Köln im Nationalsozialismus

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Karl Pfeifer hat Anfang Juni an der Kölner Universität aus seinem Buch „Einmal Palästina und zurück“ vorgelesen und dort auch einen Vortrag über Ungarn gehalten. Er nutzte die Zeit, um auch das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln und die Dauerausstellung „Köln im Nationalsozialismus“ zu besuchen und stellte uns seinen Artikel dazu, der im August in dem Mitteilungsblatt des Wiener DÖW erscheinen wird, zur Verfügung…

Von Karl Pfeifer

Während einer Vorlesungs- und Vortragsreise, die mich Anfang Juni nach Köln führte, bekam ich die Möglichkeit das ehemalige Gestapogebäude und die dort befindliche Dauerausstellung „Köln im Nationalsozialismus“ zu besichtigen.

Köln war eine der am meisten durch Bomben zerstörten Städte Deutschlands, das trifft insbesondere für die Stadtmitte zu. Doch das Haus am Appelhofplatz 23-25, das von 1935 bis 1945 Sitz der Kölner Gestapo war, blieb unversehrt. Dieses EL-DE-Haus verdankt seinen Namen den Initialen seines Bauherrn des katholischen Goldwaren- und Uhrengroßhändler Leopold Dahmen. Im Sommer 1935 wurde das Haus noch im Rohbau von der Gestapo in Beschlag genommen. Der neue Mieter war fortan das Deutsche Reich. Heute mietet die Stadt Köln das Gebäude von der gleichen Familie.

Im Keller befindet sich das Hausgefängnis der Gestapo mit erhalten gebliebenen Häftlingszellen und den Inschriften der Gefangenen, die eindringlich an die Schrecken der NS-Zeit erinnern. Oft haben zu Tod verurteilte Häftlinge ihre letzten Worte an die Wand geschrieben, bevor sie im Hof des Hauses hingerichtet wurden. Der größte Teil der Insassen, die da inhaftiert waren, ist namentlich nicht bekannt, doch es gelang die Geschichte einiger der Häftlinge zu erforschen und dadurch mehreren Inschriften ein „Gesicht“ zu geben. Die meisten Inschriften stammen von Frauen.

Nach der Restaurierung sind rund 1.800 selbstständige Inschriften oder Zeichnungen gezählt wurden, die aus der Zeit von Ende 1943 bis zum 30. Juni 1945 stammen. Am 7. März 1947 einen Tag nach der Befreiung trug sich ein amerikanischer Soldat ein. Am 30. Juni 1945 wurde die kyrillische Inschrift „Am Leben geblieben“ auf die Wand einer Zelle geschrieben.

Mehr als ein Drittel aller Inschriften  sind in kyrillischer Schrift von Russen und Ukrainern verfasst, weitere 230 in anderen Sprachen, vor allem Französisch, Polnisch und Niederländisch.

Diese Zellen sind ein einmaliges Denkmal und wer sie besucht, kann sich die Todesangst der Häftlinge vorstellen, die während der Bomberangriffe nicht in den Luftschutzkeller gebracht wurden.

Nach dem Krieg wurde dieses Gebäude als Standesamt benutzt und Mucki eine Insassin, die bei den Edelweisspiraten mitmachte und von der Gestapo inhaftiert und gefoltert wurde, heiratete 1951 im gleichen Gebäude.

Die Dauerausstellung „Köln im Nationasozialismus“, die sich auf drei Stockwerken befindet, ist vielleicht eine der interessantesten, die es gibt. Vielleicht auch, weil diese Gedenkstätte erst nach Demonstrationen von Bürgern errichtet wurde. Dokumentiert wird in der Ausstellung:

Aufstieg und Machtergreifung der Nazi in dieser katholisch geprägten Stadt, die Gleichschaltung und der nationalsozialistische Machtapparat sowie die inszenierte Volksgemeinschaft. Wie die Jugend behandelt wurde und Köln „zwischen Alltag und großer Politik“. Religion oder „Gottgläubigkeit“? Rassenpolitik: „Ausmerze“ und „Aufartung“, Rassisch ausgegrenzt und verfolgt. Sinti und Roma. Jüdisches Schicksal. Die Ausstellung zeigt wie verlogen die Schutzbehauptung vieler Rheinländer von der Liberalität auch während der NS-Zeit ist. Man kann die antisemitischen Karnevalzüge sehen, mit denen zur Gaudi der Massen Juden verspottet wurden.

Was mich sehr beeindruckt hat: Zwischen Anpassung und Widerstand. Auf einer Wand, an der Bilder von Widerstandskämpfer zu sehen sind, wird eine große Menge von „Heil“ schreienden Kölnern projiziert, womit die Dimensionen des Widerstandes aufgezeigt werden.

Die Ausstellung dokumentiert auch Köln im Krieg, die Zwangsarbeit und das Kriegsende.

Der Historiker und Pädagoge Dr. Werner Jung leitet dieses Dokumentationszentrum seit 27 Jahren und schilderte im Gespräch mit mir, wie er selbst als Student an Demonstrationen für die Errichtung dieses Hauses teilnahm.

2012 besuchten 60.000 Besucher diese Ausstellung, mehr als die Hälfte davon Schüler und Studenten.

Eine Audioführung in deutscher, englischer, französischer, spanischer, polnischer, russischer, hebräischer und niederländischer Sprache steht für die Besucher zur Verfügung und ab Juli 2013 wird das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln eine achtsprachige Website haben. Kölnbesuchern ist der Besuch dieses Hauses zu empfehlen.

Eine Dauerausstellung „Wien im Nationalsozialismus“, die einfach aufzeigt, wie es war, könnte – wie in Köln – einen Beitrag dazu leisten, die Mehrheit der Jugend gegen jede NS-Nostalgie immun zu machen.