Es ist eigentlich gar nicht schwer

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Zu früh gefreut hat sich nicht nur Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, über die Entscheidung des Deutschen Fußball-Bundes, anlässlich der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz zu besuchen…

Nach den antisemitischen Ausfällen gegen einen israelischen Bundesligaspieler hatte Graumann einen Besuch der deutschen National-Elf in Auschwitz angeregt, „eine starke Geste mit hoher Symbolkraft, gerade für die jüngere Generation“, so Graumann. Natürlich war dabei zu hoffen, dass „gerade prominente Nationalspieler daran teilnehmen wollen und werden.“ DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hatte in diesem Zusammenhang versichert, dass er aus der Erfahrungen seines eigenen Besuchs in Auschwitz wisse, „wie wichtig die Erinnerung an den Holocaust ist“.

Schöne Worte, gut gemeinte Gesten. Was ist daraus geworden? Ein schlechter Witz.

Denn, das hat Herr Graumann nicht bedacht bei seinem Vorschlag: die deutschen Fussballer sind sehr sensibel! Das müssen wir schon verstehen, schließlich wollen wir alle nachher Tore und Siege sehen. Dass die Briten, Italiener und Holländer vollzählig nach Auschwitz kommen, auch vor Beginn der EM, und sich danach offensichtlich trotzdem noch genug aufs Leder konzentrieren können, das nur am Rande…

Den deutschen Fussballern kann man das nicht zumuten. Deswegen ist die „starke Geste“ in reichlich abgespeckter Form, man muss sich ganz einfach Dieter Graumanns Worten anschließen, in einer Art „Geheimkommando“ abgewickelt worden. Nach Auschwitz kamen am Freitag nämlich außer einer Delegation um Niersbach, Teammanager Oliver Bierhoff und Bundestrainer Joachim Löw lediglich drei Spieler, Kapitän Philipp Lahm sowie die beiden in Polen geborenen Spieler Lukas Podolski und Miroslav Klose.

Wie bitte?? Ja genau, DREI Spieler.. Eine echt starke Geste.

Es kommt aber noch besser. Kritik hat Bierhoff mit den klug gewählten Worten zurückgewiesen: „Natürlich greifen wir die Holocaust-Thematik mit den Spielern auf“, in welcher Form sei noch nicht entschieden, „es kann ein Kamingespräch sein oder ein Vortrag.“

Ah, ein KAMINgespräch über den Holocaust!

Danke, solche Gesten braucht es nicht.

Eigentlich ist es doch gar nicht so schwer. Ein Besuch an einer Gedenkstätte, das hätte alle Worte, mit denen es Herr Bierhoff offensichtlich nicht so hat, überflüssig gemacht. So bleibt, wie immer, der unangenehme Nachgeschmack der deutsch-jüdischen Abnormalität.

Und ich weiß schon, was man wieder lesen wird. Ach ja, die Juden sind immer so sensibel…

16 Kommentare

  1. Man könnte natürlich auch überlegen, ob das letzte Testspiel vor der WM gegen Israel in Leipzig nicht ein viel deutlicheres Signal war. Iran wäre ja auch ein möglicher Spielpartner gewesen.
    Meiner Meinung nach, war dies deutlich klarer als z.b. „Ähnlich äußerte sich Kapitän Mark van Bommel: „Vor zwei Jahren während der WM in Südafrika waren wir auch auf Robben Island, wo Nelson Mandela gefangengehalten wurde. Es ist gut, dass wir die Gelegenheit wahrnehmen, wenn wir hier sind“, sagte der Ex-Bayern-Star.“  Kreiszeitung
    Überall Probleme und die Fußballer lösen dies. 

  2. Man könnte natürlich auch überlegen, ob das letzte Testspiel vor der WM gegen Israel in Leipzig nicht ein viel deutlicheres Signal war. Iran wäre ja auch ein möglicher Spielpartner gewesen. 

  3. Ich frage mich allerdings, ob in der Ukraine den Millionen Opfern des Holodomor überhaupt gedacht wird, durch irgendeine Nationalmannschaft (z.B. der russischen)

  4. @A.mOr
    Ich könnte mir vorstellen, dass es auch in Deutschland ein natürlicher, unproblematischer Besuch gewesen wäre wenn nicht Berufsaufpasser wie Herr Graumann schon im Vorfeld gepocht und gefordert hätten.
    Aber das wird wohl noch eine Weile dauern. Was Graumann und co. einfach nicht verstehen wollen, es gibt keinen Unterschied zwischen den deutschen Spielern, oder den englischen oder den holländischen. Weder sie noch ihre Eltern haben jemals einen Juden umgebracht.
    (Auch haben Studien gezeigt, dass englische Schüler noch viel weniger über Auschwitz wissen als deutsche…)
    Je mehr von Leuten wie Graumann „gepuscht“ wird, desto größer wird der aktive (und wie im Fall der Nationalmannschaft gesehen) passive Widerstand dagegen.
    Die Opfer sind die Ermordeten und die Erinnerung an sie!
     

    •  
      Daniel.
      Mir ist nicht ganz klar, was Du hier ausdrückst.
      Zu Dieter Graumann hatte ich mich schon geäußert, und ich sehe keinen Grund, warum er seiner Enttäuschung keinen Ausdruck geben sollte, als Offizieller wie auch als Privatmann.
       
      „…es gibt keinen Unterschied…“
      Zu offenbar, als daß ich einfach antworten sollte: „Doch!“
      Also was meinst Du?
       
      „Die Opfer sind die Ermordeten und die Erinnerung an sie!“
      Mir erschließt sich der Sinn des Satzes nicht. „Opfer“ sind beileibe nicht nur Ermordete, auch das zu offensichtlich.
      „…und die Erinnerung an sie!“
      Wie meinen?
       
       

  5. In Yad Vashem fragte seinerzeit Mario Basler den Bundestrainer: „Trainer ist das wirklich passiert?“

    Vielleicht ganz gut, daß man nicht jeden nach Auschwitz mitgenommen hat.

  6. Andrea
    „Was ein unglaubliches wichtiges Signal wäre das an die Fans gewesen!!!“
    Nu, das ist es, genau!
    (Öhm, das wäre es gewesen, wenn… 🙁 )
     
    Daniel
    irgendwo kann ich Deinen Punkt, ähnlich wie Andrea, auch nachvollziehen, aber wo Du Dir dort dann einen „Zwang“ herbeiholst?
    Gut, von wegen „prominente Moralapostel“, das ist hin und wieder durchaus ärgerlich, nämlich häufig so unehrlich!
     
    Allerdings würde ich bei Dieter Graumann solches niemals vermuten.
    Oder, wie Andrea es formuliert:
    „…aber man kann darauf hoffen und man kann darüber traurig und enttäuscht sein, dass sie ausbleiben.“
     
    Nu, vielleicht hat Robert eben ganz einfach recht:
    „…aber wir leben in Deutschland und da hat man eben gewisse Vorbehalte, wenn gute Einfälle von Juden kommen und diese Einfälle dann auch noch (vermeintlich) an ‘unserer’ Ehre, an ‘unserem’ sauberen Selbstbild, an ‘unseren’ infantil-eigenverliebten Befindlichkeiten rühren…
    Unser Deutschland, es benimmt sich wie ein Heranwachsender, mag einfach nicht vernünftig sein/werden,…“
     
    Also peinlich, nuja, peinlich wenn’s peinlich wird, bis es nur noch peinigt.
     
     

  7. Wir sollten keine hohen Ansrüche an die Fussballer haben. Es sind erwachsene Männer die aufgeregt einen Ball hinterher rennen(!), auch so, wenn man sie im Interview usw. sieht, Fussball ist hirnfreie Zone.
    Ob das was bringt, wenn man die Fussballer zwangsweise zum „Auschwitzbesuch“ verknackt, glaube ich soweiso nicht.
    Der Kampf gegen Antisemitismus muss man anderer Front geführt werden. 
    Ich denke auch dass Leistungssportler ganz allgemein unpolitisch sind und vlt. auch sein sollten.
    Man stelle sich vor,  wenn Berufssportler politische Statements zur Nahostlage abgeben!?
    Geht gar nicht. Besser sie sagen nie was. 
      

  8. In der Tat wäre der gemeinsame Besuch aller Spieler nütztlich gewesen, wäre, Konjunktiv.
    Herr Graumann, Sie hatten eine wirklich wertvolle und begrüßenswerte Idee, aber wir leben in Deutschland und da hat man eben gewisse Vorbehalte, wenn gute Einfälle von Juden kommen und diese Einfälle dann auch noch (vermeintlich) an ‚unserer‘ Ehre, an ‚unserem‘ sauberen Selbstbild, an ‚unseren‘ infantil-eigenverliebten Befindlichkeiten rühren.
     
    Unser Deutschland, es benimmt sich wie ein Heranwachsender, mag einfach nicht vernünftig sein/werden, dabei hätte es allen Grund:
     
    Das Simon Wiesenthal Center berichtet in seinem Special Report vom 22. März diesen Jahres (www.wiesenthal.com) vom Wissen und Nichtwissen der jungen Deutschen um Auschwitz. Es beruft sich dabei auf Unfragen des STERN:
     
    Die meisten Jugendlichen in der BRD wissen nicht zweifelsfrei, dass Auschwitz ein Konzentrationslager war („that most young Germans are vaguely aware that Auschwitz was ‚a concentration camp‘ „).
     
    21% der 18- bis 29jährigen wissen nicht, dass Auschwitz ein Todeslager war.
     
    Etwa ein Drittel der Befragten konnte nicht angeben, dass Auschwitz im Nachbarland Polen liegt.
    Siehe auch:
    http://www.haaretz.com/jewish-world/anti-semitism-is-still-flourishing-throughout-germany-study-shows-1.408862
     
    Ein Besuch der deutschen Mannschaft in der Gedenkstätte Auschwitz hätte, angesichts der geradezu irrationalen Begeisterung der Deutschen für Fussball, Vorbildfunktion haben, hätte zu einer zusätzlichen Sensibilisierung beitragen und hätte ein Zeichen setzen können. Hätte, hätte… – schon wieder die Konjunktive.
     
     

  9. Daniel, das ist doch genau der Punkt! Es geht hier nicht um die Spieler, es geht auch nicht darum, was Herr Graumann will, (hach, der böse Herr Graumann will ihnen was vorschreiben) es geht hier überhaupt gar nicht um irgendwelche Befindlichkeiten von Juden, es geht um die Fans! Was ein unglaubliches wichtiges Signal wäre das an die Fans gewesen!!! 
    Gefühle kann man nicht einklagen, auch Empathie nicht, das ist richtig, aber man kann darauf hoffen und man kann darüber traurig und enttäuscht sein, dass sie ausbleiben. Wenn Du das nicht verstehen kannst, dann ist das peinlich.

  10. >>“Denn, das hat Herr Graumann nicht bedacht bei seinem Vorschlag: die deutschen Fussballer sind sehr sensibel! Das müssen wir schon verstehen, schließlich wollen wir alle nachher Tore und Siege sehen. Dass die Briten, Italiener und Holländer vollzählig nach Auschwitz kommen, auch vor Beginn der EM, und sich danach offensichtlich trotzdem noch genug aufs Leder konzentrieren können, das nur am Rande…“<<
    Ich glaube der Unteschied ist der Zwang, der von einigen Prominenten ausgeübt wird.
    Man kann Empathie nicht einklagen und einfordern. Wenn Graumann die deutsche Mannschaft so in Ruhe lassen würde die britische, italienische oder holländische, dann wäre diese auch viel eher bereit freiwillig und ehrlich zu gedenken.
    Auf so ein erdrückendes und  absolut leeres offizielles Ritual hat doch keiner wirklich Lust. Das ist doch nur für die Presse  und das besagte Prominente ruhig gestellt sind.
    Wenn Graumann wirklich klug wäre, würde er den ganzen fordernden Zwang rausnehmen. Mann kann nunmal Gefühle nicht erzwingen.
    Manchmal ist es einfach nur noch peinlich!

  11.  
    Nu, hier erscheint mir bislang der Kommentar von efem vernünftiger.
    Aber andererseits ist es schade, daß man für so eine Gelegenheit ersteinmal die Worte eines Dieter Graumann braucht, um sich darüber zu erregen.
     
    Den Spielern Lahm, Podolski und Klose meinen Respekt!
     
    Und den Rest nicht beachten, was bringt es denn, diesen Leuten Anstand und „Geschichtsbewußtsein“ beizubringen, wo es ihnen doch offenbar am Arsch vorbeigeht.
    Insofern stimme ich wirklich efems nüchternen Betrachtung zu, alles andere ist vergebene Müh.
     
    Ja, das läßt „die Deutschen“ schlecht aussehen, und?
    Wenn’s die nicht juckt, dann sehen sie eben gerne schlecht aus. Ist so, oder?
     
    (An AutorIn des Artikels – Alles Sensibelchen! 😉 )
     
     

  12. Und was soll ein Özil oder Boateng in Auschwitz? Und gäbe es ein jüdischen Nationalspieler bei der DFB, als was würde er nach Auschwitz reisen, Täter oder Betroffener?
     
    Die DFB tanzt nicht nach Graumann’s pfeife und das ist auch gut so.
     
     

  13. Hat schon mal wer davon gehört, dass in Polen tätige Interessenverbände aus der deutschen Wirtschaft auf die Idee kamen, nach Auschwitz zu pilgern? 
    .
    Die deutschen EMler sind darin einzureihen, oder was sonst als big business ist denn die ganze Profi-Fußballerszene. Und die repräsentiert die Länder, unter deren Fahnen sie kickt, und „unsere“ eigene die BRD so wenig wie VW, Siemens usw. das tun – und mich schon garnicht :-) 
    .
    Nicht ärgern, nicht wundern – Hauptsache, die Kasse stimmt, wenn das Spektakel vorbei ist.

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