Ende eines Paktes

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Der NPD-Parteivorstand hat eine eigene Kandidatur zur Landtagswahl in Brandenburg im September 2009 beschlossen, obwohl die Partei dort gemäß dem gemeinsamen Abkommen der DVU den alleinigen Antritt überlassen sollte. Damit ist der vor vier Jahren geschlossene „Deutschlandpakt“ der beiden rechtsextremen Parteien am Ende. Auch die Zukunft der erst vor kurzem unter neue Führung gestellten DVU ist ungewiss…

ak, redok v. 27.06.2009

Seit Anfang der Woche hatte die NPD den erst im Januar als DVU-Chef gewählten Matthias Faust einem Nervenkrieg ausgesetzt. „Aus brandenburgischen NPD-Kreisen“ sickerte durch, dass der dortige Landesverband am Dienstag eine eigene Teilnahme an der Landtagswahl beschließen wollte, die dann am heutigen Samstag vom NPD-Bundesvorstand abgesegnet werden sollte. Für den kommenden Montag sollte schon eine NPD-Pressekonferenz angesetzt sein, um ein Ergebnis zu verkünden.

Damit hätte die NPD den vor über vier Jahren abgeschlossenen „Deutschlandpakt“ zwischen den beiden Parteien gebrochen, der in Brandenburg eine Kandidatur der DVU vorsah. Der junge Parteichef geriet unter Druck und zeigte Nerven. Am 7. Juni hatte seine DVU bei der Europawahl gerade einmal 0,4 Prozent bekommen – zu wenig sogar für die Wahlkampfkostenerstattung. Faust war dazu nicht mehr eingefallen als das Motto „zusammenhalten und weitermachen“ – Pfeifen im Walde. Die NPD ließ ihn nun spüren, dass sie sich auf den erfolglosen Jung-Parteichef nicht mehr angewiesen fühlte. Faust reagierte auf die Landtagswahl-Gerüchte mit Klagen über die Ungerechtigkeit der Welt: er sei doch „häufig wegen meiner guten Beziehungen zur NPD und zu freien Kräften in der eigenen Partei kritisiert worden“, nun würden „egoistische Machtspielchen“ statt „typisch deutscher Werte wie Ehre und Treue“ getrieben. Kaum im Amte als DVU-Vorsitzender, habe er doch der NPD bereits die Kandidatur bei der Landtagswahl in Thüringen überlassen, die eigentlich laut Abkommen auch der DVU zugestanden hätte. Hilflos appellierte er an den NPD-Chef Udo Voigt, er möge doch „die entstandenen Irritationen ausräumen“.

Doch diese Faust-Reaktion – eher die Bitte eines Getroffenen, nicht noch einmal zuzuschlagen – war offenbar nur geeignet, den Willen zum Bruch des „Deutschlandpaktes“ bei der NPD-Zentrale zu stärken. Schmale und eher gedämpfte Unterstützung bekam Faust nur noch von der sächsischen NPD und von einigen thüringischen partei-unabhängigen Neonazis vom „Freien Netz“. NPD-Chef Udo Voigt war sich heute nicht zu schade, in eigener Person den Konkurrenten von der DVU weiter auf die Folter zu spannen. Während der gegen Mittag begonnenen Vorstandssitzung gab der NPD-Chef fortlaufend Wasserstandsmeldungen per Internet-„Twitter“ ab („Heute Parteivorstandssitzung. Wichtige Entscheidungen stehen an“), die bestens geeignet waren, den DVU-Chef mürbe zu machen. „Diskutieren derzeit über die Ausrichtung der zukünftigen Bündnispolitik“, hieß es da nebulös; eine „lebhafte Aussprache“ gebe es zum beantragten Wahlantritt in Brandenburg; es laufe eine „geheime Abstimmung“, deren Ergebnis dann gegen 15.45 Uhr feststand, aber erst um 18 Uhr bekannt gegeben werden sollte.

Faust blieb in seiner Ohnmacht nichts anderes als zurückzutwittern. Erneut klagte er über mangelnde „Bündnistreue“ und zeigte sich während der Abstimmung im NPD-Vorstand „gespannt und auf alles gefasst“. Die angeblich bis 18 Uhr verzögerte Bekanntgabe des Ergebnisses zeigte die offenbar geplante Wirkung auf einen entnervten Faust. Doch dann wollte die NPD mit ihrer Entscheidung offenbar noch in die Sonntagsausgaben der Hauptstadt-Blätter und ließe die Katze vorzeitig aus dem Sack: Einstimmig sei im NPD-Parteivorstand der Wahlantritt in Brandenburg beschlossen worden, der „Deutschlandpakt“ habe keine Geschäftsgrundlage mehr.

Schuld sei das Verhalten der DVU bei den brandenburgischen Kommunalwahlen und speziell im Wahlkreis des NPD-Landesvorsitzenden Klaus Beier, lautete die weit hergeholte Begründung für die Pakt-Kündigung. Dem düpierten Ex-Pakt-Partner DVU, der längst beim Landeswahlleiter eine eigene Liste zur Landtagswahl eingereicht hat, bot die NPD großzügig an, zwei Plätze auf einer NPD-Liste besetzen zu können – eine geradezu höhnische Geste gegenüber einem soeben in den Staub getretenen Gegner.

In dieser offensichtlichen Niederlage blieb der DVU-Chef Faust hilflos und appellierte an die extreme Rechte außerhalb von DVU und NPD. „Heute WIR, morgen IHR!“ rief er geradezu um Hilfe und klagte im Stil eines verlassenen Feldherrn: „Heute ist es die DVU, die im wahrsten Sinne des Wortes ‚verraten‘ wurde, morgen wird es jede andere Partei oder Kameradschaft sein, die sich auf das Wort dieser [NPD-]Parteiführung verlässt.“

Am nächsten Wochenende soll der DVU-Bundesvorstand über die Entwicklung beraten. Dem neurechten Blatt Junge Freiheit sagte Faust, die DVU überlege nun, auch bei der Bundestagswahl anzutreten, die wie die Landtagswahl in Brandenburg am 27. September stattfindet. Damit würden DVU und NPD bundesweit als Konkurrenten zur Wahl stehen. Weiterhin will er mit den „politikfähigen“ NPD-Gliederungen zusammenarbeiten, die beim letzten NPD-Bundesparteitag unterlegen waren, also vor allem mit den Landesverbänden Sachsen und Saarland. Der Traum von einer einigermaßen gemäßigten rechten Einheitspartei ohne Neonazi-Ballast scheint jedoch vorerst vorbei.

Die extreme Rechte ist in Deutschland wieder einmal da angelangt, wo sie sich besonders gut auskennt: nämlich beim gegenseitigen Zerfleischen. Ein vorläufiges Fazit der vier Jahre „Deutschlandpakt“ zeigt: die „Altherrenpartei“ DVU hat substanziell verloren, die verjüngte Führung konnte die Partei in den wenigen Monaten nicht erneuern. Die NPD dagegen ist mittlerweile die stärkste rechtsextreme Partei, sitzt in zwei Landtagen und hofft auf den Einzug in Thüringen. Der Versuch, einen „weichgespülten“ Rechtsextremismus mit populistischen Zügen zu etablieren, ist vorerst gescheitert. Die Oberhand behält die NPD, die sich in den vergangenen Jahren nicht nur personell den rabiaten Neonazis von außerhalb geöffnet hat, sondern auch inhaltlich auf Zerschlagung des „herrschenden Systems“ und auf „nationalen Sozialismus“ setzt.

© redok