Krise zwischen Israel und Schweden

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Eine mittelalterliche Ritualmordlegende vermischt mit einer modernen antisemitischen Verschwörungstheorie. So wird in Israel ein Artikel von Donald Boström im Feuilleton der schwedischen Zeitung Aftonbladet vor einer Woche aufgefasst…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 23. August 2009

So wie damals fälschlich behauptet wurde, dass Juden das Blut von Christenjungen in ihre Matzot (ungesäuerte Brote) verarbeiten, behauptete Boström aufgrund von Hörensagen, dass israelische Soldaten junge Palästinenser ermordet hätten, um deren Nieren für Transplantationen zu entwenden. 1992, vor siebzehn Jahren (!), will Boström Zeuge des Begräbnisses eines 19 Jahre alten Palästinensers mit aufgeschlitztem und wieder zugenähtem Bauch gewesen sein. Für viele Palästinenser und offenbar auch für UNO-Leute sei das ein klarer Fall von israelischem Organraub gewesen, behauptet Boström, zitierte aber immerhin einen israelischen Militärsprecher, der das als „Märchen“ abtat, Der Sprecher habe Boström zusätzlich gesagt, dass bei jedem durch die Armee getöteten Palästinenser routinemäßig eine Obduktion durchgeführt werde. Ohne jegliche Beweise für die gesammelten Behauptungen, schreibt Boström auch, dass amerikanische Juden Handel mit diesen gestohlenen Organen trieben.

Die Reaktionen auf diesen schwedischen Artikel waren so heftig wie selten bei anderen hasserfüllten anti-israelischen Berichten in den Medien in aller Welt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu fordert von Schweden, sich förmlich für diese moderne Ritualmordlegende zu entschuldigen und von Aftonbladet zu distanzieren. Die Empörung in Israel wurde umso größer, als die schwedische Botschafterin in Tel Aviv, Borsiin Bonnier, ihre Abscheu über das Machwerk des Boström aussprach, dafür aber vom schwedischen Außenminister Carl Bildt einen öffentlichen Rüffel erhielt. In Schweden sei die Presse- und Meinungsfreiheit in der Verfassung verankert. Die schwedische Regierung weigere sich deshalb, Aftonbladet zu rügen.

Der aus Russland stammende israelische Außenminister Avigdor Liberman, der einst mit der sowjetischen Zeitung „Prawda“ (Wahrheit) aufgewachsen ist, meldete sich mit einer offiziellen Erklärung zu Wort: „Pressefreiheit bedeutet Freiheit, um die Wahrheit zu veröffentlichen, nicht aber Freiheit, um zu lügen und zu hetzen.“ Bekanntlich hatte damals die Prawda bestimmt, was „Wahrheit“ ist…

Andere israelische Minister, wie der rechtsgerichtete Uzi Landau, überschlugen sich mit Vorwürfen gegen Schweden, das mit den Nazis kollaboriert habe. Aftonbladet wurde als „den Nazis nahestehendes Blatt“ bezeichnet und die Zeitung „Jedijot Achronot“ zog aus seinem Archiv gar ein Foto von Außenminister Bildt während eines Besuches im zerbombten Gaza hervor, wie er gerade mit erhobenem Arm auf etwas zeigt. Die Assoziation mit dem Hitlergruß ist unverkennbar. Beigestellt sind ein Bild fahnenschwenkender Palästinenser in Schweden, wie sie gerade eine israelische Flagge verbrennen. Dazu gibt es einen Artikel über das „Königreich des Hasses“ und einen Kommentar zur „Freiheit der Schändlichkeit“. Darin wird gefragt, ob denn Schwedens Nachbarn, die Norweger, einen Deut besser seien. Haaretz präsentierte eine Liste der „Krisen“ zwischen Israel und Schweden. Da sei der ehemalige General Mosche Dayan als „Terrorist der übelsten Sorte“ bezeichnet worden. Schwedens Premier Olaf Palme habe Israels Vorgehen im Libanon „mit den Nazis“ verglichen und bei der Eröffnung der ersten IKEA-Filiale in Israel sei bekannt geworden, dass der Firmengründer ein eingefleischter Nazi gewesen sei.

Die „Krise“ hat für schwedische Journalisten in Israel schon praktische Auswirkungen. Innenminister Eli Yishai will schwedischen Reportern kein Arbeitsvisum mehr gewähren. Presseamtschef Dany Seaman will sich bei zwei Journalisten von Aftonbladet, die am Sonntag morgen einen Presseausweis beantragten, drei Monate Zeit für „Überprüfungen“ lassen. „Um ihnen zu zeigen, wie absurd die Behauptungen in jenem antisemitischen lügenhaften Artikel sind, empfahl ich meinen Mitarbeitern, ihnen eine Blutprobe abzunehmen, um festzustellen, ob sie für Organspenden geeignet sind“, lachte Seaman im Radio.

Man hört dieser Tage in Israel nur vereinzelte besonnene Stimmen. So erinnert der Historiker Tom Segew daran, dass die Schweden während des Holocaust Tausenden Juden das Leben gerettet hätten. Zur Erinnerung daran sind sogar eine Ambulanz und ein Ruderboot in der Holocaustgedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem ausgestellt, mit der Juden nach Schweden geschmuggelt wurden. Auch in Israel gebe es Pressefreiheit und die Regierung in Jerusalem weigere sich grundsätzlich, Medienberichte zu dementieren oder sich von Meinungen zu distanzieren, meinte Segew. Sollte Borström „gelogen“ habe, könne Israel ihn verklagen.

Derweil hat der schwedische Außenminister Bildt einen Besuch in Israel vertagt, während Israels Außenminister erklärte, sich trotz der Krise mit Bild treffen zu wollen, denn schließlich sei Schweden derzeit Ratsvorsitzender der EU.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

6 Kommentare

  1. Der Artikel ist nicht ganz korrekt:
    1. Boström behauptet nicht, dass es so sei, sondern er berichtet von palästinensischen Familien, die den Vorwurf erheben.
    2. Er behauptet auch nicht, dass palästinensische Organe im derzeitigen Skandal von New Jersey eine Rolle spielen.
    Richtig ist, dass er beide Themen auf suggestive Art und Weise miteinander verknüpft und es so dem Leser leichter macht, zu solchen Schlüssen zu kommen.
    Das Problem bei Boströms Artikel setzt woanders an, nämlich bei der Frage, ob er es ethisch vertreten kann, derart gravierende Behauptungen vorzutragen, ohne gleichzeitig ihre Absurdität deutlicher klarzustellen. Schließlich müssen Organentnahmen bei Hirntoten stattfinden, die noch an der Maschine hängen. Wenn man das weiß, kann man diesen Verdacht von selbst einordnen. Das Dumme ist nur, dass keine der beteiligten Seiten darauf hingewiesen hat.

  2. Na was schon? Aus dem Fenster schmeißen. Das machen die Schweden doch auch mit ihrem Weihnachtsbäumen. Wir verändern es nur ein wenig.

  3. boykottieren ist eine Sache, aber was soll ich jetzt bloß mit den ganzen Möbeln machen, die ich schon bei IKEA gekauft habe?

  4. Ich kaufe nicht mehr bei IKEA, ich ignoriere künftig auch alle sonstigen schwedischen Produkte, und ich werde auch nicht mehr nach Schweden reisen.
    So einfach ist das.

  5. Ikea Boykott und natürlich Kotbullars. Die kann man auch aus Rind herstellen. Dann heissen sie allerdings Köfte oder wie der Berliner sagt: Boulette! Genau das ist der Bericht von diesem (??) Beiström, Boulette.

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