Australien: Israelische Entwicklungshilfe für Aborigines

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Israel will den australischen Ureinwohnern, den Aborigines, helfen, ihre toten Sprachen wieder zu beleben. Dabei soll die Erfahrung helfen, die Juden mit der Wiederbelebung der zweitausend Jahre lang „gestorbenen“ hebräischen Sprache als Modell dienen…

von Ulrich W. Sahm

Mit Hilfe und Finanzierung jüdischer Gemeinden in Australien wurde die Aborigines Forscherin Jackie Troy, eine Linguistin der Sydney University, nach Israel eingeladen, um sich mit Linguisten und Sprachforschern zu treffen. Die Initiative ging von Gilad Zuckermann aus, der neben Hebräisch und Italienisch als Muttersprache noch elf weitere Sprachen beherrscht, darunter Chinesisch und Japanisch. „Die Aborigines in Australien hatten etwa 250 eigenständige Sprachen, von denen nur noch sechs als lebendig gelten, also von Menschengruppen in allen Altersklassen gesprochen werden“, sagt Zuckermann. Die Aborigines-Sprachen seien keine Schriftsprachen gewesen, sodass es schwierig sei, sie zu rekonstruieren. Verantwortlich für den „Tod“ der Aborigines-Sprachen seien vor allem Missionare gewesen. Die wollten sie erst zu Christen machen und dann zu Bürgern der englischsprachigen britischen Kolonie Australien. Um dieses Ziel zu erreichen hätten die Missionare die Bibel in Aborigines-Sprachen übersetzt, mit dem Ziel, den konvertierten Aborigines dann deren Sprache wegzunehmen. Doch gleichzeitig haben sie so einige inzwischen ausgestorbene Sprachen dokumentiert und für die Nachwelt erhalten.

„Mit dem Verlust ihrer Sprache, indem sie das Englische annahmen, haben die Aborigines ihre Identität verloren“, sagte Troy im israelischen Rundfunk. „Deshalb ist es so wichtig, ihnen die eigenen alten Sprachen wieder zu geben. In Israel will ich erfahren, wie es die Juden geschafft haben, ihr nur noch als Sakralsprache im Gottesdienst verwendetes Hebräisch wieder in eine lebendige Sprache zu verwandeln, in der sich eine ganze Gesellschaft heimisch fühlt, in ihr träumt und singt, denkt und empfindet.“ Troy ist selber eine Aborigines und hat zugleich jüdische Wurzeln.

Das Hebräische wurde gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts durch den in Weißrussland 1858 geborenen und vor 90 Jahren verstorbenen Lexikografen Eliezer Ben Jehuda wiederbelebt. Die Sprache der Bibel mitsamt der althebräischen Grammatik diente ihm dabei als Grundlage. Aber es mussten viele Worte neu erfunden oder adaptiert werden. Zum Beispiel „telefonieren“. Im Hebräischen gibt es viele Worte mit vier Konsonanten. Für „ich telefonierte“ sagt man auf Hebräisch heute „tilpanti“. So werden die Konsonanten TLFN auf Neuhebräisch normal dekliniert, wobei sich das „F“ in ein „P“ verwandelt.

Bis in die Zwanziger Jahre war umstritten, welche Sprache in dem künftigen jüdischen Staat, dem heutigen Israel, gesprochen werden sollte. Anfang des vorigen Jahrhunderts votierten aus Deutschland eingewanderte Wissenschaftler eher für das Deutsche als „Kultursprache“, während sie das noch nicht richtig funktionierende „künstlich“ wiederbelebte Hebräische verwarfen.

1922 wurde Hebräisch von den Briten im Mandatsgebiet Palästina neben Englisch und Arabisch als offizielle Sprache anerkannt.

Zwar kann jedes israelische Kind heute die Bibel lesen und verstehen, ebenso die 2000 Jahre alten, beim Toten Meer gefundenen „Qumranrollen“. Dennoch entwickelt sich die Hebräische Sprache schnell und natürlich weiter, mit Anglizismen und Einsprengseln auf dem Arabischen. Die „Akademie für die Hebräische Sprache“ ist gleichwohl ständig bemüht urhebräische, teilweise aus der Bibel stammende Worte mit moderner Bedeutung zu füllen. So wurde der sogenannte „Klammeraffe“ in der Emailadresse erst englisch „ät“ genannt oder wienerisch „Strudel“, bis die Akademie „Kruchit“ zum Standard bestimmte. „Das Wort stammt von der Wurzel K-R-CH und bedeutet eingepackt. Und so wie der Strudel in Blätterteig eingepackt wird, haben wir dafür auf Grund der biblischen Wurzel das Wort für ein kleines Päckchen erfunden“ erklärte ein Sprecher der Akademie.

Die umfassende Erfahrung der Israelis mit der Wiederbelebung des biblischen Hebräischen zu einer modernen „Muttersprache“ kann auch den australischen Aborigines helfen, ihre verlorene Identität wieder zu finden, meinte Jackie Troy zu Beginn ihres Besuches in Israel. Dabei will sie die Akademie der Hebräischen Sprache besuchen und Sprachschulen, sogenannte Ulpanim, in denen Neueinwanderer in Rekordzeit in das Hebräische eingeführt werden, als wichtigster Schlüssel zur schnellen gesellschaftlichen Integration in ihrer neuen Heimat.

© Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 26. Dezember 2011, haGalil.com.

3 Kommentare

  1. @berlino@
     
    „Bloss diese Kultur gibt es nicht mehr…“
     
    Wer sagt das?
     
    Wer weiß das?
     

    Was brauchen die Aborigini?
     
    Schwer zu beantwortende Frage, mindestens für uns hier irgendwo am anderen Ende der Welt, mindestens, wenn wir gerecht sein wollen. Oder nicht?
     
     
    Jackie Troy wiederum ist selbst „Aborigineira“. Sie hält es für eine gute Idee.
     
    (!Vorrausgesetzt, Uli Sahm erzählt uns nichts vom aboriginären Pferd! Öhm, ich glaube nicht…)
     
    Also, warum sollte am anderen Ende der Welt jemand daran zweifeln?
     
     
    Und wenn doch, na und?
     
      
    „Was nützt es ihnen eine alte tote Sprache zu sprechen wenn die Sozialhilfeanträge auf englisch sind?“
     
     
    Alleine dieser Satz!
     
    Zynismus von der ’nix-verstehen-wollen-Sorte‘, dazu noch „Leseschwäche“.
     
     
    Uli Sahm zitiert:
     
    „Die Aborigines in Australien hatten etwa 250 eigenständige Sprachen, von denen nur noch sechs als lebendig gelten, also von Menschengruppen in allen Altersklassen gesprochen werden“, sagt Zuckermann.
     
     
    Man kann auf vieles in diesem Kommentar -berlino- eingehen, ich wünschte mir, es wäre ‚gehaltvoll‘, für uns beide, für die Leser. Möchte nicht unfreundlich zu sein, nur sachlich.

     
    Aber etwas Lesehilfe noch zum vorliegenden Text:
     
    – – – Troy ist selber eine Aborigines und hat zugleich jüdische Wurzeln. – – –
     
     
    Also eine denkbar gut geeignete Person für diese Aufgabe.
     
    Sie weiß von zwei Seiten, wie wichtig „Identität“ ist.
     
     
    → Warum „Identität“?
     
     
    Na denn, *Prost* Neujahr….
     
    ~ * ~
     
    PS/ vielleicht noch als eine Art „Neujahrsmotto“ ein Tip: so mancher hier sollte gen Israel blickend und meinend vielleicht einfach mal hinterfragen, was er/sie/es von den Aborigini weiß?
     
     
    !Good Day ‚May‘!

  2. Kommt mir komisch vor.
    Man kann die Situation auch nicht vergleichen mit der in Israel.

    Die Ureinwohner in Australien sind stark ausgegrenzt, diskriminiert, geringe Bildung & Alkohol haben ihre Kultur zerstört.
    Bloss diese Kultur gibt es nicht mehr, das Überleben ist nur in der vorherrschenden Kultur möglich.
    Die brauchen Bildung und verstärkte Integration.
    Was nützt es ihnen eine alte tote Sprache zu sprechen wenn die Sozialhilfeanträge auf englisch sind? Australien ist Teil der westlichen Welt.
    Man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen.

    In Israel ist das was ganz anderes.

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