Schock in Dresden – Al-Sisi ist kein Opernfan

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Hans-Joachim Frey räumt „kulturell bedingte Missverständnisse“ ein, Katharina Wagner plädiert für Kultur ohne Botschaft…

Von Fredy Yandorf

Es sind schockierende Enthüllungen, die die Veranstalter des renommierten Semperopernballs in Dresden erschüttern. Mit der guten Absicht, ein Zeichen für Frieden und Kultur zu setzen, hatte man im Vorfeld des Semperopernballs den St. Georgs Orden dem ägyptischen Präsidenten Al-Sisi verliehen. Doch dieser Orden wird ihm nun aberkannt!

Besonders Peter Maffay hatte die Verleihung des Ordens an Al-Sisi scharf kritisiert. Der Pressesprecher des Semperopernballs, Holger Zastrow, zeigt sich betroffen: „Wir wurden zwar auch von ein, zwei anderen Gestalten darauf hingewiesen, dass diese Verleihung möglicherweise problematisch ist. Aber als sich dann auch noch Peter Maffay, eine exponierte Persönlichkeit des kulturellen Lebens, kritisch dazu äußerte, haben wir entschieden, noch mal genauer hinzusehen.“

Die nachträgliche Überprüfung Al-Sisis habe zutiefst beunruhigende Ergebnisse zutage gefördert; Zastrow: „Es hat sich rausgestellt, dass Herr Al-Sisi sich weder für die Oper noch für Bälle sonderlich interessiert. Wir sind zutiefst schockiert über dieses Ergebnis und erkennen ihm hiermit den Orden wieder ab.“

Der betroffene Diktator reagiert geknickt: „Die Vorwürfe sind alle wahr“, räumt Al-Sisi kleinlaut ein: „Ich habe mich für Opernbälle nie in die richtige Form bringen können.“

Den Orden habe er angenommen, weil er schon lange ein passionierter Sammler von Orden sei.

Der künstlerische Leiter des Sempernopernballs, Hans-Joachim Frey, bittet die Öffentlichkeit aber auch um Verständnis; die Verleihung an den Präsidenten sei ein „kaum vermeidbares Versehen“ gewesen; Frey: „Herr Al-Sisi ist eine ausgesprochen unauffällige Person. Wir wussten ja gar nicht so genau, mit wem wir es zu tun hatten.“

Frey erläutert, es sei im Kontakt mit Al-Sisi zu „kulturell bedingten Missverständnissen“ gekommen, die er sehr bedauere: „Als Herr Al-Sisi mit uns über effektive Methoden sprach, um Feinde verschwinden zu lassen, dachten wir natürlich alle, dass er das Ende von „Aida“ damit meint. Die nachträglichen Recherchen haben nun ergeben, dass er zwar diverse Ideale aus „Aida“ verkörpert, aber ansonsten mit der Oper nichts anfangen kann. Wir sind wirklich sehr enttäuscht – auch von uns selbst.“

Doch nicht nur über das kulturelle Desinteresse Al-Sisis zeigt sich Hans-Joachim Frey entsetzt, sondern auch über „Hass und Anfeindungen“, mit denen der kultursensible Mann jetzt rücksichtslos konfrontiert wird.

Er appelliert deswegen an die Kritiker, anzuerkennen, dass es einen solchen Irrtum in der Geschichte des Semperopernballs „nie zuvor“ gegeben hat.

In den vergangenen Jahren sei vor Verleihung des Ordens immer ausgesprochen intensiv und gewissenhaft das Verhältnis zwischen Kultur und Person betrachtet worden; dem Semperopernball sei dabei seine große Verantwortung bewusst: „Es geht bei dieser Verleihung ja schließlich nicht ums Geschäft, oder darum irgendwelche Kontakte zu knüpfen, sondern um eine Kulturbotschaft“, betont der engagierte Kulturagent.

Stolz verweist Frey dabei auf Wladimir Putin, der den Orden 2009 erhielt: „Es ist ja bekannt, dass Putin ein weltoffener Brückenbauer und lupenreiner Ästhet ist. Er hat ein ausgesprochen großes Interesse an Kultur und besonders auch an der Oper. Deswegen haben wir letztes Jahr gemeinsam in St. Petersburg einen phantastischen Opernball veranstaltet! Zudem hat Putin sich in den letzten zwei Jahren persönlich darum bemüht, dass Kirill Serebrennikow Russland nicht verlässt“, führt Frey begeistert aus.

Doch es sei schwierig, neben Putin weitere Kulturbotschafter zu finden, die sowohl politisch als auch ästhetisch vorbildlich seien: „Al-Sisi hat gezeigt, dass wir uns mit diesem Problem nun genauer befassen müssen.“

Unterstützende Worte kommen von Katharina Wagner, der diese Problematik aus ihrer eigenen Arbeit vertraut ist. Auch das traditionsreiche Opernhaus in Bayreuth würde immer wieder vor vergleichbaren Herausforderungen stehen. Wagner: „Mein Urgroßvater hat mit vielen seiner Opern bewiesen, dass Antisemitismus ein integraler Bestandteil der deutschen Hochkultur ist. Aber es gibt heute kaum noch Antisemiten, die auch musikalisch sind. Wenn Sie einen Wagner-Orden an jemanden verleihen, der zwar das Bekenntnis teilt, aber mit Musik nichts anfangen kann, ist der Aufschrei natürlich groß.“

Bayreuth habe sich deswegen in den letzten Jahren immer mehr geöffnet: „Wir behaupten schon lange nicht mehr, dass es in Bayreuth um mehr als eine High Society-Party geht. Das Konzept: „Kultur ohne Botschaft“ hat sich bewährt.“

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Bild oben: SemperOpenairball vor der Semperoper mit Übertragung des SemperOpernballs, Foto: Derbrauni, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International