Extreme Rechte im Europaparlament

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Teile von ihr schlossen sich zur Fraktion zusammen. Aber starke rechtsradikale Parteien stehen noch außen vor…

Von Bernard Schmid, Paris

Noch hat die konstituierende Sitzung des Europäischen Parlaments, das – je nach Wahldatum in den Mitgliedsländern – zwischen dem 4. Juni und dem 7. Juni dieses Jahres neu gewählt worden ist, nicht stattgefunden. Sie ist auf den 14. Juli angesetzt. Aber schon hat das neue Europaparlament eine Rechtsaußenfraktion. In ihr sind jedoch bislang nicht alle rechtsextremen, nationalpopulistischen, rechtskonservativen oder autoritären Parteien des Kontinents, die in dem Parlament vertreten sind, zusammengeschlossen. Wichtige Rechtsaußenkräfte wie der französische Front National (FN) oder die österreichische FPÖ sind bislang noch auf der Suche nach Mitarbeitsmöglichkeiten bei einer Fraktion oder Parlamentariergruppe.

Am 1. Juli dieses Jahres einigten sich acht nationalistische Parteien, die insgesamt dreißig Abgeordnetensitze innehaben, auf die Bildung einer gemeinsamen Fraktion. Sie soll auf den blumigen Namen „Europa der Freiheit und Demokratie“ hören. Ihren Vorsitz wird der britische Europaparlamentarier Nigel Farage von der United Kingdom Independance Party (UKIP), die bei der jüngsten Wahl am 4. Juni über 17 Prozent der britischen Stimmen und 13 Mandate erhielt, führen.

Ferner gehört der künftigen Fraktion die rassistische Lega Nord aus Italien an, die dort der Berlusconi-Regierung mit eigenen Ministern angehörte. Sie hatte bei der Europawahl 10,2 Prozent der Stimmen erhalten und hatte damit, gegenüber der vorausgegangenen Wahl im Jahr 2004, um fast vier Prozent zugelegt. Sie stellt neun Europaparlamentarier. Auch mittun bei der gemeinsamen Fraktion wird etwa die „Orthodoxe Gesamtbewegung des Volkes“ LAOS aus Griechenland, die zwar schon ab 1989 mit einem Mandat im Europaparlament vertreten war, aber bei der diesjährigen Wahl ihren Stimmenanteil (mit 7,2 %) gegenüber der letzten Europawahl von 2004 fast verdoppeln konnte. Die „Dänische Volkspartei“ (DFP), die für ihre rassistische Orientierung vor allem gegenüber moslemischen Einwanderern bekannt ist und seit Herbst 2001 die konservativ-liberale Regierung Dänemarks im Kopenhagener Parlament toleriert, hält ebenfalls zwei Sitze. Genau wie die „Wahren Finnen“ (Perussuomalaiset, PS), die mit zehn Prozent der Stimmen zu den Überraschungssiegern bei der diesjährigen Europaparlamentswahl zählten.

Je einen Sitz unter den künftigen Fraktionsmitgliedern halten das Mouvement pour la France (MPF, „Bewegung für Frankreich“) des nationalkonservativen Grafen und Rechtskatholiken Philippe de Villiers – der, mit knapp fünf Prozent, bei der diesjährigen Europawahl Verluste hinnehmen musste – und die Slowakische Nationalpartei (SNS). Letztere regiert in Bratislava mit, zusammen mit den dortigen Sozialdemokraten unter Robert Fico, und ist neben der italienischen Lega Nord die zweite Regierungspartei in der künftigen Fraktion. Die niederländische, protestantisch-fundamentalistische SGP rundet das Bild ab.

Die Mehrheit der Mitgliedsparteien von „Europa der Freiheit und Demokratie“ gehörten in der vergangenen Legislaturperiode der rechtskonservativen, EU-kritischen Fraktion „Union für ein Europa der Nationen“ an. Hingegen bildeten die rassistischen, teilweise neofaschistischen Rechtsaußenparteien im Jahr 2007 vorübergehend eine eigene Fraktion unter dem Titel „Identität, Tradition, Souveränität“ (ITS), die nach einigen Monaten auseinanderbrach.

Heute wird Letzteren die Fraktionsbildung schwerer fallen, da die Hürde dafür angehoben worden ist: Statt der 20 Europaparlamentarier, die in der vergangenen Legislaturperiode erforderlich waren, um ein Anrecht auf den Fraktionsstatus und die damit einhergehenden finanziellen Mittel zu erwerben, sind nunmehr 25 Mandate erforderlich. Aber vor zwei Jahren hatten die damaligen Mitglieder der IST-Fraktion die seinerzeitige Schwelle nur knapp überschreiten können.

Am 31. Januar und 1. Februar 2009 hatte in Wien ein Treffen stattgefunden, das durch die FPÖ organisiert worden waren und an dem u.a. der französische FN, die „Dänische Volkspartei“ DFP, der Vlaams Belang aus Belgien und die bulgarische Ataka-Parteien teilnahmen. Ein Europaparlamentarier der dänischen DFP (Mogens Camre) sicherte den übrigen Teilnehmer damals die Hilfe seiner Partei dafür zu, in eine Fraktion gemeinsam mit den Rechtskonservativen vergleichbar der damaligen „Union für ein Europa der Nationen“ – der seine Partei damals angehörte – aufgenommen zu werden.

Der FN aus Frankreich und der Vlaams Belang sind bislang aber noch ebenso fraktionslos, wie es die österreichische FPÖ derzeit ist. Am 3. Juli schrieb die Wiener Tageszeitung Der Standard, die FPÖ bemühe sich um Anschluss an die neue Fraktion „Europa der Freiheit und der Demokratie“. Die Zeitung zitiert den (alten und neuen) Europa-Abgeordneten der Partei, Andreas Mölzer, mit den Worten: „Wir stehen in Verhandlungen“. Es sei jedoch „nicht einfach“, da nämlich „ein oder zwei kleine Gruppen“ Vorbehalte gegen die FPÖ hätten. „Sie kennen die FPÖ nicht und glauben, was die politisch korrekten Medien schreiben“, sagte Mölzer demnach ferner. Auch aus Sicht der FPÖ gebe es „Schwierigkeiten“, die beseitigt werden müssten.

Die offen rechtsextreme British National Party (BNP), die am 4. Juni über sechs Prozent der Stimmen erhielt und erstmals seit ihrer Gründung 1982 im Europaparlament – wo sie nun zwei Mandate erhält -, stößt offenbar auf noch stärkere Vorbehalte. Dazu dürfte nicht nur ihr ungeschminkt rassistischer Charakter beitragen, sondern auch ihre Konkurrenzsituation mit der UKIP, die auf den britischen Inseln noch weitaus stärker abschnitt.

Der britische Telegraph schrieb am 7. Juli, BNP-Chef Nick Griffin habe seine „Niederlage“ bei dem Bemühen um die Formierung einer Parlamentariergruppe eingeräumt. Gespräche hätten mit dem französischen Front National, dem Vlaams Belang aus Belgien, der bulgarischen Ataka-Partei und der nationalistisch-antisemitischen Bewegung Jobbik aus Ungarn stattgefunden. Daraus sei jedoch keine gemeinsame Fraktionsbildung (in hinreichender Stärke) erwachsen. Angesprochen worden seien auch andere Kräfte wie die italienische Lega Nord, die jedoch aufgrund des „kontroversen Rufs“ der britischen BNP lieber auf Abstand zu ihr geblieben seien. Nunmehr wolle seine Partei sich um eine „informelle“ Zusammenarbeit besonders mit den Abgeordneten von FN (Frankreich) und Vlaams Belang bemühen.