Der Fall Bensoussan

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Am 7. März 2017 wurde der französische Historiker Georges Bensoussan in Paris vom Gericht freigesprochen. Dem Direktor des Pariser Mémorial de la Shoa und Autor wichtiger Bücher wurde „Provokation zum Rassenhass“ vorgeworfen…

Von Karl Pfeifer
Zuerst erschienen in: Illustrierte Neue Welt, April 2017

In einer vom Philosophen Alain Finkielkraut moderierten Sendung hatte Bensoussan am 10.10. 2015 folgende Sätze sagte: „…Die Integration ist stecken geblieben. Heute haben wir es mit einem anderen Volk zu tun, das sich innerhalb der französischen Nation gebildet hat, das eine Anzahl von demokratischen Werten die uns vorwärtsbrachten, zurückdrängt. […] Diesen virulenten Antisemitismus […] kann man nicht stillschweigend gewähren lassen. Es gibt einen algerischen Soziologen, Smain Laacher, der mit großem Mut in einem Film der von France 3 gezeigt wurde, sagte „es ist eine Schande dieses Tabu aufrechtzuerhalten, zu wissen dass in den arabischen Familien in Frankreich, und die ganze Welt weiß es, aber keiner will es sagen, man den Antisemitismus mit der Muttermilch einsaugt.“

Vorgeschichte

2002 erschien in Paris das Buch „Die verlorenen Gebiete der Republik“ (Les territoires perdus de la République) in dem aggressiver Antisemitismus in öffentlichen Schulen dokumentiert wurde. Es gab kein nennenswertes öffentliches Echo und auch nach der zweiten Auflage 2004 reagierten die französischen Medien kaum. Im Sammelband, in dem unerschrockene namentlich zeichnende sowie einige anonym schreibende französische Mittelschullehrer auf 412 Seiten den detaillierten Nachweis führten, was alles in französischen Schulen geschehen konnte. Hier nur zwei Fälle. Am 27. und 28. Juni 2002 musste eine kleine Gruppe von Schülern aus jüdischen Schulen in einer Pariser öffentlichen Schule im XXe Prüfungen ablegen. Als diese Schüler dann die Schule verließen, wurden sie von ungefähr zwanzig Jugendlichen, fast alle magrebinischen Ursprungs umringt und zuerst verbal angegriffen („Sales youpins“, schmutzige Juden), dann wurden die jüdischen Schüler blutig geschlagen und ein Schüler musste wegen Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Auch darüber wurde in den Medien nicht berichtet und die Direktorin der Schule verharmloste den Fall. Die jüdischen Schüler, die von ihren muslimischen „Kameraden“ geschlagen wurden, sind nicht mehr zu den darauf folgenden Prüfungen gekommen. Andere jüdische Schüler konnten nur mit Polizeieskorte die Prüfungen dort absolvieren. Fünf der Missetäter gestanden geprügelt zu haben. Als dann der Vater einer jüdischen Schülerin, damit drohte, die Schule in Brand zu setzen, wenn man „seiner Tochter ein Haar krümmt“, wurde er gerichtlich angeklagt. Hingegen hat das gleiche Gericht die Täter nicht zur Verantwortung gezogen und das Verfahren wegen Körperverletzung eingestellt. „Jüdische Hündinnen, youpine, Du bist eine Hure, außerdem jüdisch“, dies waren nur ein paar der Beleidigungen, die 15 jährige Zwillingsschwestern, Schülerinnen im Pariser Bergson Gymnasium, umringt von einem Dutzend Mitschüler 40 Minuten lang erdulden mussten. Ihre Gesichter und Kleider wurden mit Käse beschmiert, weil „Juden stinken“ und von einer der Schwestern wurde verlangt, sie solle sich hinknien und um „Entschuldigung bitten, jüdisch zu sein“.

 Im Frühjahr 2015 erschien die dritte Auflage und wieder erhielt das Buch nur eine geringe Aufmerksamkeit. Zwar wurde der Titel des Buches von Medien und Politikern benützt, um aufzuzeigen, wie mit den Werten der französischen Republik umgegangen wird, doch auf den Inhalt des Buches ist das offizielle Frankreich nicht eingegangen. Diese Auflage wurde nach den Pariser Attentaten im Januar 2015 redigiert und Georges Bensoussan schrieb das Nachwort, in dem er anmerkt, dass die Brüder Kouachi, die den Mord an den Mitarbeitern von Charlie Hebdo verübten und Ahmed Coulibaly der im koscheren Supermarkt mordete gerade 2002 in französischen Schulen sozialisiert wurden. Diese Atmosphäre des Verschweigens und der Leugnung der Realität führte zu einer Welle von Verbrechen. „Als das Buch erschien, gab es ein langes Schweigen der Medien, aber auch der Politik, das aus der Linken kam, von wo wir auch kamen“, schrieb Bensoussan. „Wir stießen auf diese Verweigerung, der französischen Gesellschaft zuzuhören. Wir wurden als „Rassisten“ und als „islamophob“ abqualifiziert. 2003 denunzierte Dominique Vidal in der ultralinken „antizionistischen“ Le Monde diplomatique dieses „schizophrene Buch“ und das zu einer Zeit als junge Juden in den öffentlichen Schulen rund um Paris solchen Aggressionen ausgesetzt waren.

Der Prozess Bensoussan

Der angesehene Historiker Bensoussan wurde von CCIF einer aus dem Dunstkreis der Muslimbrüder kommenden Organisation, aber auch von den antirassistischen Organisationen Licra, MRAP, LDH, SOS Racisme“ geklagt.

Sein einziger Fehler war es, Laacher nicht wortwörtlich zu zitieren und das was dieser französische Soziologe algerischen Ursprungs wirklich gesagt hatte, in einer Metapher zu verkürzen. Laacher meinte: „also diesen Antisemitismus gibt es bereits im Bereich des Heims und er wird fast natürlich durch die Sprache bewahrt. Eine der Beleidigungen mit der Eltern ihre Kinder zurechtweisen ist, sie als Juden zu behandeln. Aber das wissen alle arabischen Familien. […]Das sind oft die gleichen Arten der Weltbetrachtung, die auf die gleichen Gegenüberstellungen ruhen, insbesondere diejenige, die das „sie und wir“ ausmachen.“

In einer 12 Stunden dauernden Sitzung im Januar 2017 in einem Pariser Gericht zitierte Bensoussan den marokkanischen Autor Said Ghallab, der unter dem Titel „Die Juden gehen zur Hölle“ im Magazin „Temps Modernes“ schrieb „…die schlimmste Beleidigung die ein Marokkaner gegen einen anderen ausstoßen kann, ist ihn als Juden zu behandeln, dass ist die hasserfüllte Milch mit der wir aufwuchsen.“

Bensoussan beendete seine erste Aussage mit folgender Frage: „Muss ich mich vor diesem Gericht befinden? Nicht wahr der Antisemitismus der uns die gegenwärtige Situation bescherte sollte doch verurteilt werden?“

Die prominente Soziologin Nacira Guénif, die an der Universität Paris VIII lehrt, kommentierte die Worte von Smain Laacher, dass die arabische Beleidigung „espèce de juif!“ „eine Art Jude!“ nicht antisemitisch sei, weil „man ja nicht daran denkt, was man sagt“ und es sich um einen „eingefrorenen Ausdruck, der in die gebräuchliche Sprache“ kam, handelt. Die antirassistische Vereinigung Licra beschuldigte Bensoussan „ein Zerstörer der Brücken zwischen Juden und Arabern“ zu sein.                                                                                     

Hingegen brachte es Alain Finkielkraut auf den Punkt: „Wenn das Gericht dieser Einschüchterung nachgibt, wäre das gleichzeitig eine intellektuelle und moralische Katastrophe… Wenn man sich weigert die Realität zu sehen und diejenigen verurteilt, die sich anstrengen diese aufzuzeigen, dann hat man keine Chance der Polarisierung und der Bestärkung des Hasses zu entgehen.“

Georges Bensoussan ist vor Gericht der Beweis gelungen, es gibt einen weit verbreiteten Antisemitismus unter dem Muslimen in Frankreich, den ein großer Teil der französischen Linken leugnet oder verharmlost.