A.D. Gordon, spiritueller Mentor der zionistischen Arbeiterbewegung, wurde 1856 in Trojanow, Russland geboren. Er erhielt sowohl eine klassisch jüdische Ausbildung in Talmud, Tora und Hebräisch, wie auch eine säkulare Bildung. Gordon erhielt eine Stelle in der Finanzverwaltung seines Verwandten Baron Joseph Günzburg, ein berühmter Bankier und Philanthrop. Diese Stellung behielt Gordon 23 Jahre, in denen er aktiv in Erziehungs- und Kulturarbeit war. Nachdem das Dorf, in dem er arbeitete, 1903 verkauft wurde, entschloss sich Gordon im Gegensatz zum Rest seiner Familie, nach Palästina auszuwandern. Seine Frau und Tochter folgten ihm fünf Jahre später.
Gordon begann dort im Alter von 48 Jahren mit Landwirtschaft. Er arbeitete in den Weinbergen und Orangenhainen von Petach Tikwa und Rischon leZion und litt unter allen Leiden der Pioniere: Malaria, Hunger, Arbeitslosigkeit.
Seit 1909 veröffentlichte er zahlreiche Artikel, in denen er seine Vorstellungen von Arbeit, Zionismus und jüdischem Schicksal darlegte. Gordon war Delegierter am 11. Zionistenkongress von 1913 und bei der „haPoel haZair“ („Der junge Arbeiter“, sozialistische Partei) Konferenz in Prag von 1920. Dennoch war er nicht politisch aktiv. Für ihn lag die Erlösung des jüdischen Volkes allein in den Anstrengungen jedes einzelnen, sich zu verändern. Er war davon überzeugt, dass die jüdischen Arbeiter in Eretz Israel ihren eignen Weg zu einer gerechten und produktiven Gesellschaft finden müssten, und opponierte daher gegen Verbindungen zum internationalen Sozialismus.
Gordons Weltsicht basiert auf der Überzeugung, dass Natur und Mensch eins und die Menschen organische Teile des einheitlichen Kosmos seien. Den Menschen sah Gordon in zwei unterschiedlichen Arten vom Kosmos geprägt, einerseits durch sein Wissen von der Welt, andererseits durch seine intuitive Erkenntnis. Die menschliche Seele sah Gordon verbunden mit einem verborgenen Teil des Kosmos, in dem die Individualität der Menschen basiere.
Die Dichotomie zwischen dem Wissen und dem Leben sah Gordon in der Religion gelöst. Die Religion war für ihn eine Möglichkeit, mit der der Mensch seine Einheit mit der Natur wiederherstellen könne. Gott könne nicht mit dem Verstand erfasst, sein Geheimnis aber durch ein mit dem Land verbundenes Leben erfahren werden..
Obwohl er die Übel des Kapitalismus und der Industrialisierung aufzeigte, distanzierte er sich von den Lehren Karl Marx‘ und des Sozialismus, sah er den Marxismus doch als Reorganisation der sozialen Ordnung und nicht als Erneuerung des menschlichen Geistes. Gordon lehnte auch den Kosmopolitismus ab, er müsse durch einen sog. „Kosmo-Nationalismus“ ersetz werden, da der menschliche Geist tief in der Kultur, in den Traditionen und in der Geschichte seines Volkes verwurzelt sei.
Die entscheidende Prüfung der Juden sah Gordon in ihrem Verhältnis zu den Arabern. Das Verhalten den Arabern gegenüber müsse von Menschlichkeit geprägt sein, so Gordon, auch wenn sich die Gegenseite nicht wünschenswert verhalte. Mehr noch, ihre Feindlichkeit sei noch mehr Grund für „unsere Menschlichkeit“.
A.D. Gordon starb 1922 im Kibbutz Deganiah, wo er seine letzten Jahre verbrachte. Er hatte bedeutenden Einfluss auf die jüdische Arbeiterbewegung, sowohl durch seine Schriften wie auch sein persönliches Vorbild.