Juden in Sachsen

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Vor drei Jahren erschien als Edition Leipzig die Dokumentation „Juden in Sachsen“, herausgegeben von Gunda Ulbricht und Olaf Glöckner als Publikation von Hatikva e.V. Dresden und des Moses Mendelsohn Zentrums Potsdam…

Von Israel Schwierz

Nach einer Danksagung an alle Mitarbeiter, Kollegen, Zeitzeugen und Freunde und einer übersichtlichen Inhaltsangabe sowie einem Vorwort der beiden Herausgeber beginnt die Dokumentation mit einer sehr ausführlichen und stark beeindruckenden Arbeit von Christiane Donath :“Anfänge jüdischen Lebens in Sachsen im Mittelalter“, gefolgt von einem ebenso exzellenten Bericht von Daniel Ristau „Jüdisches Leben in Sachsen vom 17. Jahrhundert bis 1840“, an den sich eine äußerst intensive und tiefschürfende Dokumentation von Gunda Ulbricht „Exkurs zur Geschichte der Juden in den ehemals preußischen Gebieten“ anschließt.: Görlitz wird hier ebenso geschildert wie die Orte Weisswasser, Delitzsch und Bitterfeld.

Dem vierten Kapitel des Werkes von Solvejg Hoppner „ Juden in Sachsen zwischen bürgerlicher Revolution und Erstem Weltkrieg“, das die Situation ganz hervorragend darstellt folgt ein fünftes „ Die sächsischen Israelitischen Gemeinden in der Weimarer Republik“ von Gunda Ulbricht, das nicht nur die Gemeinden (Chemnitz, Plauen) sehr treffend beschreibt, sondern auch ihre Probleme, die soziale Zusammensetzung ihrer Mitglieder und ihren Dachverband – der Sächsischen Israelitischen Gemeindeverband – gefolgt von einem sechsten Kapitel von Irina Suttner „Juden in Sachsen während der Herrschaftszeit des Nationalsozialismus“, in dem das Grauen der NS-Zeit auf allen Gebieten des Lebens sehr detailliert in Wort und Bild dokumentiert wird.

Dem nachfolgenden Abschnitt mit dem Titel „ Jüdisches Leben in Sachsen 1945 bis 1989“ von Nora Goldenbogen kann der interessierte Leser eine Vielzahl von äußerst interessanten und aufschlussreichen Informationen über das Leben der Juden nach dem Kriege und in der ehemaligen DDR entnehmen – Hinweise über die Überlebenden, die die neuen Gemeinden gründeten ebenso wie die Probleme der jüdischen DDR-Gemeinden in der DDR bis zur Wiedervereinigung. In einem letzten Kapitel mit der Überschrift „Immigranten und Visionen – Juden in Sachsen seit 1990“ beschreibt dessen Autor Olaf Glöckner sehr eindrucksvoll die Situation der jüdischen Gemeinden zur Zeit der Wende, den Einfluss, welchen die neuen Zuwanderer aus der ehemaligen UdSSR ausübten und noch immer ausüben, aber auch die Freude der heutigen sächsischen Juden über den Bau neuer Synagogen und über die religiöse Vielfalt und kulturelle Öffnung des heutigen Judentums in Sachsen.

Ein umfassendes Personenregister, ein ebenso detailliertes Sach- und Ortsregister, eine sehr informative Literaturauswahl, ein Glossar, ein Bildnachweis sowie eine kurze biografische Übersicht der Mitarbeiter runden diese in der Tat einmalige und äußerst informative Dokumentation harmonisch ab.

Mit der Veröffentlichung dieser exzellenten Dokumentation ist es deren Herausgebern und ihren Mitarbeitern in der Tat gelungen, die breite Öffentlichkeit mit vielen wichtigen Informationen über die Juden in Sachsen – in der Vergangenheit und in der Gegenwart, ja, ein wenig sogar mit einem Ausblick in die Zukunft bekannt zu machen. Dafür gebührt ihnen allen größter Dank und höchste Anerkennung aller, denen der ehrliche Umgang mit der Geschichte – nicht nur der jüdischen! – ihrer sächsischen Heimat ein Herzensanliegen ist und etwas bedeutet. Dieses hervorragende Werk sollte als Informationsquelle nicht nur in jeder Schule und Hochschule, sondern auch in den Bibliotheken aller kirchlichen, politischen und kulturellen Einrichtungen vorzufinden sein.

GUNDA ULBRICHT/OLAF GLÖCKNER: “ JUDEN IN SACHSEN“ , eine Publikation von HATIKVA e.V. Dresden und Moses Mendelsohn Zentrum Potsdam, Edition Leipzig 2013, Euro 19.95, Bestellen?

2 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Schwierz,
    selbstverständlich kenne ich bereits mehrere Ihrer Bücher und ich darf Ihnen sagen, ich schätze Ihre Arbeit sehr.

    In zwei Angelegenheiten habe ich noch keine eindeutigen Angaben finden können und würde daher Sie gerne fragen.
    Es geht zunächst mal um die Emanzipation der Juden in Bayern. Man liest meist, dass diese mit der Deutschen Einigung von 1871 zusammenfällt. Jedoch fand ich immer wieder ernstzunehmende Hinweise, dass die allerletzten Juden diskriminierenden Paragraphen erst 1881 aus bayerischen Gesetzestexten getilgt worden sein sollen. Ferner lautet eine (mündliche) Angabe, dass die Bayern die Gleichberechtigung ihrer Juden nicht aus eigenen Stücken zusammengebracht hätten, dass erst die Vereinigung Deutschlands diesen Schritt in Richtung Moderne ermöglicht hat. In Bayern selbst habe dazu keine allgemeine Bereitschaft bestanden.

    Könnten Sie eine eindeutige Antwort geben?

    Zweite Frage:

    Gibt es eine Möglichkeit sich über die städtespezifische Geschichte der Ostjuden in Bayern, in der Zwischenkriegszeit zu informieren. Wie wurden Juden aus Osteuropa, die als Flüchtlinge oder Auswanderer gekommen waren, in den einzelnen bayerischen Städten behandelt, ab Ende des Ersten Weltkrieges?

    Für Ihre Mühe danke ich Ihnen im Voraus und wünsche Ihnen Kraft und Gesundheit für viele weitere interessante und notwendige Bücher.

    Mit den besten Grüßen

    zeitgenosse

    • Lieber Zeitgenosse,
      haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift, über die ich mich sehr gefreut habe, obwohl ich einige Schwierigkeiten habe, sie ordentlich zu beantworten. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, beschäftige ich mich fast immer mit „steinernen“ Zeugnissen jüdischen Lebens und auch mit dem Gedenken an jüdische Soldaten aller Kriege – denn mit den anderen Zeugnissen – schriftlich oder mündlich – habe ich ab und zu Probleme, zumal sie oft auch widersprüchlich sein können, müssen sie aber nicht sein.
      Die Emanzipation hat in Bayern in der Tat etwas länger gedauert als in „Preußen“ – Bayern ist bis heute auf einigen Gebieten mehr traditionell (manche sagen auch rückschrittlich) als viele Bundesländer. In großen Teilen Bayerns – besonders im Süden und in Mittelfranken – haben sie sich auch nach 1871 mit der Gleichberechtigung sehr schwer getan, es kann also sein, dass 1881 durchaus auf einige Gebiete zutrifft. Auf der anderen Seite aber waren die Bayern beim Militär – Beförderungen von Juden – viel fortschrittlicher als die Preußen, die sich da sehr schwer taten. Ich glaube aber nicht, dass Bayern zur Durchführung der Emanzipation besonders große Hilfe der anderen deutschen Staaten nötig hatte – die haben das selber geschafft, wenn auch nicht mit der allergrößten Freude – schließlich war Bayern ja ein sehr christlicher Staat (auch noch nach dem II. WK, wenn ich an meine Beförderung zum Rektor einer Hauptschule denke – ich war der erste in Bayern!)

      Die Behandlung der Ostjuden war nicht nur in Bayern ein großes Problem, sondern in fast allen deutschen Staaten inclusive Preußen. Ein Großteil der deutschen Juden war nicht so orthodox und auch so beharrlich wie diejenigen aus den Staedteln Osteuropas – sie waren halt „deutsche Juden“ – zwar nicht assimiliert, aber doch weitgehend integriert. Dadurch unterschieden sie sich sehr von Ihren Glaubensgenossen aus Osteuropa. Diese wurden von den christlichen Deutschen allein schon wegen ihres Aussehens, aber auch wegen ihres strikten Festhaltens an der jüdischen Tradition nicht gerade geliebt, ja eigentlich verabscheut, von einer Reihe deutscher Juden nicht weniger. Es gab z.B. Synagogen, die keine orthodoxen Ostjuden zum Beten haben wollten – andererseit gab es aber auch Gemeinden, die unbedingt einen Rabbiner oder Lehrer aus Osteuropa anstellten – auch da gab es innerhalb der Judentums in Deutschland immer wieder große Probleme, vor allem dann, wenn einzelne Mitglieder oder Gruppen einer Gemeinde mehr zum liberalen oder gar Reformjudentum tendierten (das hat sich eigentlich fast bis heute erhalten, obwohl es ja eigentlich seit 1945 die „Einheitsgemeinden“ gibt). Es gab (und gibt bis heute) Orte in Bayern, in denen die Orthodoxie überwiegt – Würzburg, Bayreuth, Regensburg, Augsburg, München, Fürth, Straubing, Regensburg, Amberg, Weiden, Hof – und Orte, in denen die Anhänger des liberalen/Reformjudentums die Mehrheit bilden und auch die Rabbiner stellen: Nürnberg, Bamberg, inzwischen auch Augsburg. Abschließend kann man aber feststellen, dass die Ostjuden nicht immer willkommen waren – weder bei den Christen noch bei manchen Juden.

      Für Ihre freundlichen Wünsche danke ich Ihnen sehr. Ich habe aber inzwischen ein Alter erreicht, in dem mir sehr vieles, was ich früher mit großer Leichtigkeit vollbracht habe, schwer fällt. Deshalb muss ich auch auf das Konzipieren von neuen Büchern verzichten – auch die Recherchen schaffe ich nicht mehr! Leider!
      Alles Liebe und Gute, shalom we kol tuw!

      Israel Schwierz

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