, beantwortet er die offenen Fragen deutlich genug. Ja, es hat Experimente mit der Zündtechnik von Atombomben gegeben. Ja, sie haben in Parchin stattgefunden. Ja, zu diesem Zweck wurden ausländische Experten engagiert. Deutlichere Antworten wird man zu einem Atomprogramm, bei dem bekanntlich immer alles ultrageheim ist, sowieso nicht erhalten.

Werden sich nun ein paar Bundestagsabgeordnete finden, die es für nötig halten, vielleicht doch im Parlament darüber zu reden, was die deutsche Außen- und Außenwirtschaftspolitik mit dem Iran anstellt? Welche Abkommen die Bundesregierung unterzeichnet und welche abenteuerlichen Begründungen sie dafür liefert? Die Prognose ist negativ. Lieber verzichtet die deutsche Iran-Politik auf eine parlamentarische Legitimation.