Antisemitismus bei den „Reichsbürgern“

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Ein „Reichsbürger“ schoss auf vier Polizisten, einer von ihnen ist seinen Verletzungen erlegen. Auch Antisemitismus spielt als Feindbild in dieser Szene eine Rolle. Dies macht der Blick auf einige Statements deutlich…

Von Armin Pfahl-Traughber

Seit einigen Jahren machen „Reichsbürger“ mit Aktionen und Publikationen auf sich aufmerksam. Dabei handelt es sich um eine Sammelbezeichnung für unterschiedliche Gruppen und Organisationen, die von folgender Grundposition überzeugt sind: Das „Deutsche Reich“ bestehe fort, die Bundesrepublik Deutschland und das Grundgesetz seien demnach illegal und illegitim. Einige der Akteure gehen davon aus, dass sie selbst die „kommissarische Reichsregierung“ seien. Dabei beanspruchen sie nicht nur Ämter wie etwa das eines „kommissarischen Reichskanzlers“, sondern erstellen auch Dokumente eines solchen „Reiches“ wie etwa einen „Reichsführerschein“. Es gibt indessen nicht nur eine derartige Gruppierung, sondern eine kaum noch überschaubare Fülle von „Reichsbürger“-Organisationen. Diese stehen auch in Konkurrenz zueinander, beansprucht doch jede der Gemeinten eben die eigentliche „kommissarische Reichsregierung“ zu sein. Alle sind von einem hohen Ausmaß an Dogmatismus, Fanatismus und Missionseifer geprägt.

Antisemitismus bildet kein herausragendes Ideologieelement der „Reichsbürger“, kommt aber immer dann vor, wenn es um die angeblichen Hintergründe der etablierten Politik geht. Auch hierbei lassen sich Abstufungen ausmachen. Es gibt Anspielungen ebenso wie Hassbilder. Dazu einige Beispiele: Peter Fitzek, der das „Königreich Deutschland“ gründete und sich zum „Imperator Fiduziar“ krönen lies, äußerte: „Diese Rolle des Judas spielst Du wirklich gut … Eine gewisse Volksgruppe, die vorherrschend Deine Nasenform hat, lebt seit Langem in ähnlichen Lügen und wartet immer noch auf ihren Erlöser. Erlöst werden sie dann, wenn sie diesem dann in der entsprechenden Zeit ihre Mittel und Kraft zur Transformation der Welt zur Verfügung stellen und ihre Rolle als Sklaven des Dunklen freiwillig beenden.“ Diese Aussage spielt auf ein altes antisemitisches Stereotyp an: Demnach haben Juden eine besondere Nase, was auch ein Bestandteil der NS-Propaganda war. In der Aussage werden Juden mit der diskursiven Kombination von „Nase“ und „Volksgruppe“ diskriminiert.

Häufiger kommen antisemitische Aussagen im Sinne der politischen Variante vor. So heißt es am Ende einer Erklärung der „Arbeitsgemeinschaft Staatliche Selbstverwaltung“, die von Peter Frühwald gegründet wurde: „Noch haben wir die Möglichkeit, uns aus eigener Kraft vom Multikulturalismus, Kapitalismus, Globalismus und Zionismus zu befreien.“ Die letztgenannte Nennung suggeriert die Existenz einer jüdischen Macht. In einer Erklärung der „Exilregierung Deutsches Reich“ zur Flüchtlingsentwicklung heißt es am Rande im gleichen Sinne, die USA sein „vom ‚politischen Zionismus’ gesteuert“. Ähnlich, nur deutlicher äußerte sich Lutz Prast vom „Freistaat Preußen“ laut dem Gedächtnisprotokoll einer Fernsehsendung: „Wir wissen, dass die Merkel immer so dasteht – und wir wissen, dass die Merkel Jüdin ist und Freimaurerin. Und es gibt ein Bild, wo Adolf Hitler auch so dasteht. Der wurde von Anfang an von jüdischen Banken unterstützt.“ Derartige Behauptungen hatte schon die völkische „Ludendorff-Bewegung“ nach 1949 propagiert.

Die erwähnten Auffassungen zur Fortexistenz des „Reichs“ und zur Nicht-Existenz der Bundesrepublik Deutschland mögen noch so absurd erscheinen. Gleichwohl darf nicht ignoriert werden, dass die „Reichsbürger“ überaus aktiv sind und auch Auseinandersetzungen vor Gericht führen. Darüber hinaus finden deren Behauptungen wie etwa „Die Bundesrepublik Deutschland ist eine GmbH und kein Staat“ über das Internet erstaunlich weite Verbreitung. Damit geht nicht primär, aber doch sekundär auch Antisemitismus einher. Besondere Aufmerksamkeit in den Medien erfuhren die „Reichsbürger“ 2014 durch eine Rede, die der bekannte Sänger Xavier Naidoo bei einer ihrer Versammlungen gehalten hatte. In seinem Song „Raus aus dem Reichstag“ heißt es: „Baron Tothschild gibt den Ton an und er scheißt auf euch Gockel. Der Schmock is’n Fuchs und ihr seit nur Trottel.“ Da mit der erstgenannten Person eigentlich „Rothschild“ gemeint und „Schmock“ ein judenfeindliches Stereotyp ist, werden hier Bilder eines politischen und sozialen Antisemitismus benutzt.

Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber, Politikwissenschaftler und Soziologe, ist hauptamtlich Lehrender an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl und ebendort Herausgeber des „Jahrbuchs für Extremismus- und Terrorismusforschung“. Er gehört auch dem Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus des Deutschen Bundestages an.

Bild oben: Screenshot facebook