Wie lebt frau als orthodoxe Lesbe in einem konservativ-jüdischen Umfeld? Was hat die Kunst des Sumo Ringens in der israelischen Stadt Ramle zu suchen? Und warum ist es selbst säkularen Israelis wichtig, dass ihr Staat jüdisch bleibt? Auf den Israel-Tagen im Münchner Gasteig vom 22. Juni bis zum 12. Juli werden diese Fragen beantwortet…
Nachdem in den vergangenen Jahren die „Palästina-Tage“ Anti-Israel-Polemikern eine Bühne boten, freuen sich die Initiatoren der „Israel-Tage“ auf unterhaltsame Abende und kontroverse Diskussionen. Sie haben prominente Gäste aus Israel eingeladen; moderiert werden die Events von Münchner Medienmachern und dem Bundestagsabgeordneten Florian Post.
So, 22.06.2014, 19:00 bis 22:00 Uhr
Anders leben und lieben im Nahen Osten:
Geschichte, Gegenwart und Perspektive einer sexuellen Revolution
Vor etwa dreißig Jahren erstarkte in Israel die Schwulen- und Lesbenbewegung (Lesbians, Gays, Bisexuals und Transgender, kurz LGBT). Gegen erhebliche Widerstände setzte sie in den Folgejahren ihre Interessen durch.
Heute hat sich Tel Aviv mit seinen vielfältigen Angeboten und Massenevents für Homosexuelle zu einem Dorado der internationalen Szene entwickelt. Doch auch im aufgeschlossenen Israel gibt es noch Hindernisse für Menschen mit nonkonformen sexuellen Identitätskonzepten. Und jenseits der israelischen Grenz- und Sicherheitszäune sehen sich Homosexuelle mit zunehmend fundamentalistischen und radikalen Gesellschaftsordnungen konfrontiert.
Der Vortrag von Adir Steiner und Zoharit Shorek zur Geschichte und Situation der LGBT-Bewegung in Israel wird durch Ausschnitte der Dokumentation „Gay Days“ (2009) veranschaulicht.
Adir Steiner (45) ist Pionier der LGBT- Bewegung in Israel und organisierte unter anderem 1999 die erste offizielle Gay Pride Parade in Tel Aviv und koordiniert diese bis heute.
Zoharit Shorek (37), Geschichtswissenschaftlerin und Archäologin, gründete 2009 in Tel Aviv den Pride Minyan, eine orthodoxe Gebetsgruppe für lesbische Frauen. Darüber hinaus ist sie ein aktives Mitglied von „Bat Kol“, einer Organisation, die für die Rechte religiöser Lesben eintritt.
Mi, 25.06.14, 19:00 – 22:00 Uhr
Sumo-Ringer im Heiligen Land
„Warum gibt’s in Israel eigentlich keine Sumo-Ringer?“, fragt der 155 Kilo schwere Herzl aus dem israelischen Städtchen Ramle. „Weil es in Israel keine fetten Menschen gibt“, hört er. Herzl selbst ist allerdings mit seiner Körperfülle der lebende Gegenbeweis. Nachdem er seinen Job als Koch verloren hat, fängt er als Tellerwäscher in einem japanischen Restaurant an. Dort lernt er die Welt des Sumo kennen – der Inhaber des Restaurants war früher Sumo-Trainer in Japan und musste außer Landes fliehen, nachdem er Schwierigkeiten mit der japanischen Mafia bekommen hatte. Der Kampfsport öffnet Herzl und seinen drei Oversize-Freunden die Augen für die Vorzüge eines gewichtigen Körpers.
Verführung einer sagenhaften Dokumentation in Anwesenheit des Regisseurs
Moderation: Ronen Steinke, Ressort Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung
Sharon Maimon kommt aus Ramle, dem Ort der Handlung. Er besuchte die „Camera Obscura“ Filmschule in Tel Aviv. Heute arbeitet er als als Regisseur und Drehbuchautor.
So, 06.07.14, 15:30 – 17:45 Uhr
Israel – auf alle Tage ein jüdischer Staat?
Israel ist als Jüdischer Staat anzuerkennen. So lautet die Forderung der israelischen Regierung. Die überwiegende Mehrheit der israelischen Parteien – von links bis rechts, von religiös bis säkular – unterstützt diese Forderung. Die Fatah-Partei, die hinter der palästinensischen Autonomiebehörde steht, lehnt den Begriff „Jüdischer Staat“ dagegen ab. Aber was ist mit „Jüdischer Staat“ überhaupt gemeint? Ist es ein Staat nach vatikanischem Vorbild – mit israelischen Soldaten anstelle der Schweizer Garde? Sind Torah-Sittenwächter im Stile der islamischen Religionspolizei zu erwarten? Oder sollen Nicht-Juden zukünftig nichts mehr zu sagen haben?
Die Politikwissenschaftlerin und frühere Knesset-Abgeordnete Einat Wilf stellt sich hinter die Forderung der israelischen Regierung. Sie legt dar, warum es im Interesse aller Menschen zwischen Mittelmeer und Jordan – also auch der Araber – ist, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen.
Moderation: Florian Post, Mitglied des Bundestages (SPD)
Einat Wilf (44) ist Politikwissenschaftlerin und war von 2010 bis 2013 Abgeodnete für die Arbeits- sowie die Unabhängigkeitspartei im israelischen Parlament.
Im Anschluss: 18:00 – 21:00 Uhr
Wie viel Wahrheit ist möglich? Der Nahost-Konflikt zwischen Propaganda, Mythen und Fakten
Nirgendwo wird so erbittert um die Interpretation der Geschichte gefochten, um Mythen, Identität und Moral gerungen wie im Nahen Osten – zwischen Juden und Arabern, zwischen Arabern und Arabern, zwischen Juden und Juden. Die internationalen Medien zeichnen oft ein grotesk verzerrtes Bild der Situation vor Ort. Ein Beispiel ist Jenin, ein Flüchtlingslager im Westjordanland, das 2002 zum Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen wurde. Nach einem Attentat der Hamas in Netanya mit 30 Todesopfern und 140 Verletzten rückte die israelische Armee IDF in Jenin ein. Die israelische Regierung ging davon aus, dass Jenin Terroristen als Basis für viele Anschläge gedient hatte. Teile des Lagers wurden abgerissen, bei Kämpfen kam es zu mindestens 75 Todesopfern unter Soldaten und Bewohnern.
Das Vorgehen der Armee wurde sehr unterschiedlich dargestellt: Arabische Stimmen sprachen von einem „Massaker“. Der Film „Jenin, Jenin“ des arabischen Israelis Mohammed Bakri gab Menschen im Flüchtlingslager eine Stimme, die schwere Vorwürfe gegen Israel erhoben. Eine einstweilige Verfügung stoppte den Film in Israel; sie wurde vom Obersten Gerichtshof aber wieder aufgehoben. Die Begründung: Der Umstand, dass ein Film Falschaussagen beinhalte, rechtfertige keine Zensur. Der Film „Jenin, the true story“, von der israelischen Armee auf Drängen der beteiligten Einheit in Auftrag gegeben, lässt dagegen die Soldaten zu Wort kommen. Der Regisseur dieses Films, Michael Yochai, diskutiert anhand der beiden Filme mit dem Publikum über die unterschiedlichen Sichtweisen.
Moderation: Klaus Rimpel, Ressortleiter Politik Münchner tz
Michael Yochai ist Politikwissenschaftler und war zwischen 1993 und 2004 Chef der Film- und Fotoabteilung im Pressesprecher-Stab der israelischen Armee.
Sa, 12.07.14 16:00 – 18:45 Uhr
Geächtet, vertrieben, verfolgt: Das Schicksal der Christen im Nahen Osten seit 1990
Verbrannte Kirchen in Ägypten, zerstörte christliche Dörfer in Syrien: In der breiten deutschen Öffentlichkeit wird das Schicksal der Christen im Nahen und Mittleren Osten kaum wahrgenommen. Früher wurden Christen als sogenannte „Dhimmis“, als andersgläubige Minderheiten, in der islamischen Gesellschaft geduldet. Heute bröckelt dieser Status mehr und mehr. Seit den 1990er Jahren verlassen immer mehr arabische Christen Jerusalem und die West Bank. Meist sind sie gut ausgebildet und können sich in den Vereinigten Staaten oder in Europa ein neues Leben aufbauen. Die Zurückbleibenden aber haben Mühe, ihre kulturelle Identität zu wahren.
Besonders schwierig ist die Lage der Christen in Syrien. Dort sind zehn Prozent der Bürger Christen. Machthaber Assad ließ Kirchen bauen – was die Christen in den Augen vieler Regimegegner als Helfershelfer des autoritären Machthabers erscheinen lässt. Unter den Rebellen sind viele Befürworter der Scharia, des strengen islamischen Rechtssystems mit drakonischen Strafen für alle, die nicht-islamische Religionen ausüben.
Der evangelische Theologe und Judaist Ulrich Sahm berichtet über die Lage der Christen im Nahen Osten.
Moderation: Daniel Targownik, Dokumentarfilmer, war unter anderem Produktionsleiter des ARD-Studios in Tel Aviv.
Ulrich Sahm (64) studierte evangelische Theologie, Judaistik und Linguistik und arbeitet als Journalist in Jerusalem.
Im Anschluss: 18:30 – 22:00 Uhr
Israel – Störenfried in Nahost?
Obwohl tausende von Kilometern von uns entfernt, spielt Israel – verglichen mit anderen Ländern – eine große Rolle in unseren Medien. Die quälenden Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Palästinensern lassen viele Menschen den Kopf über die beteiligten Politiker schütteln. Dabei erscheint Israel oftmals als der Aggressor, als ein bis zu den Zähne bewaffneter Staat, der wehrlose Palästinenser unterdrückt.
Flankiert wird dieses Bild von der Beschreibung eines allmächtigen jüdischen Netzwerks, das Wählerstimmen und Millionen mobilisiert, um Druck auf die Politik auszuüben. Doch wie groß ist der Einßuss jüdischer Organisationen wirklich? Und wird dabei das Gewicht anderer Interessen nicht teilweise ausgeblendet?
Tilman Tarach wirft einen kritischen Blick auf die Rolle Israels im Nahen Osten, auf die Verantwortlichen und auf gängige Klischees in der Berichterstattung.
Moderation: Georg Thanscheidt, Vize-Chefredakteur der Abendzeitung
Der Jurist Tilman Tarach lebt in Berlin und hat sich als Autor des Buches „Der ewige Sündenbock“ einen Namen gemacht. Seine Artikel erschienen unter anderem in „Konkret“, „Jüdische Allgemeine“ und „Jerusalem Post“.
__________________________________________
Veranstaltungsort: Gasteig München, Vortragssaal der Bibliothek, Rosenheimer Straße 5, 81667 München
Eintritt: Je Veranstaltung 10 Euro, ermäßigt 8 Euro
Eine Veranstaltungsreihe der Initiative Jachad: Zur Förderung des Engagements gegen Antisemitismus
Die Israeltage werden gefördert durch: die Rosa Luxemburg Stiftung Bayern, die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern, das Israelische Generalkonsulat und das Kulturreferat der Stadt München
Unterstützt von: Deutsch-Israelische Gesellschaft Arbeitsgemeinschaft München