Rechtsextreme im Europaparlament – Weiterhin fraktionslos

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„Die ‚Teufel‘ der BNP finden sich ohne Freunde in Europa wieder“ titelte der britische Sunday Herald am 21. Juli dieses Jahres. Unter dieser Überschrift berichtet die Zeitung darüber, dass es den beiden frischgebackenen Abgeordneten der British National Party im Europaparlament bislang nicht gelungen ist, Anschluss an eine Parlamentariergruppe in Fraktionsstärke zu finden…

Von Bernard Schmid, Paris

Dafür sind 25 Abgeordnete, gegenüber 20 Abgeordneten in der letzten Legislaturperiode (2004 bis 2009), erforderlich. Die rechtsextreme Partei, die 1982 gegründet worden ist, konnte in diesem Jahr erstmals Einzug ins Europaparlament – und überhaupt zum ersten Mal in ein überregionales Parlament – halten, nachdem sie bei der Wahl Anfang Juni 6,2 % der britischen Stimmen erhielt.

Dort ist sie schnell aufgefallen, nachdem ihr Parteichef Nick Griffin in einem Interview mit der BBC vom 8. Juli gefordert hatte, die Europäische Union solle – so wörtlich – „einige dieser Boote versenken“, mit denen Migranten aus dem subsaharischen Afrika sich auf oft riskante Weise um Einreise nach Europa bemühen. Dies, so Griffin, werde die anderen vielleicht davon abhalten, die Überfahrt zu versuchen. Die durch diese Äußerungen ausgelöste „Schockwelle“ löste ein Echo in den meisten europäischen Ländern aus.

Die wichtigsten offen rechtsextremen, rassistischen respektive neofaschistischen Parteien – unter ihnen die BNP – sind derzeit fraktionslos. Auch Ende Juli ist es ihnen noch nicht gelungen, genügend Mandatsträger auf einer gemeinsamen Plattform zusammenzubringen, um die Hürde zu überspringen. Deswegen sitzen derzeit die beiden BNP-Europaparlamentarier, Nick Griffin und Andrew Brons, ebenso auf den Bänken der fraktionslosen Abgeordneten wie etwa die drei Repräsentanten des französischen Front National (FN) in Strasbourg und Brüssel: Jean-Marie Le Pen, Marine Le Pen und Bruno Gollnisch. Oder auch die beiden Vertreter der österreichischen FPÖ, Andreas Mölzer und „Regionalexperte“ Franz Obermayr.

Insgesamt sitzen dort (je nach Angaben) 26 oder 27 Abgeordnete, die bislang noch keiner Fraktion angeschlossen sind. Aber nicht alle von ihnen sind Rechtsextreme, weshalb „die Fraktionslosen“ sich nicht einfach zusammentun können – auch wenn es in der Vergangenheit ungewöhnliche Bündniskonstellationen gab, um dem Dasein als „fraktionslose Abgeordnete“ zu entgehen. Dieses bringt so gut wie keine Vorteile, weder Geldmittel und Infrastruktur wie etwa eigene Büros (wie sie zur Fraktionsarbeit zur Verfügung gestellt werden) noch erweiterte politische Mitspracherechte. Vor diesem Hintergrund hatten im Hochsommer 1999 Emma Bonino und Marco Panella von der (linksliberalen, für ihre Provokationen bekannten) „Radikalen Partei“ aus Italien ein Abkommen zur „technischen Zusammenarbeit“ mit dem französischen FN abgeschlossen – ohne politische Gemeinsamkeiten, nur um an den begehrten Fraktionsstatus heranzukommen.

Dieses Abkommen kam bei ihren eigenen Parteigängern in Italien jedoch ziemlich schlecht an und hielt nicht lange vor. (Vgl. http://www.marianne2.fr kombiniert mit http://www.liberation.fr) Im Augenblick dürfte keine politische Kraft im Europaparlament für vergleichbare „technische“ Kompromisse mit der extremen Rechten zur Verfügung stehen.

Während der 81jährige Jean-Marie Le Pen, der seit 1984 im Europaparlament sitzt und dort der dienstälteste Rechtsextreme (und zweitälteste Abgeordnete überhaupt) ist, die Isolation eher gewöhnt sein dürfte, wären die FPÖ-Abgeordneten aus Österreich nur zu gern Teil einer Rechtsfraktion. Doch weder die Fraktion der „Konservativen und Reformisten“ noch die andere Rechtsfraktion jenseits der Konservativ-Liberalen (oder ihrer Mainstreampartei, der Europäischen Volkspartei, EVP) – die Fraktion „Europa der Freiheit und Demokratie“ – wollen bislang mit den österreichischen „Freiheitlichen“ etwas zu tun bekommen, die an ihre Türe geklopft hatten. Ab Herbst 2009 will FPÖ-Vertreter Andreas Mölzer jedoch, so wird er durch Die Presse (Wien) zitiert, „einen neuen Anlauf nehmen“.

Zwei Rechtsfraktionen, und die Extremsten unter den „Fraktionslosen“

Die „Europäischen Konservativen und Reformisten (oder Reformer)“, abgekürzt ECR bilden, eine Gruppe, die auf Betreiben der britischen Konservativen – Tories – hin gegründet worden ist und 55 Abgeordnete im Europäischen Parlament umfasst. Ihr gehören neben den Briten u.a. die polnische konservative Ex-Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) der Brüder Kaczynski, die tschechische „Bürgerplattform“ ODS von Präsident Vaclav Klaus, die protetantisch-fundamentalistische ChristenUnie aus den Niederlanden sowie die belgisch-flämische Liste Dedecker (LDD) an.

Die Mehrzahl dieser Parteien eint ihr „euroskeptisches“ Profil. Hingegen bildet die LDD aus Belgien eine neue rechtspopulistische Formation, die erst 2007 gegründet worden ist und stark auf die Person ihres Anführers zugeschnitten ist. Ihr politisches Profil ist bisher noch verschwommen, aber sie konnte dem rechtsextremen Vlaams Belang (der bei der diesjährigen Europawahl erstmals Boden einbüßte, und rund 9 Prozent der in Flandern abgegebenen Stimmen verlor) erfolgreich einen Teil seiner früheren Wähler abwerben. Man wird sehen, wie die LDD sich neben den übrigen Parteien der durch die britischen Tories lancierten Fraktion dort eingliedern wird.

In ihren Reihen hat es unterdessen bereits heftigsten Zoff gegeben, und dabei ging es konkret um Rechtsaußentendenzen und unverhohlen antisemitische Äußerungen eines polnischen Abgeordneten – der zu allem Überfluss noch dazu zu ihrem Fraktionsvorsitzenden gewählt worden ist. Ursprünglich hatten die britischen Konservativen geglaubt, mit ihren 25 Abgeordneten im Europaparlament die (insgesamt 55köpfige) Fraktion kontrollieren und anführen zu können. Doch dann ging bei der internen Wahl der Fraktionsvorsitz an einen Vertreter der polnischen PiS im Europaparlament, die dort mit 15 Parlamentariern sitzt. Es handelt sich um Michal Kaminski, und er wiederum steht im Mittelpunkt eines veritablen Skandals: Ihm wird vorgeworfen, antisemitische und nationalistische Äußerungen getätigt zu haben.

Kaminski gehörte in jüngerer Vergangenheit noch der rechtsextremen, judenfeindlichen und homophoben „Polnischen Erneuerungspartei“ (NOP) an. In einem Radiointerview hatte der frühere Rechtsaußenpolitiker es im Jahr 2001 abgelehnt, dass im Namen der polnischen Nation um Entschuldigung für das Judenpogrom von Jedwabne (1941) – das, unter der Naziherrschaft, durch Polen verübt worden war – gebeten werde. Und er hatte in einem Interview mit einer offen rechtsextremen Zeitung erklärt, dass „die Juden“ angeblich „Polen viel Leid unter der sowjetischen Besatzung und unter dem Kommunismus zugefügt“ hätten.

Der Rabbiner der Zentralsynagoge von London, Barry Rubin, hat inzwischen die britischen Konservativen dazu aufgefordert, alle Verbindungen zu Kaminski abzubrechen. Unterdessen hat der britische Torypolitiker Edward McMillan Scott, der jüngst zum Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments gewählt worden ist, seinerseits scharfe Kritik an dem polnischen Politiker und Rechtsausleger geübt – und ist „zum Dank“ dafür aus seiner früheren Partei ausgeschlossen worden. Neben den britischen Konservativen hat ihn auch die ECR-Fraktion hinausgeworfen. Deren Mehrheitstendenz ist der Auffassung, es gehe den Kritiker/inne/n, die Kaminski seine (doch ziemlich frische) politische Vergangenheit vorwerfen, dabei in Wirklichkeit nur darum, „unsere Fraktion, die die Nationen und die Bürger verteidigt“ – und zwar gegen „einen Superstaat Europa“ – autoritär zum Schweigen zu bringen. So formulierte es der britische konservative Europaparlamentarier Geoffrey van Orden. Herr Kaminski bestreitet unterdessen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Doch für seine Fraktion, „ECR“, ist der Skandal längst perfekt.

Daneben besteht, als eine zweite Rechtsfraktion (jenseits der Konservativ-Liberalen), die 30köpfige Abgeordnetenfraktion „Europa der Freiheit und Demokratie“, EFD. Diese hat ein eher rechtskonservatives, ebenfalls „euroskeptisches“ Profil. (Vgl. ausführlicher Artikel bei haGalil).

Rückblick & Ausblick

Zu Anfang des Jahres hatten die rechtsextremen Österreicher noch Hoffnungen kultiviert. Am 31. Januar und 1. Februar 2009 hatte in Wien ein Treffen stattgefunden, das durch die FPÖ ausgerichtet worden war und an dem unter anderem der französische FN, die „Dänische Volkspartei“ DFP, der Vlaams Belang aus Belgien und die bulgarische Ataka-Partei teilnahmen. Ein Europaparlamentarier der dänischen DFP (Mogens Camre) sicherte den übrigen Teilnehmer damals die Hilfe seiner Partei dafür zu, in eine Fraktion gemeinsam mit den Rechtskonservativen vergleichbar der damaligen „Union für ein Europa der Nationen“ – der seine Partei seinerzeit angehörte – aufgenommen zu werden.

Nunmehr gehört die Dansk Folkeparti, DFP, der rechtskonservativen Fraktion „EFD“ an. Hingegen gingen der Vlaams Belang und auch Ataka bislang insofern leer aus, als auch sie derzeit den Fraktionslosen im Europaparlament angehören.