Im Fadenkreuz

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Vor nahezu 56 Jahren verschwand Dr. Heinz Krug unter ungeklärten Umständen. Nach wie vor erfährt die „Causa Dr. Krug“ große Aufmerksamkeit..

Von Susanne Benöhr-Laqueur

Dr. Krug war ein exponierter Zeitgenosse: Promovierter Jurist (S. 116), Jagdflieger im 2. Weltkrieg (S. 113 ff), Adlatus von Wernher von Braun in Peenemünde (S. 116/117), Leiter der europäischen Dependance der United Arab Airlines (S. 122) sowie Geschäftsführer der „Intra Handelsgesellschaft mbH“ ( S. 122).

Die „Intra“ war 1960 gegründet worden. Ihre Aufgabe war es, „die Arbeiten für Kairo zu vereinfachen“ (S. 122) und die wiederum bestand darin, den Ägyptern zu einer funktionsfähigen Boden-Boden-Mittelstreckenrakete zu verhelfen. In diesem Zusammenhang war Dr. Krug ein nahezu unentbehrliches Mitglied im Team der deutschen Raketenforscher, die seit Anfang der 1960´er Jahre am Nil arbeiteten (S. 123). Folglich war „Raketen-Krug“ (S. 122), so der Spitzname, bestens bekannt mit dem damaligen ägyptischen Staatschef Gamal Abdel Nasser sowie dessen geheimdienstlicher Entourage (S. 65 ff).

Relativ schnell wurde gemutmaßt, dass der Mossad Dr. Krug entführt haben könnte.[i] Da kein Lebenszeichen mehr erfolgte, wurde er im Jahre 1967 für tot erklärt (S. 170/ S. 171).

Das Interesse der Medien ließ auch in den folgenden Jahrzehnten nicht nach. Das wohl nicht zuletzt deshalb, weil seine beiden Kinder Beate Soller-Krug und Kaj Rüdiger Krug hartnäckig jeder Spur ihres Vaters nachgingen und über einen längeren Zeitraum ein Buchprojekt zu seinem Verschwinden und den (geheimdienstlichen) Hintergründen planten (S. 33). Indes waren die Informationen wohl zu vage, so verzichtete z.B. der Münchener Merkur auf einen Abdruck des Manuskripts.[ii] Das sollte sich Anfang 2018 ändern.

Zu diesem Zeitpunkt erschien Ronen Bergmans Werk „Der Schattenkrieg. Israel und die geheimen Tötungskommandos des Mossad“.[iii] Das über 800 Seiten umfassende Buch ist ein SPIEGEL-Bestseller. Dabei dürfte sich der Umstand, dass die israelische Militärzensur das Buch nicht freigegeben hat, keinesfalls verkaufsmindernd ausgewirkt haben.[iv]

Gemäß Bergmans Recherchen, basierend auf den Aussagen des ehemaligen Mossad-Agenten „Oded“, habe der israelische Auslandsnachrichtendienst im September 1962 Dr. Krug entführt, verhört, gefoltert, getötet und schließlich den Leichnam aus einer Militärmaschine über dem Mittelmeer abgeworfen.[v] Dr. Krug sei in das Fadenkreuz des Mossad geraten, weil er maßgeblich den Ägyptern bei der Entwicklung von Raketen behilflich war und diese wiederum die Sicherheit Israels bedrohten.

Flankierend zur Buchveröffentlichung sendete die ARD im Nachtprogramm das Feature „Geschichte im Ersten: Der Mossad, die Nazis und die Raketen“ von Ronen Bergman und Kersten Schüssler.[vi] Einen Tag zuvor hatte sich bereits das ARD-Kulturmagazin „ttt“ (titel, thesen, temperamente) der Thematik gewidmet.[vii] Es folgte binnen weniger Tage der Bayerische Rundfunk mit der kontrovers-Sendung „Verschleppt, verhört, erschossen: War (der) Mossad verantwortlich für Verschwinden des Münchner Geschäftsmannes Heinz Krug?“[viii] Dem schloss sich ein Auftritt der Geschwister Krug in der TV-Sendung SWR2-Nachtcafé mit dem Titel „Vermisst, verschollen, verschwunden“ an.[ix]

Und nun war auch die Zeit reif für das lange geplante Buch:“Am Ufer des Nils. Unser Vater „Raketen-Krug“ und der Mossad.“ Natürlich mit einem Vorwort von Ronen Bergman und einem entsprechenden Hinweisbutton auf das SPIEGEL-Bestseller-Buch.

Um es gleich vorwegzunehmen: In wissenschaftlicher Hinsicht, ist das Buch „Am Ufer des Nils“ völlig wertlos. Den Leser erwartet eine eigenwillige Mischung aus privaten Anekdoten (S. 132, 220 ff), Reiseberichten (S. 197 ff, 212 ff), intimen Gesundheitsanalysen (S. 157 ff, 215 ff) und populär geschichtlichen Erkenntnissen (S. 113 ff).

Dennoch hat das Thema offenbar einen wunden Punkt getroffen, denn die umfangreiche bundesdeutsche Berichterstattung über die angebliche Entführung des deutschen Staatsangehörigen Dr. Krug durch den israelischen Auslandsgeheimdienst an einem Münchener Septembertag im Jahre 1962 scheint nicht abzureißen.[x]

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Warum erfährt die „Causa Dr. Krug“nach wie vor diese Aufmerksamkeit?

Dr. Krug: Sonderbotschafter für Ägypten

Die Geschwister Krug kolportieren das Bild eines treusorgenden, liebevollen bundesdeutschen Familienvaters, der zum Abendessen nicht nach Hause kam (S. 37 ff). Anschaulich – und durchaus nachvollziehbar – wird geschildert, welche Probleme und Konflikte die Zurückgebliebenen bewältigen mussten (S. S. 42 ff). Die bundesdeutsche Öffentlichkeit nahm großen Anteil, denn Dr. Krug war „die Seele des ägyptischen Projekts“.[xi] Zu den Raketenforschern zählten neben Dr. Krug – als Jurist, Logistiker und Geschäftsführer – die Luft- und Raumfahrtingenieure Professor Dr. Eugen Sänger und Dipl.-Ing. Wolfgang Pilz sowie die Fachleute für Elektronik und Lenksysteme Professor Paul-Jens Goercke und Professor Dr. Hans Kleinwächter. Hinzu kamen eine Reihe von jungen Wissenschaftlern, die sogenannten „Sänger-Knaben“.

Das Führungsteam war gut miteinander bekannt. Die fünf Herren waren sowohl „Peenemünde-Veteranen“ als auch in den 1950´er Jahre allesamt beschäftigt beim „Stuttgarter Forschungsinstitut für Physik der Strahlantriebe“,[xii] wobei Dr. Krug als Geschäftsführer der Forschungseinrichtung fungierte.[xiii] Das Institut basierte auf einem „e.V.“ und wurde finanziell unterstützt vom Bundesverkehrsministerium, dem Bundesverteidigungsministerium und dem Baden-Württembergischen Wirtschaftsministerium. Leider hatte man vergessen, in den Verträgen festzuschreiben, dass Nebentätigkeiten durch den Dienstherrn angezeigt und erlaubt werden müssen.[xiv] Es dauerte nicht lange und die Herren verlagerten ihr Einsatzgebiet an den Nil. Der damalige Baden-Württembergische Wirtschaftsminister Dr. Leuze umriss am 1.12.1961 in der Plenarsitzung des Landtags den prekären Sachverhalt wie folgt: „Nun hat Herr Dr. Sänger eines Tages von Ägypten einen Auftrag übernommen, zusammen mit drei leitenden Angestellten des Instituts, und zwar einen Auftrag über die Fertigung von Raketen, deren Bauelemente aus Deutschland nach Ägypten ausgeführt wurden, zum Teil aus unserem Land oder aus Stuttgart. Für diesen Auftrag hat er mit seinen Mitarbeitern ein Honorar von 2 Millionen DM bezogen bzw. zugesichert erhalten…im Juli 1960 wurde zur Durchführung dieses Auftrages eine GmbH gegründet, deren Geschäftsführer einer dieser Angestellten war.“[xv] In der Tat sprach Dr. Leuze von der „Intra“ und deren Geschäftsführer Dr. Krug.

Die rechtlichen Folgen waren gravierend. Professor Sänger legte man die freiwillige Kündigung nahe, „einigen anderen Angestellten gegenüber hat man die fristlose Kündigung ausgesprochen.“[xvi] Zu den – auf welcher Rechtsgrundlage auch immer – entlassenen Mitarbeitern gehörte jedenfalls auch Dr. Krug, der alsbald den Sitz der „Intra“ nach München verlagerte.[xvii] Nunmehr begannen aber die eigentlichen Probleme. Die Herren konnten jetzt völlig ungehindert für Nasser arbeiten. So wurde Dr. Krug bereits im Jahre 1960 zum ägyptischen Sonderbotschafter ernannt und erhielt somit einen Diplomatenstatus. Die Geschwister Krug umschreiben dies folgendermaßen: „Sein Diplomatenpass vereinfachte seine Arbeit in vielen Fällen. Er öffnete ihm bei vielen Regierungen Tür und Tor. Im Jahr 1962 erkannte jeder, wie wichtig Dr. Krug war (S. 123).

…die fragilen deutsch-israelischen Beziehungen

Im Land der Pharaonen erwartete die deutschen Forscher ein streng abgeschirmtes Leben im orientalischen Luxus. So schwärmt Beate Soller-Krug in den höchsten Tönen von Nassers Kindern (S. 66), Festbanketts mit dem Staatspräsidenten (S. 65/S. 66), Ausflügen in die Wüste (S. 70) und ihr Bruder von enormen Verhätschelungen: „Im Domizil von Gamal Abdel Nasser wurden wir verwöhnt. Beate und ich wurden sowieso überall verwöhnt, maßlos verwöhnt. Aber im Hause des Präsidenten von Ägypten war es unbeschreiblich.“(S. 67).

Nasser ermöglichte den Deutschen eine derart verheißungsvolle finanzielle Zukunft, dass Dr. Krug sich rühmen konnte, so erfolgreich zu sein, dass er von der Rückführung der Exportumsatzsteuer leben könne.[xviii] Dies passt in das Bild, das die Kinder von der Vermögenssituation der Familie Krug zeichnen (S. 101). Selbst nach dem plötzlichen Verschwinden ihres Vaters waren noch genug Barmittel vorhanden, um in München eine Eigentumswohnung zu kaufen. Hinzu kamen 200 TSD Mark an Barschaft ( S. 101) – dies wären heute umgerechnet über 300 TSD EURO.[xix]

Dr. Krug und die anderen Herren bewegten sich auf sehr dünnem Eis. Zwar wusste der Bundesaußenminister – der bei Dr. Krug gesellschaftlich verkehrte (S. 61) – sowie Bundeskanzler Adenauer von dem Engagement der Raketenforscher, das hinderte aber die Bundesregierung nicht daran, eine juristische Prüfung wegen „Landes- bzw. Geheimnisverrats“ anzustrengen und die „Intra“ mehrmals durch das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft und die Oberfinanzdirektion Stuttgart überprüfen zu lassen.[xx] Interessanterweise fand die letzte Betriebsprüfung am 18./19.9.1962 statt und damit eine Woche nach dem Verschwinden von Dr. Krug. Das Resultat war ernüchternd. Die Prüfungen ergaben, dass weder Teile für militärische Raketen im Bundesgebiet hergestellt noch aus dem Bundesgebiet nach Ägypten geliefert wurden.[xxi] Trotzdem bestand ein „gewisses Unbehagen“ auf staatlicher Seite, so dass z.B. der Verteidigungsminister Franz Josef Strauß vermerken ließ, dass sich aus den Akten des Auswärtigen Amtes kein Hinweis dafür ergeben würde, dass die Arbeiten der deutschen Wissenschaftler und Techniker in Ägypten die Billigung oder Unterstützung des Bundesverteidigungsministeriums gefunden hätte.[xxii]

Dieser Vermerk hatte seine Gründe: Denn Franz Josef Strauss war mit Shimon Peres – zu diesem Zeitpunkt stellvertretender israelischer Verteidigungsminister – gut bekannt. Peres war es auch, der im August 1962 eindringlich in einem Telegramm an Strauß darauf hinwies, dass Israel das Bedrohungspotential durch die deutschen Raketenforscher als schwerwiegend einschätze.[xxiii]

…der 21.7.1962

Wofür Nasser die Raketen benötigte war allerspätestens am 21.7.1962 klar, als vor den Augen der eingeladenen Weltpresse die Prototypen von „El-Safir“ und „El-Kahir“ starteten, die wiederum nur zwei Tage später während einer Parade auf Lafetten durch die Straßen Kairos rollten. Sphynxhaft verkündete Nasser, diese reichen bis „südlich von Beirut“ und damit nach Israel.[xxiv] Mit dieser prahlerisch – und in technischer Hinsicht durch nichts zu rechtfertigenden – Behauptung sprach der ägyptische Staatspräsident ein weitreichendes Urteil über das Leben und die Gesundheit der deutschen Raketenforscher nebst ihrer Angehörigen.

Interessanterweise wären die Raketen nie geflogen. Die deutschen Wissenschaftler hatten es nicht geschafft, eine funktionsfähige Raketensteuerung zu installieren. Dass das Projekt derart scheitern würde, war jedoch Anfang der 1960 Jahre weder den Ägyptern noch den Deutschen und schon gar nicht den Israelis bewusst. Letztere waren nicht gewillt, eine derartige Bedrohung hinzunehmen und reagierten, wie sie es seit der Staatsgründung bekanntermaßen stets tun, nämlich indem Fakten geschaffen werden.[xxv]

In diesem Kontext darf nicht vergessen werden, dass große Teile der israelischen Gesellschaft im Jahre 1962 den Deutschen ein abgrundtiefes Misstrauen entgegenbrachten und die politische Vergangenheit der deutschen Raketenforscher eine nicht unerhebliche Rolle spielte. Prägnant formulierte es Carl Friedrich von Weizsäcker: „Meiner Ansicht nach haben sich diese Leute aus drei Gründen Ägypten festgesetzt. Erstens, weil die meisten von ihnen Nazis waren, sodann, weil sie für Geld zu allem bereit sind; schließlich konnten sie gegenüber solchen Angeboten nicht allzu heikel sein, weil sie nun einmal nicht zur ersten Kategorie ihres Fachs gehörten.“[xxvi]

In der Tat hatte sich in Ägypten eine interessante Mischung ehemaliger NSDAP-Mitgliedern niedergelassen.[xxvii] Dr. Krug bildete diesbezüglich keine Ausnahme. Die Ausführungen seiner Kinder, wonach ihrem Vater „sogar eine Nazivergangenheit“ angedichtet worden sei (S. 108) und ihre Mutter außer sich geäußert habe: „Euer Vater ist Jurist und hatte nichts mit den Nazis zu tun…“ (S. 108), ist mit Vorsicht zu genießen. Dr. Krug war im Jahre 1933 in die NSDAP eingetreten, seine Mitgliedsnummer lautete: 1.971.204.[xxviii] Auch die Bemühung ihren Vater angesichts seiner Zugehörigkeit zur Luftwaffe zu exkulpieren, gelingt nicht. Danach habe ihn die Tatsache beflügelte, „dass das Gros der Piloten nicht mit den Nazis sympathisierte“ (S. 113) und „Selten war ein Pilot der Luftwaffe auch ein Nazi“ (S. 113). Dies muss angesichts der Parteizugehörigkeit kritisch hinterfragt werden.

Lesenswert sind auch die diversen Interviews die der Raketenforscher Professor Dr. Kleinwächter mit der rechtsextremen Nationalzeitung führte. Nachzulesen sind sie in einem Sammelband der „Liga der Arabischen Staaten“ mit dem Titel „Israel verfolgt deutsche Wissenschaftler“ aus dem Jahre 1964.[xxix] Demnach bestand Dr. Krugs wissenschaftlicher Beitrag zum Raketenprojekt darin, Studien zum Weltraumrecht zu betreiben. Ferner habe er sich außerordentlich um die ägyptischen Wasserversorgung bemüht, indem er die Installation von Windkraftpumpen initiierte.[xxx] Auf die provokante Frage von Dr. Gerhard Frey, ob der Mossad mit Dr. Krug „den Falschen“ umgebracht habe, entgegnete Professor Dr. Kleinwächter: „Wenn Krug, der als Flieger im Zweiten Weltkrieg in mehreren Flugzeugabstürzen seine Gesundheit opferte, noch lebt, dann muss er von Israel freigegeben werden unter dem Druck der öffentlichen Meinung der deutschen Bevölkerung…“[xxxi]

…die deutschen Raketenforscher

Ob die deutschen Forscher in Ägypten sich der drohenden Gefahr bewusst waren, ist unklar. Im Spätsommer 1962 vertrauten sie offenbar nach wie vor auf einen engmaschigen Schutz durch Nassers Geheimdienst. Diesen genoss im Übrigen auch die Familie Krug. Ein hoher Offizier des ägyptischen Nachrichtendienstes war ein guter Freund der Familie und folglich stets im Bilde (S. 63 ff, S. 75 ff, S. 104). Dessen ungeachtet muss Dr. Krug die Bedrohung geahnt haben. Zumindest gewinnt man diesen Eindruck, wenn man liest, dass er unmittelbar vor dem 11. September 1962 seiner Tochter vertrauliche Informationen über ein Gelddepotschließfach in der Schweiz und einen Briefumschlag mit Informationen zukommen ließ (S. 95).

Dr. Krugs Verschwinden bildete nur den Anfang einer ganzen Reihe von Anschlägen, versuchten Entführungen und Nötigungen gegenüber den deutschen Raketenforschern und ihren Angehörigen.[xxxii] Als die Situation in rechtspolitischer und diplomatischer Hinsicht völlig zu eskalieren drohte, wurde Shimon Peres aktiv. Er traf Franz Josef Strauß und gemeinsam wurde eine Lösung des Problems gefunden. Für die deutschen Wissenschaftler wurden lukrative Posten in der deutschen Forschung gefunden und angesichts der Bedrohungslage, konnten sie bewogen werden Ägypten zu verlassen.[xxxiii] Am 15.2. 1965 wurde berichtet, dass die meisten deutschen Wissenschaftler zurückgekehrt seien.[xxxiv] Fast genau zwei Monate später nahmen die Bundesrepublik Deutschland und der Staat Israel offizielle diplomatische Beziehungen zueinander auf.

…der blinde Fleck

Die Rolle der Raketenforscher in Ägypten sowie die rechtspolitischen und diplomatischen Verwicklungen sind in der Fachliteratur umfassend analysiert worden.[xxxv] Was mit Dr. Krug geschehen ist, wird aller Voraussicht nach nie geklärt werden. Vor zwei Jahren verkündete Haaretz, dass ihr Unterlagen des Mossad zugespielt worden seien, wonach Dr. Krug von dem SS-Offizier und „Hitler-Günstling“ Otto Skorzeny im Auftrage des Mossad umgebracht worden sei.[xxxvi] Nunmehr liest man in einem SPIEGEL-Bestseller, dass der Mossad zwar Skorzeny in seinen Diensten beschäftigte – gemäß den Angaben von „Oded“ – soll dieser aber nicht an der Tötung von Dr. Krug beteiligt gewesen sein.[xxxvii] Es wäre nicht verwunderlich, wenn in zwei Jahren eine weitere Version – selbstredend aus geheimen Akten – der Öffentlichkeit präsentiert würde. Das bedeutet: Es existiert kein Beweis, dass der israelische Auslandsnachrichtendienst Dr. Krug verschleppt und getötet hat. Denn, wie nicht anders zu erwarten, beherrscht auch der Staat Israel das „zweitälteste Gewerbe der Welt“ nahezu in Perfektion. Die Initiierung von Verwirrspielen gehört zum Tagesgeschäft, um den Staat, die Agenten und nicht zuletzt das „Institut“[xxxviii] zu schützen. Anders ausgedrückt: „Der Umgang mit Geheimdiensten ist wie der Kampf mit Spiegeln – nirgendwo gibt es Wahrheit.“[xxxix]

Das erklärt jedoch nicht, warum die „Causa Dr. Krug“ nach wie vor eine derartige mediale Aufmerksamkeit genießt, obwohl die Sach- und Beweislage eindeutig ist. Man muss wohl bedauerlicherweise konstatieren, dass dies eine weitere, neue Spielart des „Israelbashing“ in Verkennung der historischen Begebenheiten ist.

Denn Fakt ist – bei aller menschlichen Tragik der Geschehnisse – dass sich die deutschen Raketenforscher und allen voran Dr. Krug als erfahrener Jurist vorsätzlich in das Fadenkreuz divergierender staatlicher Interessen begaben. Wernher von Braun – als sein „Peenemünder Spiritus Rector“ sowie gleichfalls ehemaliges NSDAP-Mitglied[xl]– formulierte es jedenfalls folgendermaßen:

„Nach all dem, was die Deutschen dem jüdischen Volk angetan haben, lassen diese Leute mit ihrem Entschluss, Nasser bei der Entwicklung eines gegen Israel gerichteten Raketenprogramms ihren Arm zu leihen, eine bedauerliche Geisteshaltung erkennen. Was sie in Ägypten treiben, ist nichts anderes als eine Provokation“.[xli]

Beate Soller-Krug/ Kaj Rüdiger Krug: Am Ufer des Nils. Unser Vater „Raketen-Krug“ und der Mossad, Stuttgart 2018, 264 S., Euro 18,00, Bestellen?

[i]                 Agentenkrieg: „Heidi und die Detektive“, in: DER SPIEGEL, Nr. 13/1963, S. 68 ff, http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/45142859 (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[ii]            „Das Manuskript lag damals auch unserer Zeitung vor. Doch das Buch erschien nie – zu vage waren wohl die damaligen Informationen“, in: Dirk Walter: Der mysteriöse Tod des Rakentenforschers, Münchener Merkur Nr. 17, 22. Januar 2018, S. 15.

[iii]           Ronen Bergman: Der Schattenkrieg. Israel und die geheimen Tötungskommandos des Mossad, 2. Auflage, München/Hamburg 2018.

[iv]           Anja Reich: Interview mit Enthüllungsjournalist Ronen Bergman: Der Mann, der sich beim Mossad einschleuste, in: Berliner Zeitung, 25.3.2018, https://www.berliner-zeitung.de/politik/enthuellungsjournalist-ronen-bergman-der-mann–der-sich-beim-mossad-einschleuste-29918288# (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[v]             Bergman (vgl. FN. 3), S. 93 ff sowie Marcel Rosenbach: Mordauftrag vom Mossad-Chef, in: Spiegel-ONLINE, 22.1.2018, http://www.spiegel.de/einestages/mossad-chef-gab-mordauftrag-so-starb-1962-der-geschaeftsmann-heinz-krug-a-1188698.html (Letzter Zugriff am 10.8.2018), ders.: Operation „Vitamin C“, in: DER SPIEGEL, 20.1.2018, S. 42.

[vi]           „Geschichte im Ersten: Der Mossad, die Nazis und die Raketen“, Film von Ronen Bergman und Kersten Schüssler, Ausstrahlung: ARD, Das Erste, 22.1.2018, 23:20 h.

[vii]          „Der Schattenkrieg“ – Die geheimen Tötungskommandos des Mossad, Autoren: Matthias Morgenthaler und Rayk Wieland, Ausstrahlung: ARD, Das Erste, Sendung „titel thesen temperamente“, 21.1.2018, 23:05 h, http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/videosextern/der-schattenkrieg-die-geheimen-toetungskommandos-des-mossad-102.html (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[viii]         Die Story: „Verschleppt, verhört, erschossen: War Mossad verantwortlich für Verschwinden des Münchner Geschäftsmannes Heinz Krug?“, Bericht: Ralf Fischer und Stefan Meining, Ausstrahlung: Bayerischer Rundfunk, Sendung: kontrovers, 24.1.2018, 21:00 h, https://www.br.de/mediathek/video/verschleppt-verhoert-erschossen-war-mossad-verantwortlich-fuer-verschwinden-des-muenchner-geschaeftsmannes-heinz-krug-av:5a68f63781a76800182b2a4c (Letzter Zugriff am 10-8-2018).

[ix]           Nachtcafé: Vermisst, verschollen, verschwunden, Ausstrahlung: Südwestrundfunk, 2.3.2018, 22:00 h, https://www.swr.de/nachtcafe/sendung-am-2-vermisst-verschollen-verschwunden/-/id=200198/did=21005250/nid=200198/13j13pt/index.html (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[x]             Dirk Walter: Behörden mauern im Fall Heinz Krug: Mysteriös: Münchner Raketenforscher Krug ist seit 56 Jahren vermisst, in: tz, 23.7.2018, https://www.tz.de/muenchen/stadt/muenchner-raketenforscher-heinz-krug-ist-seit-56-jahren-vermisst-10040055.html (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[xi]           Rolf Vogel (Hrsg.): Der deutsch-israelische Dialog. Dokumentation eines erregenden Kapitels deutscher Außenpolitik, Teil I, Band I, München/New York/London/Paris 1987, S. 230.

[xii]          Die Professoren Sänger, Kleinwächter und Dipl-Ing. Pilz waren Angestellte beim „Stuttgarter Forschungsinstitut für Physik der Strahlantriebe“. Professor Goercke wiederum war seinen eigenen Angaben zufolge ein „freier Mitarbeiter“ des Instituts, vgl. : Rolf Vogel (Hrsg.): Der deutsch-israelische Dialog. Dokumentation eines erregenden Kapitels deutscher Außenpolitik, Teil I, Band I, München/New York/London/Paris 1987, S. 230 sowie Peter Meyer-Ranke: „Mit Politik wollen sie nichts zu tun haben“ – Beim Kaffee in Kairo – Gespräch mit Hans Kleinwächter, Paul Goercke und Wolfgang Pilz, in: „Die Welt“, 27.4.1963, abgedruckt in: Delegation der Liga der Arabischen Staaten (Hrsg.): Israel verfolgt deutsche Wissenschaftler, Jahrgang 7, Nummer 5, Oktober 1964, Bonn 1964, S. 48 ff (S. 50 ff)

[xiii]         Aufzeichnungen des Ministerialdirektors Jansen, 87.33/1-90/62 vom 7.8.1962 – geheim -, in: Horst Möller (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, Band II: 1. April bis 31. August 1962, München 2010, S. 1394 ff (S. 1395).

[xiv]         Landtag von Baden-Württemberg, 45. Sitzung des Plenums, 1.12.1965, Protokoll S. 2809, 2835 ff (S. 2836) http://digital.wlb-stuttgart.de/sammlungen/sammlungsliste/werksansicht/?no_cache=1&tx_dlf%5Bid%5D=3821&tx_dlf%5Bpage%5D=1 (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[xv]          Landtag von Baden-Württemberg, 45. Sitzung des Plenums, 1.12.1965, Protokoll S. 2809, 2835 ff (S. 2836) http://digital.wlb-stuttgart.de/sammlungen/sammlungsliste/werksansicht/?no_cache=1&tx_dlf%5Bid%5D=3821&tx_dlf%5Bpage%5D=1 (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[xvi]         Landtag von Baden-Württemberg, 45. Sitzung des Plenums, 1.12.1965, Protokoll S. 2809, 2835 ff (S. 2836) http://digital.wlb-stuttgart.de/sammlungen/sammlungsliste/werksansicht/?no_cache=1&tx_dlf%5Bid%5D=3821&tx_dlf%5Bpage%5D=1 (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[xvii]        Ob Dr. Krug fristlos gekündigt wurde, ist nicht mehr nachvollziehbar. Zitat: „Die drei anderen Herren aber wurden entlassen und widmen sich seither ausschließlich dem ägyptischen Raketenbau. Die beiden Spezialisten, Prof. Goercke und Dipl.-Ing. Pilz haben Aufenthalt in Ägypten genommen; der Verwaltungsjurist Krug hat den Sitz seiner GmbH nach München verlegt.“, Vgl: Rolf Vogel (Hrsg.): Der deutsch-israelische Dialog. Dokumentation eines erregenden Kapitels deutscher Außenpolitik, Teil I, Band I, München/New York/London/Paris 1987, S. 230 sowie „Diese Herren hätten auf Veranlassung der staatlichen Behörden inzwischen aus der Institutsarbeit ausscheiden müssen“, vgl. Aufzeichnungen des Ministerialdirektors Jansen, 87.33/1-90/62 vom 7.8.1962 – geheim -, in: Horst Möller (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, Band II: 1. April bis 31. August 1962, München 2010, S. 1394 ff (S. 1397).

[xviii]       Vgl. Inge Deutschkron: Israel und die Deutschen. Zwischen Ressentiment und Ratio, Köln 1970, S. 233.

[xix]         http://fxtop.com/de/vergangene-rechner.php (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[xx]          Aufzeichnungen des Ministerialdirektors Jansen, 87.33/1-90/62 vom 7.8.1962 – geheim -, in: Horst Möller (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, Band II: 1. April bis 31. August 1962, München 2010, S. 1394 ff (S. 1394).

[xxi]         Aufzeichnungen des Ministerialdirektors Jansen, 87.33/1-90/62 vom 7.8.1962 – geheim -, in: Horst Möller (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, Band II: 1. April bis 31. August 1962, München 2010, S. 1394 ff (S. 1398, FN. 13).

[xxii]        Aufzeichnungen des Ministerialdirektors Jansen, 87.33/1-90/62 vom 7.8.1962 – geheim -, in: Horst Möller (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland, Band II: 1. April bis 31. August 1962, München 2010, S. 1394 ff (S. 1398).

[xxiii]       Yeshayahu A. Jelinek: Deutschland und Israel, 1945-1965. Ein neurotisches Verhältnis, München 2004, S. 423, 424 m.w.N.

[xxiv]       Bergman (vgl. FN. 3), S. 89 ff.

[xxv]        Agentenkrieg: „Heidi und die Detektive“, in: DER SPIEGEL, Nr. 13/1963, S. 68 ff (S. 70), http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/45142859 (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[xxvi]       Zitiert nach: Michel Bar-Zohar: Die Jagd auf die deutschen Wissenschaftler (1944-1960), Frankfurt/Main/ Berlin 1966, S. 288.

[xxvii]      Bar-Zohar (vgl. FN. 26), S. 266.

[xxviii]    Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/23630900.

[xxix]       Delegation der Liga der Arabischen Staaten (Hrsg.): Israel verfolgt deutsche Wissenschaftler, Jahrgang 7, Nummer 5, Oktober 1964, Bonn 1964.

[xxx]        „Mord, Mittel der Politik Israels?“ – NZ-Gespräch mit Prof. Dr. Kleinwächter, in: NZ, 3. Juli 1964, abgedruckt in: Delegation der Liga der Arabischen Staaten (Hrsg.): Israel verfolgt deutsche Wissenschaftler, Jahrgang 7, Nummer 5, Oktober 1964, Bonn 1964, S. 55 ff (S. 59).

[xxxi]       „Mord, Mittel der Politik Israels?“ – NZ-Gespräch mit Prof. Dr. Kleinwächter, in: NZ, 3. Juli 1964, abgedruckt in: Delegation der Liga der Arabischen Staaten (Hrsg.): Israel verfolgt deutsche Wissenschaftler, Jahrgang 7, Nummer 5, Oktober 1964, Bonn 1964, S. 55 ff (S. 59).

[xxxii]      Bergmann (FN. 3), S. 97 ff.

[xxxiii]    Jelinek (FN. 23), S. 429 und Bergman (FN. 3), S. 115. Professor Dr. Kleinwächter beschäftigte sich fortab schwerpunktmäßig mit der Solartechnik, vgl. Nachruf auf Prof. Dr. Kleinwächter: https://www.dgs.de/fileadmin/sonnenenergie/SE-1998-1/19-DGS-aktiv.PDF (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[xxxiv]     Jelinek (FN. 23), S. 429 m.w.N.

[xxxv]      Yeshayahu A. Jelinek: Deutschland und Israel, 1945-1965. Ein neurotisches Verhältnis, München 2004; Inge Deutschkron: Israel und die Deutschen. Zwischen Ressentiment und Ratio, Köln 1970; Michel Bar-Zohar: Die Jagd auf die deutschen Wissenschaftler (1944-1960), Frankfurt/Main/ Berlin 1966; Felix E. Shinnar: Bericht eines Beauftragten. Die deutsch-israelischen Beziehungen 1951-1966, Tübingen 1967; Erich Helmensdorf: Westlich von Suez, Percha/ Starnberger See 19973; Rolf Vogel (Hrsg.): Der deutsch-israelische Dialog. Dokumentation eines erregenden Kapitels deutscher Außenpolitik, Teil I, Band I, München/New York/London/Paris 1987.

[xxxvi]     The Forward/ Dan Raviv/ Yossi Melman: The Strange Case of a Nazi Who Became an Israeli Hitman, 27.3.2016, https://www.haaretz.com/world-news/europe/the-strange-case-of-a-nazi-who-became-a-mossad-hitman-1.5423137 (letzter Zugriff am 10.8.2018).

[xxxvii]   Bergman (FN. 3), S. 107 ff.

[xxxviii]  https://www.mossad.gov.il/eng/Pages/default.aspx (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[xxxix]     Rosario Priore, Italienischer Untersuchungsrichter, in: Geheimauftrag Pontifex – der Vatikan im Kalten Krieg (2/2), Dokumentarfilm, Regie: Jan Peter, 2015, ARTE/rbb/ ORF/br, Ausstrahlung in ARTE: 14.8.2018, Minute: 21:48 h.

[xl]           Alexander Stirn: Moralische Bedenken waren uns fremd, Süddeutsche Zeitung, 23.3.2012, https://www.sueddeutsche.de/wissen/jahre-wernher-von-braun-moralische-bedenken-waren-uns-fremd-1.1315461 (Letzter Zugriff am 10.8.2018).

[xli]          Zitiert nach: Michel Bar-Zohar: Die Jagd auf die deutschen Wissenschaftler (1944-1960), Frankfurt/Main/ Berlin 1966, S. 288.