Der letzte Jude ist Mormone

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Hannes Stein entwirft eine postapokalyptische Welt auf den Falklandinseln…

Von Georg Patzer

„Mein Name ist Joshua Feldenkrais. Ich bin Jude, ich bin schwul, und ich bin Mormone.“ Mormone wurde er, weil er sich in New York während des Studiums einsam fühlte und dann eine Gemeinschaft entdeckte, die er bisher vermisst hatte. Noch dazu in einer verfolgten Minderheit, die außerdem Zionisten sind. Seine atheistischen Eltern waren natürlich entsetzt, seine Mutter „bewies“ ihm in einem langen Brief, dass alle Religionen „sich gleichen wie eine lockere Schraube der anderen“, und seine Großmutter, in Düsseldorf geboren, die in ihrer Wohnung Krabbencocktails und Melone mit Prosciutto serviert, erklärte ihn zum „Verräter“ an den Juden.

Aber das liegt jetzt alles hinter Joshua. Jetzt ist er Radiojournalist auf den Falklandinseln. Denn als ihn seine Mutter auf eine Kreuzfahrt Richtung Antarktis schickt, passiert das, was im Roman stets nur als „die betrüblichen Ereignisse, über die wir ungern reden“, bezeichnet wird: Ein Atomkrieg und eine nachfolgende Seuche, die fast die gesamte Menschheit ausrottet. Eine kleine Gruppe überlebt auf den Falklandinseln, eine andere sendet von Kalifornien, eine dritte von China auf youtube – das Internet funktioniert noch. Angefangen hat der Untergang mit einer „schmutzigen Bombe“, danach bewerfen sich Indien und Pakistan, die arabische Welt und Israel, und am Schluss alle anderen mit Atombomben. Die anschließende Seuche wurde von nordkoreanischen Wissenschaftlern entwickelt: Sie hatten allerdings „ihr Plansoll übererfüllt – und im Eifer doch tatsächlich vergessen, einen rettenden Impfstoff zu entwickeln.“

Und so geht das Leben auf den Falklands seinen Gang. Der Gouverneur, Stellvertreter der Königin, regiert, es gibt Militär, es gibt Pubs und die üblichen skurrilen Engländer, einen muslimischen Arzt und vertrottelte Polizisten. Und dann wird der Gouverneur, „Ralphie“, mit einer Churchill-Büste erschlagen, und zwar in einem hermetisch verschlossenen Raum. Und so haben wir nicht nur einen postapokalyptischen Roman, sondern auch einen Krimi, in dem der Held und Ich-Erzähler selbst ermitteln muss. Dass er dabei zunächst einen entscheidenden Hinweis im Pub übersieht und danach selbst verhaftet wird, ist eigentlich klar und dem Genre geschuldet.

Mit großer Verve und einem brillanten schwarzen Humor erzählt Hannes Stein, Mitarbeiter dieser Zeitung, die Geschichte von Joshua Feldenkrais, die uns in die Abgründe der Weltgeschichte führt: in der es um Euthanasie und Weltkriege geht, fish & chips und britische Königstreue, das Überleben der Israelis und die Geschichte des Kriminalromans – aber vor allem ist die Handlung vor allem eine Parodie auf die locked-room-mysteries.

Und als der Fall dann schließlich ganz klassisch aufgeklärt wird, nachdem ausgerechnet der Dorfsäufer Joshua mit der Axt aus dem Gefängnis befreit, erreicht ein israelisches U-Boot die Falklandinseln. An Bord ist der schon vor dem Krieg ernannte neue Gouverneur, ein englischer Juden, der sich einige Jahre lang mit Israelis in den Qumran-Höhlen vor Arabern und der Strahlung versteckt gehalten hat. Und so ist auch diese Welt wieder in Ordnung, wie es sich in einem Krimi gehört.

Dass hinter all dem großen Spaß, den der Roman bereitet, auch viel Ernst steckt, ist klar. Denn es geht ja auch entfernt um den nächsten Atomkrieg, um Korea und den amerikanischen Präsidenten. Um den Umgang mit Flüchtlingen (vor der Hauptstadt liegt ein Kreuzfahrtdampfer mit Amerikanern), die Gefahr durch den IS …. alles ernste Themen. Aber schön verpackt in einem ironischen und spannenden Roman.

Hannes Stein: Nach uns die Pinguine. Ein Weltuntergangskrimi, Galiani Verlag 2017, 208 S., 19 Euro, Bestellen?