Schwabach – Synagoge, Laubhütte und der Fußballverein „Kadima Schwabach“

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In unserer neuen Artikelreihe stellen wir Relikte des fränkischen Landjudentums vor. Jahrhundertealte aufgelassene Friedhöfe, Gebäude, die einst als Synagogen dienten, aber auch andere steinerne Zeugnisse, wie etwa Inschriften oder Symbole. Das Landjudentum ist schon lange nicht mehr existent. Bereits im 19. Jahrhundert lösten sich zahlreiche der kleinen Gemeinden auf. Die restlichen wurden während des Nationalsozialismus liquidiert. Doch vereinzelt gab es nach 1945 erneut jüdisches Leben auf dem Land – davon zeugen die Hachscharot-Kibbuzim, Bauernschulen, in denen Überlebende der Shoa für ihre Zukunft in Erez Israel ausgebildet wurden…

Das ehemalige Schul- und Rabbinerhaus mit den in Form von Gesetzestafeln angeordneten Türen. Foto: nurinst-archiv

Schwabach – Synagoge, Laubhütte und der Fußballverein „Kadima Schwabach“

„Wie so häufig in der deutsch-jüdischen Geschichte, gibt uns ein Bericht von einem Pogrom im Jahre 1384 erste Nachricht von einer größeren Ansiedlung von Juden in Schwabach“, schrieb der jüdische Genealoge und Heimatforscher Michael Schneeberger. Somit kann die mittelfränkische Kleinstadt Schwabach auf eine etwa 600-jährige jüdische Geschichte zurückblicken – die immer wieder durch Vertreibungen unterbrochen und durch Neuansiedlungen weitergeführt wurde. In der Zeit von 1650 bis 1714 lebten rund dreißig jüdische Familien in Schwabach – um 1800 zählte die Gemeinde circa 280 Mitglieder, die ein Jahr zuvor eine neue Synagoge errichtet hatte. Zum Beginn des 19. Jahrhunderts stellten die Juden etwa vier Prozent der rund 7.000 städtischen Einwohner.

Schwabach unterhielt eine Talmudschule und war Sitz des Bezirksrabbinats. Durch Abwanderungen ins Ausland und in die Städte verringerte sich die Anzahl der Juden, sodass zum Beginn des 20. Jahrhunderts  rund 100 jüdische Bürger registriert waren; dieser Prozess hielt an. 1933 lebten nur noch 38 Juden in Schwabach, das Bezirksrabbinat war schon ein Jahr zuvor aufgelöst worden. Mit der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten wurde das Ende der jüdischen Gemeinschaft eingeleitet: Am 8. Dezember 1938 meldete der Regierungspräsident von Mittelfranken, die Stadt sei nun „judenfrei“! Die Synagoge war schon vor der Pogromnacht von einer örtlichen Brauerei gekauft worden und entging damit der Zerstörung. Das Gotteshaus wurde fortan als Lager- und Wohnraum genutzt.

Die im Jahr 1799 erbaute Synagoge (Ende der 1960er Jahre). Nach umfangreicher Renovierung übernahm 2003 die Volkshochschule das Gebäude. Foto: Stadtarchiv Schwabach

Obwohl auf den Internetseiten der Stadt Schwabach zu lesen ist, dass „nach der Shoa weder in Schwabach selbst noch in einer der umliegenden Landgemeinden wieder eine jüdische Gemeinde gegründet“ worden sei, schlossen sich um die Jahreswende 1945/46 zumeist osteuropäische Juden zu einer Gemeinschaft zusammen. Dem „Jüdischen Kreiskomitee Schwabach“ gehörten bis zu 217 Überlebende der Shoa an, darunter auch einige Deutsche, wie etwa Manuel Graf, der nach der Befreiung aus dem Lager Theresienstadt in seine Heimat zurückgekehrt war. Schon bald entwickelte sich ein reges jüdisches Leben, an dem auch Glaubensgenossen aus einigen umliegenden Ortschaften, wie Georgensgmünd oder Roth, teilnahmen. Das Komitee gründete mit „Kadima Schwabach“ einen jüdischen Fußballverein, unterhielt eine Volksschule sowie eine Bibliothek. Die Verwaltung der Gemeinde war in einem Gasthaus untergebracht, wo man sich im Klub „Tel Aviv“ auch zu geselligen Veranstaltungen traf. Auf Anordnung der US-Militärverwaltung musste die Stadt Schwabach 1946 die Synagoge renovieren und der jüdischen Gemeinschaft zur Nutzung überlassen.

Die Fußballmannschaft Kadima Schwabach vor dem Versammlungslokal „Tel Aviv“ (ca. 1947). Repro: nurinst-archiv

Im Dezember 1950 waren noch acht Juden in Schwabach registriert, das jüdische Komitee in Auflösung begriffen. Die meisten Shoa-Überlebenden waren bereits ab 1948 in den Staat Israel eingewandert, andere fanden in Nordamerika eine neue Heimat.

Von der langen jüdischen Geschichte Schwabach zeugen noch manche steinerne Relikte in der Synagogengasse. Hier befinden sich das Beth HaKnesset, in der heute die Volkshochschule Kurse anbietet, das ehemalige Rabbinerhaus sowie einige andere Gebäude aus ehemals jüdischem Besitz. In einem der Wohnhäuser wurde 2001 Jahren bei Renovierungsarbeiten eine historische Laubhütte aus dem späten 18. Jahrhundert mit Resten von Wandfresken entdeckt. Seit Sommer 2015 kann dieses einzigartige Kleinod europäisch-jüdischen Kulturerbes in der Dependance des Jüdischen Museums Franken bewundert werden.

Blick in die Laubhütte mit den freigelegten Fresken und der zu öffnenden Kassettendecke.
Foto: Jüdisches Museum Franken

Quellen:

Michael Schneeberger, Schwabach, ein Bollwerk der Jiddischkeit, in: Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Jüdisches Leben in Bayern, Nr. 99 (Dezember 2005).

Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918–1945. Geschichte und Zerstörung, München 1979.

Jim G. Tobias, Vorübergehende Heimat im Land der Täter. Jüdische DP-Camps in Franken 1945–1949, Nürnberg 2002.

Anfahrt

Über die A6, Ausfahrt Schwabach-West, B 466 Richtung Innenstadt oder über die B2

DB Regionalbahn Richtung München oder S2 Richtung Roth

Spaziergang & Einkehr

Der kleine Guide „Entdecken und Erleben“ empfiehlt mehrere kunsthistorische Rundgänge durch die Altstadt von Schwabach, darunter auch durch die Synagogengasse. Bei der Erkundungstour kommt der Besucher auch am Museum „Schwabacher Laubhütte“ und einigen Gasthäusern vorbei.

Index – Juden in Franken – ein historischer Überblick