Unterstützung für ein Haus der Jüdischen Kultur in Köln

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Die Diskussion zum Bau eines Jüdischen Museums in Köln dauert lange an. Sachlich naheliegend war ein solcher Museumsbau schon lange. Nun ist er überfällig. Köln hätte die Chance, seine jüdischen Traditionen öffentlich zu bewahren…

An keinem Ort in Deutschland wäre ein Jüdisches Museum passender als im Herzen Kölns, unmittelbar neben dem Rathaus gelegen. Vor knapp 600 Jahren war der Rathausvorplatz ein jüdisches Viertel, die vielbesuchte Mikwe sowie die derzeitigen archäologischen Ausgrabungsarbeiten zeugen hiervon. Die Stadt Köln ist historisch und kulturell aufs Engste mit der europäischen und der jüdischen Kultur verbunden. Bereits seit dem Jahr 321 siedelten Juden in Köln an, was urkundlich belegt ist. In Köln lebten und wirkten nahmhaften Vertreter der zionistischen Bewegung: Moses Hess (1812-1875), Max I. Bodenheimer (1865-1940) und David Wolffsohn (1856-1914) haben von Köln aus die zionistische Bewegung des 19. Jahrhunderts maßgeblich geprägt.

Köln war hierzulande auch die erste Stadt, die sowohl Städtepartnerschaften zu Tel Aviv als auch zu Bethlehem pflegt. Eine Tradition, auf die Köln stolz sein kann – wie wir auf haGalil verschiedentlich dokumentiert haben.

Die Pläne zum Bau eines Jüdischen Museums (bzw. eines „Hauses der Jüdischen Kultur“) in Köln selbst haben eine unrühmliche Geschichte. Jahrelang hatte eine Gruppe wohlhabender Mäzene den selbstfinanzierten Bau angekündigt. 2009 gab es dann eine lakonische Absage, man habe kein Geld. Kritiker sprachen schon von einer für Köln symptomatischen Lachnummer.
Inzwischen sind die Pläne zur Errichtung eines Hauses der Jüdischen Kultur in Köln – eingebunden in das Gesamtkonzept einer archäologischen Zone – weit fortgeschritten. Die Finanzierung und die inhaltlichen Konzepte liegen vor.

Seit einigen Wochen gibt es nun provinziell anmutende Proteste gegen diese wegweisende kulturelle und historische Perspektive. Eine Initiative fordert den Stopp aller Großprojekte – zuvörderst und vor allem jedoch die Verhinderung der Archäologischen Zone und eines Jüdischen Museums in Köln.

Wir dokumentieren deshalb die Stellungnahme von Brigitta von Bülow und Frieder Wolf (Bündnis 90/Die Grünen) zum Thema.

Weiterhin veröffentlichen wir eine Besprechung eines Buches zum jüdischen Köln. Ein Tipp, für Interessierte: Stadtführungen zum Jüdischen Köln werden u.a. regelmäßig von Tal Kaizman angeboten. (rk)

Links zum Thema:
http://museumsbaukoeln.de/
Abstimmung bezüglich des geplanten Museumsbaues auf Bürgerforum Köln
Facebook Seite für das Jüdische Museum

Archäologische Zone und Haus der Jüdischen Kultur in Köln statt Geschichts­vergessenheit

Brigitta von Bülow, OV Ehrenfeld, Ratsmitglied und kulturpolitische Sprecherin (Bündnis 90/Die Grünen)
Frieder Wolf, OV Nippes (Bündnis 90/Die Grünen)
15. Januar 2013

„In keiner europäischen Stadt findet sich europäische Stadtgeschichte auf so engem Raum konzentriert wie in Köln: Das Kölner Rathaus ist das älteste in Deutschland. Die Grundmau­ern des Prätoriums, bis ins vierte Jahrhundert Amtssitz des Statthalters der römischen Provinz Niedergermanien und der größte römische Bau entlang des gesamten Rheins, befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Seit 2000 Jahren ist der Rathausplatz das säkulare und bürgerschaftliche Zentrum dieser Stadt. Keine europäische Stadt hat eine sol­che politisch-räumliche Kontinuität.

Mehr noch: Unmittelbar vor dem Rathaus lag das jüdische Viertel, Wohnsitz der ältesten urkundlich dokumentierten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen: In einem Dekret hatte Kaiser Konstantin im Jahr 321 den in Köln lebenden Juden das Recht auf Vertretung in der `curia´ verliehen, der Versammlung stimmberechtigter Volksvertreter in römischen Städten.

Die jüdische Gemeinde Kölns entwickelte sich zu einem Zentrum des deutschen Judentums und einer Hochburg der Gelehrsamkeit.

Nach einer Welle von Pogromen wurden die Kölner Juden durch Beschluss des Rats 1424 aus der Stadt vertrieben, aus der sie bis zur Eroberung Kölns durch französische Revoluti­onstruppen im Jahr 1794 verbannt blieben.

Bald darauf beherbergte Köln wieder eine der größten und lebendigsten jüdischen Gemeinden in Deutschland. 1893 gründeten die Kölner Bürger Max Bodenheimer und David Wolffsohn den Kölner Verein zur Förderung von Ackerbau und Handwerk in Palästina, der den finanziellen Grundstock zur Gründung der Stadt Tel Aviv legte. 1894 wurde unter Bodenheimers Führung die erste National-Jüdische Vereinigung gegründet. Auch sie hatte ihren Sitz in Köln. Zum zionistischen Weltkongress 1897 in Basel entwarf David Wolffsohn die Flagge, die nach der Gründung des Staates Israel 1948 zur Nationalflagge werden sollte: der blaue Davidstern.

Während der NS-Diktatur wurden 11.000 Menschen jüdischen Glaubens aus Köln und der Region von Köln aus in die Vernichtungslager deportiert und von Deutschen ermordet.

Von 1953, vor genau 60 Jahren, bis zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland im Jahr 1965 war Köln Sitz der Israel-Mission, der Vorläuferin der späteren Botschaft. Köln und Tel Aviv sind mit dem 1960 begonnenen Schul- und Jugend­austausch Pioniere zivilgesellschaftlicher Begegnungen zwischen Israelis und Deutschen nach der Shoah. Seit 1979 sind beide Metropolen auch offiziell städtepartnerschaftlich verbunden. Und seit 1996 pflegt Köln als erste deutsche Stadt auch enge freundschaftliche Beziehungen zu einer Stadt in Palästina, nämlich Bethlehem. Die Kölner jüdische Gemeinde zählt heute wieder zu den größeren in Deutschland.

Köln spiegelt sehr deutlich die von friedlichem Zusammenleben und Emanzipation, aber auch von Pogromen bis hin zur Shoah gekennzeichneten Höhen und Tiefen der deutsch-jüdischen Geschichte wieder. Das Haus und Museum der jüdischen Kultur in Köln sowie die Archäologische Zone werden diese einmalige Stadtgeschichte wieder lebendig werden las­sen. Sie sind die Anerkennung und Wiederaneignung der eigenen historischen Wurzeln durch den Rat und die Bürgerschaft. Kein Museum in Köln, kein jüdisches Museum weltweit ist so sehr sein eigener genius loci. Denn genau da, wo das Museum stehen wird, liegen seine bis in die Gegenwart reichenden Spuren. Es ist keine Rekonstruktion, kein beliebiger Sammelort, sondern selbst unmittelbares geschichtliches Zeugnis, das in einmaliger Weise die jüdische Geschichte in ihrer engen Verknüpfung mit der Kölner Stadtgeschichte lebendig werden lässt.

Wer dieses einmalige Projekt zuschütten und mit einem Deckel versehen will, handelt nicht nur finanziell grob fahrlässig, weil er die Rückforderung von Millionenbeträgen riskiert, die das Land NRW und die EU-Kommission dafür bereits zur Verfügung gestellt haben, er begräbt damit auch die Kölner Stadtgeschichte und die Geschichte jüdischen Lebens in Köln.

Zivilgesellschaftliche Einmischung war für Heinrich Böll „die einzige Möglichkeit, realistisch zu bleiben“. Seinen Einmischungen gingen Denken, Erinnern, Empathie, Verantwortungs­gefühl und visionäre Kraft voraus. Am 2. Januar 1959 gründeten Kölner Bürger, darunter Annemarie und Heinrich Böll, die Germania Judaica. Heute besitzt die Bibliothek mit etwa 80.000 Bänden zur Geschichte des deutschsprachigen Judentums die größte Sammlung auf diesem Gebiet in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa.

Auf der Pressekonferenz zur Gründung der Germania Judaica sagte Heinrich Böll:

„Die Bibliothek Germania Judaica, die wir Ihnen hiermit vorstellen möchten, ist gegründet worden aus der Erkenntnis, dass die Öffentlichkeit nur in unzureichendem Maße über die Geschichte des Judentums in Deutschland informiert ist. Diese Unkenntnis hat in der Vergangenheit die Propagierung von Vorurteilen ermöglicht. Es ist dieselbe Unkenntnis, die heute noch die alten Vorurteile nährt. Es soll die Aufgabe der Germania Judaica sein, Bücher und Dokumente aller Art zu sammeln, die geeignet sind, das Judentum in unse­rem Lande bekannter zu machen.“

Diese Aufgabe ist heute so aktuell wie vor 54 Jahren.

Investitionen in Kunst und Kultur sind immer auch Investitionen in die Stadtgesellschaft und den Stadtraum. Sie tragen bei zu stärkerer Teilhabe sowie zur sozialen und kulturellen Integ­ration. Attraktivität und Lebensgefühl einer Stadt hängen eng mit ihrem kulturellen Leben zusammen. Kultur ist deshalb auch ein wichtiger Wirtschafts- und Standortfaktor. Kulturför­derung ist Stadtentwicklung im besten Sinne und unverzichtbar.

Mehr Bürgerbeteiligung und Kostentransparenz bei großen Investitionsprojekten sind wichtig und richtig. Mit ihrem Feldzug gegen das Haus der jüdischen Kultur haben sich die selbst erklärten Vorkämpfer für mehr Bürgerbeteiligung in Köln aber leider selbst ins Abseits gestellt.

Argumente, die Kultur gegen Soziales ausspielen, greifen immer zu kurz. Dass die Initiatoren von „Mut zu Verzicht“ von den vielen anstehenden Investitionsvorhaben der Stadt Köln gerade das Haus der jüdischen Kultur als ihr Hauptangriffsziel ausgewählt haben, wirft aber noch viel grundsätzlichere Fragen auf. Entweder kennen die Urheber der Online-Petition in befremdlicher Geschichtsvergessenheit nicht die historisch einmaligen Wurzeln unserer Stadt, oder aber sie wollen tatsächlich die jüdische Geschichte Kölns zuschütten und mit einem Deckel versehen. Ersteres wäre Ausdruck nicht akzeptabler Ignoranz, Letzteres ein Skandal.“

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