Die ambivalente Einstellung der AfD zum Antisemitismus

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Einerseits distanziert sich die AfD offiziell vom Antisemitismus, in ihr gibt es die Gruppe „Juden in der AfD“ und die Judenfeindschaft von Muslimen wird kritisiert, andererseits gibt es immer wieder Antisemitismus-Skandale in der Partei, eine relativistische Kommentierung der NS-Vergangenheit und eine politische Instrumentalisierung des Themas. 14 Thesen zum Seminar „Moderner Antisemitismus in Deutschland“ der Konrad Adenauer-Stiftung in Göttingen vom 2. bis 3. November 2018…

Von Armin Pfahl-Traughber

  1. Die AfD ist eine sich entwickelnde und ideologisch nicht homogene Partei, die sich von einer rechtsdemokratischen immer mehr in eine rechtsextremistische Richtung entwickelt hat, wobei der liberalkonservative Flügel geschwächt, der nationalkonservative Flügel und der deutschnationalistische Flügel gestärkt wurden.

 

  1. Antisemitismus und Judentum stellen für die Außendarstellung der Partei keine bedeutsamen Fragen dar, von sich aus greift sie nicht einschlägige Aspekte auf (sieht man vom Antisemitismus unter Muslimen ab), sieht sie doch in der Elitenkritik und Flüchtlingspolitik die zentralen Themenfelder in Selbstdarstellung und Wahlkämpfen.

 

  1. Auffällig ist, dass das Bild über die NS-Vergangenheit ohne aktuelle Anlässe immer wieder von Führungsfiguren der Partei thematisiert wird, wobei es um eine Relativierung („Vogelschiss in der deutschen Geschichte“, Gauland) oder Umdeutung („Erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, Höcke) gehen soll.

 

  1. Eine direkte oder indirekte Leugnung oder Relativierung des Holocaust lässt sich dabei nicht belegen (dies wäre aber auch ein Straftatbestand), gleichwohl wird die Bedeutung der Beschäftigung mit der historischen Judenvernichtung beklagt (Anträge auf Streichung von Geldern für Schulklassenfahrten, Rede vom „Denkmal der Schande“, Höcke).

 

  1. Empirische Studien über die Akzeptanz judenfeindlicher Einstellungen unter den Parteimitgliedern gibt es nicht, indessen macht die diesbezügliche Betrachtung der Wählerschaft deutlich, dass einschlägige Ressentiments in dieser am höchsten von allen Bundestagsparteien sind (noch stärker, sofern ausgewiesen nur die NPD-Wähler).

 

  1. Empirische Studien über die Verbreitung von antisemitischen Einstellungen in der Bevölkerung machen deutlich, dass es diese in allen politischen Milieus gibt, gleichwohl sie bei politisch rechts stehenden Menschen besonders hoch sind und demgemäß in einer sich politisch rechts verstehenden Partei eben auch besonders hoch sein dürften.

 

  1. Daher kann nicht verwundern, dass es in der Geschichte der AfD immer wieder zu Antisemitismus-Skandalen kam, wobei verschiedene Beobachtungen auszumachen waren: Es kam dazu, dass Mandatsträger ihre Ämter niederlegten und die Partei verließen, es kam aber auch dazu, dass es kaum Folgen gab und die Gemeinten sogar Karriere machen konnten.

 

  1. Von besonderer Bedeutung war der Fall „Wolfgang Gedeon“, der auch antisemitische Verschwörungsideologien propagierte, aber nicht durch eine entsprechende Mehrheit aus der baden-württembergischen Landtagsfraktion ausgeschlossen werden konnte, was zu einer Spaltung derselben, danach aber auch wieder zu einer Vereinigung führte.

 

  1. In offiziellen Erklärungen distanziert sich die AfD formal vom Antisemitismus, sie hält einschlägige Auffassungen aber gesamtgesellschaftlich für bedeutungslos, gebe es so etwas doch nur an den marginalen Rändern der Gesellschaft; insofern entfaltete die Partei auch kein besonderes Engagement gegen Judenfeindlichkeit.

 

  1. Als relevant hält die AfD den Antisemitismus demgegenüber unter Flüchtlingen und Muslimen, spricht in diesem Kontext gar von „importierter Judenfeindschaft“ und gibt sich offiziell sogar den Status einer Partei, welche eine Schutzmacht für die Juden angesichts damit einhergehender Bedrohungen darstellen würde.

 

  1. Dabei lässt sich in der Gesamtschau folgende Grundlinie ausmachen: Während der Antisemitismus in der Mehrheitsgesellschaft wie der eigenen Partei geleugnet oder relativiert wird, sieht man in den Menschen mit Migrationshintergrund insbesondere aus arabischen Ländern die eigentlich bedeutsamen Judenfeinde.

 

  1. In diesem Kontext darf auch die Gründung einer Gruppe „Juden in der AfD“ gesehen werden, soll sie doch den Eindruck erwecken, dass die AfD eine judenfreundliche Partei und demgemäß nicht antisemitisch ausgerichtet sei, wobei die in der Gruppe organisierten Juden in ihren Gemeinden meist nicht aktiv sind und nur eine Minderheit darstellen.

 

  1. Es geht der AfD im Kern darum, mit dem Antisemitismus-Thema insbesondere eine Agitation gegen Menschen mit Migrationshintergrund zu legitimieren und von der Judenfeindschaft in den eigenen Reihen abzulenken, womit man es mit einer politischen Instrumentalisierung im öffentlichen Meinungskampf zu tun hat.

 

  1. Auch wenn die AfD nicht insgesamt als eine antisemitische Partei angesehen werden kann, hat sie aufgrund der kontinuierlichen Skandale in ihr von allen Bundestagsparteien das mit Abstand größte Antisemitismus-Problem; ihre Rolle als behauptete „Schutzmacht für Juden“ wird ihr von jüdischen Organisationen zurecht nicht abgenommen.

 

Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber, Jg. 1963, ist hauptamtlich Lehrender an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl und gibt ebendort das „Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung“ heraus. Er gehörte dem ersten und zweiten „Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus“ des Deutschen Bundestages an.

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