Eine journalistische Nachwuchskraft schreibt bei der Konrad-Adenauer-Stiftung über jüdischen Humor und was der darf…
Von Max Doehlemann
Der Nachwuchs-Journalist Marc Bädorf ist 23 Jahre alt und hat schon für große Periodika wie Stern, GEO und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung geschrieben. Seine Recherchen führten ihn bereits nach Afrika, Grönland, Brasilien und die USA, wie man auf seiner Website nachlesen kann. Nun hat er einen neuen, interessanten Auftrag angenommen: bei der Journalisten-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung schreibt er nun über die Frage, was jüdischer Humor darf oder wo der möglicherweise doch zu weit geht. Es geht um Rabbiner Walter Rothschild und sein Kabarett-Programm „Leider-Abend“, das gerade beginnt, auf deutschen Kleinkunstbühnen Erfolg zu haben.
Walter Rothschild ist in jeder Hinsicht ein Phänomen: ein liberaler Rabbiner, Autor, Komiker, Eisenbahn-Experte und Weltbürger. Sein Humor ist ebenso vertrackt, eigenwillig wie legendär. In der jüdisch-europäischen Szene, die nicht gerade wenige interessante und schillernde Persönlichkeiten hervorgebracht hat, geht er als Unikum durch. Er hat Spaß am Wortwitz, durchaus auch an Kalauerei und ist nicht immer jugendfrei; aber man spürt immer auch die Menschlichkeit darin, die grundlegende Empathie für die Schutzlosen und die Schwachen. Mit den Mächtigen legte er sich schon an – mit ganzem persönlichen Risiko. Dabei zog er auch schon einmal den Kürzeren.
Rothschilds Familie stammt ursprünglich aus Deutschland, es gelang ihr, 1938 nach England zu fliehen – doch der Großvater überlebte die Misshandlungen im KZ Dachau nicht. In England geboren, tief verwurzelt in der jüdischen Welt, leitete Walter Rothschild schon als Jugendlicher regelmäßig den Freitag-Abend-Gottesdienst in seiner kleinen Jüdischen Gemeinde in Bradford. In einer Umgebung, die vielfach geprägt war durch Emigranten und Schoa-versehrte Familien wurde Humor für ihn zu einem Lebens-, wenn nicht gar Überlebensthema. Sein Beruf als Rabbiner führte ihn durch die halbe Welt und über mehrere Kontinente. Auch beim Thema Eisenbahn-Geschichte ist er inzwischen auch eine international gefragte Koryphäe. Im Berliner „Tatort“ gab er an der Seite von Meret Becker eine Gastrolle, als Interviewpartner war er vielfach in den Medien präsent. Nun tritt er auch noch als Kabarettist an Kleinkunstbühnen auf. Aber darf er das überhaupt?!
Diese drängende Frage rief nun Marc Bädorf auf den Plan. Er hat sich offenbar von verschiedenen Medien-Beiträgen über Rothschild zu einem eigenen Artikel inspirieren lassen, den er mit dem lustigen Wortspiel „Rabbiater Humor“ überschreibt. Merkwürdig sind jedoch die Falschinformationen und unrichtigen Zusammenhänge: So betont Bädorf im Teaser, dass Rothschild „Rabbi ohne Gemeinde“ sei. Rothschild war über lange Jahre Rabbiner zahlreicher Gemeinden im In- und Ausland, fungierte jahrelang als Landesrabbiner von Schleswig-Holstein. Derzeit ist er in Warschau tätig und für den egalitären Minyan in Berlin. Rothschild ist auch ganz sicher nicht wegen schlechter Witze aus Ämtern entlassen worden, ein Eindruck, der durch den Teaser durchaus entstehen kann. Es ging hier schon eher um unerfreuliche und für die deutsch-jüdische Welt außerordentlich blamable Machtkämpfe. Dieses unerfreuliche Thema führt aber an dieser Stelle zu weit. Auch nicht richtig, auch dieser Eindruck entsteht durch den Teaser: Rothschild hat sich nicht mangels fester Anstellung dem Kabarett zugewandt.
Weiter Bädorf schreibt von einem „typischen Rothschild-Moment“, als der sich (angeblich) Frauen hinter den Herd wünscht und sich mit seinen „kleinen runden Fingern“ auf die Schenkel klopft. Rothschilds Humor wird als plump und rabiat dargestellt. Genau so plump wie er (Rothschild) selbst, ein „untersetzter Mann mit einem kräftigen, ergrauten Bart und schlauen Augen“. Der plumpe Rabbi mit kleinen runden Fingern und schlauen Augen. Nachtigall, ick hör Dir trapsen, sagt da der Berliner. Wahrlich ein Schenkelklopfer, was Bädorf hier von sich gibt.
Nun ist das mit dem Humor bekanntlich so eine Sache. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn jemand Rothschilds Humor und seinen Kabarett-Abend nicht mag. Es wäre selbstverständlich auch vollkommen in Ordnung, wenn jemand einen Verriss zu Rothschilds aktuellem Programm schriebe; allerdings waren die Kritiken bislang eher positiv. Vom Publikum wahrgenommen wurde neben dem entwaffnendem Humor Rothschilds Charme, seine unprätentiöse Offenheit und fehlende Berührungsangst, so habe jedenfalls ich es gesehen.
Aber hat Bädorf Rothschilds Kabarett-Programm überhaupt selbst gesehen? Zu grob seine Fehleinschätzungen, zu unrichtig seine Zusammenfassungen – er haut kilometerweit daneben. Aber was ist das für ein Vorgang, wenn ein 23-jähriger deutscher Nachwuchsjournalist einen älteren, international anerkannten Rabbiner und Buchautor belehrt, was jüdischer Witz ist. Fast schon wieder witzig – wenn es nicht so traurig wäre.
An die Leitung der Konrad-Adenauer-Stiftung geht die Frage, warum so ein Artikel bei der stiftungseigenen Journalisten-Akademie erscheint? Macht man jetzt verstärkt in Humor-Kritik? Und: Muss man wirklich jeden publizieren lassen?
Max Doehlemann ist Komponist und Pianist. Er ist Produzent und Pianist des Kabarett-Projekts „Rabbi Walter Rothschild erzählt aus seinem Leben und singt leider“ und begleitet Rabbi Rothschild dabei am Klavier.
Bild oben: (c) Gregor Zielke