Wo heute normalerweise der Würzburger Wochenmarkt und im Dezember der Weihnachtsmarkt stattfindet, befand sich im Mittelalter das Jüdische Viertel von Würzburg mit Synagoge, Schule, Wohnhäusern und auch einem eigenen jüdischen Friedhof. An diese Vergangenheit des Würzburger Marktplatzes erinnert seit Anfang Dezember 2019 eine Gedenkstele „Vom Judenplatz zum Marktplatz“…
Von Israel Schwierz
Am heutigen Marktplatz befand sich im Mittelalter das jüdische Viertel, das man über die Schustergasse und den Schmalzmarkt – die sogenannten Judengassen – erreichte. Der Markt fand damals zwischen Dom und Mainbrücke statt. Die Juden lebten hier nicht in einem Ghetto, sondern in direkter Nachbarschaft mit Christen. Sie gehörten allerdings nicht der Bürgerschaft an, sondern standen als besondere Gruppe unter dem Schutz von Kaiser und Bischof.
Das 13. Jahrhundert gilt als die Blütezeit der jüdischen Gemeinde in Würzburg. Es gab einen großen Friedhof in der Pleicher Vorstadt, mindestens zwei Synagogen, ein Lehrhaus, ein Hospiz und ein Gästehaus. Neben wachsendem Wohlstand erlangte die Gemeinde Geltung unter den Juden schaften in Mitteleuropa. Hier verkehrten international hoch angesehene Rabbiner, die Würzburger Juden galten als sehr gebildet.
Doch schon bald gerieten sie in den Machtkampf zwischen Bischof und Bürgern. Gleichzeitig kamen in ganz Europa abergläubische Vorurteile gegen Juden auf. Man warf ihnen Hostienfrevel und Ritualmord vor. Beim sogenannten Rintfleisch-Pogrom, das vom nahen Taubertal ausging, wurden nach einer hebräischen Quelle im Juli 1298 allein in Würzburg 841 Juden ermordet. Die jüdische Gemeinde war damit fast ausgelöscht. Nur zögernd wuchs die Gemeinde später wieder an.
Als die Pest in Europa ausbrach, wurden vielerorts Juden grundlos beschuldigt, Quellen und Brunnen vergiftet und so die verheerende Krankheit verursacht zu haben. Das veranlasste die Bewohner und Räte zahlreicher Städte, die in ihrer Mitte wohnenden Juden schon vor dem Eintreffen der Pest umzubringen –so auch 1349 in Würzburg. Erst nach 1400 bildete sich hier wieder eine kleine jüdische Gemeinde, die aber nicht mehr die frühere Bedeutung erlangte.
An der Stelle der zerstörten Hauptsynagoge wurde ab 1377 die Marienkapelle erbaut. Sie galt als sichtbares Zeichen für den „Sieg“ der christlichen Kirche – personifiziert in Maria –über die jüdische Religion. Ähnliches geschah damals auch in Bamberg, Nürnberg und Regensburg.
Auf dem jüdischen Friedhof errichtete Fürstbischof Julius Echter ab 1576 das Juliusspital. Die Grabsteine hatte man größtenteils schon vorher entfernt und als Baumaterial verwendet. Ein Teil dieser Steine mit hebräischer Inschrift wurde 1987 bei Abbrucharbeiten im Stadtteil Pleich wieder entdeckt. 1455 Steine und Steinfragmente konnten geborgen werden. Dieser sensationelle Fund – die größte Hinterlassenschaft aus einem mittelalterlichen Judenfriedhof weltweit – liegt heute als symbolisches Fundament in einem Depot unterhalb des jüdischen Gemeinde- und Kulturzentrums „Shalom Europa“ in der Valentin-Becker-Straße. „Shalom Europa“ wurde 2006 eröffnet und steht für die Erneuerung jüdischen Lebens in der Region und darüber hinaus.
Die Stele wurde vom Würzburger Gästeführerverein initiiert und gemeinsam mit dem Fachbereich Planen der Stadt Würzburg finanziert. Eingeweiht wurde sie von Oberbürgermeister Christian Schuchardt zusammen mit dem Team der Gästeführer, Rotraud Ries vom Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken, Kathrin Jacobs vom Fachbereich Kultur spwie Axel Metz vom Stadtarchiv.
Auf Deutsch und Englisch vermittelt die Stele den Würzburger Bürgern wie auch die Gästen , dass sich in früheren Jahrhunderten rund um den Marktplatz das Zentrum der Würzburger Juden befunden hat. Nach dem letzten großen Pogrom gegen die Juden 1349 wurde die Synagoge niedergebrannt und alle jüdischen Einwohner vertrieben oder ermordet. An der Stelle der zerstörten Synagoge haben die Bürger ab 1377 die Marienkapelle errichtet. Die Gedenkstele ist in Zusammenarbeit mit dem Museum Schalom Europa entstanden und wurde vom Stadtgrafiker Markus Westendorf entworfen.
Photo: Engelbert Braun