Stroemungen im Zionismus

Von Berthold Feiwel

So sehr viele glauben oder glauben möchten, dass der Zionismus ein einheitliches Gebilde sei, so wenig richtig ist es. Wer die Dinge nur etwas gründlicher betrachtet, der wird mit Staunen ein förmliches Mosaik von zionistischen Anschauungen und Bethätigungsformen erblicken. Und es ist durchaus keine leichte Sache, sich in diesem Mosaik zurechtzufinden. Noch schwerer, ein Bild davon zu geben.

Wir wollen versuchen, das, was man heute gewohnheitsmässig unter dem Begriff „Zionismus“ zusammenfasst, ein wenig zu betrachten und in möglichst einfachen Worten Formen und Wesen der verschiedenen Arten Zionismus darzustellen. Es soll mit Liebe geschehen, weil es ein Zionist ist, der dem Zionismus gegenübersteht, aber auch mit der Aufrichtigkeit, die sich gerade aus solch allerpersönlichster Anteilnahme und einer annähernden Sachkenntnis herleitet.

Drei durch besondere Charakteristika ausgezeichnete Strömungen des Zionismus lassen sich vor allem anderen absondern: der politisch-diplomatische Zionismus, der durch die Welt-Kongresse und durch die Führung Theodor Herzls repräsentiert wird, die jüngste, aber bei weitem grösste, stärkste und anerkannteste unter den zionistischen Bewegungen, zum zweiten der Kultur-Zionismus (man hat sich an diese eigentümliche Bezeichnung gewöhnt), der unter dem geistigen und persönlichen Einflüsse Achad Haam’s steht, und endlich der „praktische“ Zionismus, der die russischen, deutschen, englischen etc. „Zionsfreunde“, die Anhänger der palästinensischen Klein-Kolonisation, umfasst.

Es stehen sich, also drei Gruppierungen gegenüber, von denen die eine das national-politische, die zweite das national-kulturelle, die dritte etwas wie ein jüdisch-sozialpolitisches Gegenwarts- oder Nützlichkeits-Moment in den Vordergrund rückt. Kaum aber haben wir diese Unterscheidung zu fixieren versucht, sind wir schon gezwungen, zu erklären, dass wir durchaus keine hinreichende Grenzbestimmung gegeben haben. Denn es giebt viele politische Zionisten, die es vor allem um der Erhaltung und Entwicklung der Nationalkultur willen sind, und es giebt viele Kultur-Zionisten, die durchaus und nicht nur gedanklich mit dem politisch-palästinensischen Zionismus sympathisieren. Und man könnte endlich viele „Chowewe-Zion“ und Kleinkolonisatoren nennen, die in ihrer Thätigkeit nur eine zweckdienlichere Form, einen leichteren Weg zur Erreichung dessen sehen, was der kulturelle oder politische Zionismus oder beide bezwecken — wofern sie sich nicht direkt an eine der Gruppierungen anlehnen.

Es ist unmöglich, so verlockend es wäre, an dieser Stelle den weiteren Verzweigungen, Kombinationen und Nuancierungen nachzuspüren, die sich aus gegnerischen oder freundlichen Berührungen der drei Anschauungskomplexe ergeben. Wenn wir von „Strömungen im Zionismus“ sprachen, so hatten wir von vornherein die Absicht, das Thema zu beschränken und die Untersuchung nur auf den politischen Zionismus anzustellen. Es wäre jedoch eine Ungerechtigkeit oder eine Oberflächlichkeit, deren sich heute viele schuldig machen, die beiden anderen Arten des Zionismus zu ignorieren. Indem wir aber ihren Bestand feststellten, wollen wir sie im folgenden nur heranziehen, wenn ihre Einflüsse auf den politischen Zionismus zu charakterisieren sein werden.

Es hat lange gedauert, ehe man sich dessen bewusst wurde, dass der politische Zionismus nur im engsten Sinne eine einheitliche Bewegung darstelle. Viele glauben noch heute, ein „Partei“-Ketzertum zu begehen, wenn sie von Strömungen oder Richtungen innerhalb des Zionismus sprechen. Und viele, und nicht die Schlechtesten, die selbst schon eine deutliche Richtung repräsentierten, zogen lange das Kompromiss und den Verzicht einer deutlichen Betonung ihrer zionistischen Anschauungsweise vor. Alles um der Einheit und der Einigkeit willen. Selbstverständlich, dass eine junge Bewegung ihre Stärke in der Geradzügigkeit und Geschlossenheit suchen muss. Aber die Frage war nur, ob Nachgiebigkeit und Schwäche dieser oder jener Richtung eher die Einheit der Gesamtbewegung garantiere als ein bewusster und ernster Austrag der gegensätzlichen oder andersgearteten Meinungen. Die Frage konnte schliesslich nur nach einem Kriterium beantwortet werden: nach der Natürlichkeit oder Unnatürlichkeit der Richtungen.

Die Vorfrage: nicht welche, sondern ob überhaupt Sonder-Richtungen im Zionismus natürlich sind, ist selbst für den starrsten Programm-Dogmatiker im positiven Sinne zu beantworten. Der politische Zionismus, der die Schädigung, die das Judentum aus der jahrhundertelangen Abtrennung . und Sonder-Entwickelung verschiedener Volksgruppen erfuhr, nur durch die Vereinigung in einem Gemeinwesen beseitigen zu können erklärt, behauptet damit das Vorhandensein differenzierter Schichten und zugleich die Unmöglichkeit ihrer vollkommenen nationalen Vereinheitlichung im Golus, sei. es durch eine Idee, sei es durch eine Aktion.

Damit ist die Möglichkeit einer teilweisen Vereinheitlichung nicht geleugnet. Eine solche Einheit zionistischen Willens wird aber nur dort zu erwarten sein, wo eine Beeinflussung dieses Willens durch die Eigenart der Anhängerschichten weder bedingt noch beabsichtigt ist.

Auf die Formel des politischen Zionismus angewendet, ergibt sich sozusagen eine apriorische Einheit. Sie liegt in dem Willen der Aufhebung des jüdischen Ausnahmszustandes durch die Begründung eines gesicherten (das kann nur heissen: privat-, Staats- und völkerrechtlich gesicherten) Gemeinwesens. Oder wenn wir die Fassung des Baseler Programms wählen, so ist dieser Wille ausgedrückt in dem Leitsatze: „Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina“. Freilich muss bemerkt werden, dass der vieldeutige Begriff: „Oeffentlich-rechtlich“ diesem Leitsatz ein Element hinzufügt, das wenigstens gedanklich dessen Einheitlichkeit schwächt. Davon abgesehen aber ist das Prinzip einer innerlichen Gemeinsamkeit aller politischen Zionisten durch den ersten Programmsatz gegeben. Gleichfalls von vornherein gegeben ist auch das Prinzip einer äusseren Gemeinsamkeit: der Wille zur zionistischen Organisation.

Wenn es nun auch schwer fallen wird, im politischen Zionismus noch andere, allen Schichten eigentümliche Grundelemente zu finden, so muss doch gesagt werden, dass die beiden genannten Momente einer äusseren und inneren Gemeinsamkeit — rein abstrakt genommen — mit ihren starken nationalen und sozialen Werten eine genügende treibende und schöpferische Kraft haben,. um einer grossen Bewegung als Unterlage dienen zu können. Und nicht nur das: Wenn der auf das gemeinsame Ziel gerichtete Wille kraftvoll und ausdauernd genug ist, so kann er in sich selbst alle Gegensätze austragen oder alle Kämpfe gestatten, die aus jeder durch die Schichtung der Anhängerschaft erfolgenden Spezialisierung hervorgehen.

Diese Spezialisierung setzt im politischen Zionismus sofort mit den Motiven ein, aus denen heraus die einzelnen Schichten die Aufhebung des jüdischen Golus-Zustandes wünschen, und bemächtigt sich darauf der Organisation, um ihr besondere Formen zu geben und diese Formen dann mit besonderen Inhalten auszufüllen. Diese Inhalte modifizieren sich — wenn die oben genannten Gemeinsamkeiten nicht mehr in Betracht kommen — nach den nationalen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Motiven, aus denen der Zionismus der einzelnen Volksschichten erwachsen ist, ebenso wie nach den auf Zweck und Struktur des künftigen Gemeinwesens gerichteten Anschauungen.

Naturgemäss wird die Differenzierung im Golus und nach dem Gelingen des politischen Zionismus in Palästina so lange dauern, bis das Heimatland eine nationale Einheitlichkeit herausgebildet haben wird, um dann wahrscheinlich einer wesensverschiedenen Differenzierung Platz zu machen, die ein jüdisch nuanciertes Analogon zu den Lebensäusserungen normal situierter Völker darstellen wird.

Haben wir festgestellt, dass Strömungen innerhalb des Zionismus natürlich sind, so können wir auch behaupten, dass Strömungen von ganz bestimmter Art natürlich und unvermeidlich sind. Diese Behauptung zieht die Zweckdienlichkeit oder Schädlichkeit nicht in Betracht, zieht überhaupt nichts Subjektives heran. Ganz objektiv können wir aus der Verschiedenartigkeit der jüdischen Volksgruppen die Natürlichkeit der Richtungen feststellen.

Erst in zweiter Linie kommen dann alle Möglichkeiten in Frage, die sich aus dem Zusammentreffen der verschiedenen Elemente ergeben. Das ist bereits Politik. Jetzt aber handelt es sich mehr um eine Sichtung des zionistischen Materials.

Es kann hier nur mit einer schlagwortartigen Charakteristik geschehen.

Drei Arten des politischen Zionismus heben sich sofort scharf und mit deutlicher Grenzmarkierung vom Gesamtbild der Bewegung ab. Es ist kein Zufall, dass die Scheidung, die sich ergiebt, eine geographische ist: palästinensischer, osteuropäischer und westeuropäischer Zionismus. (Wir können füglich den südafrikanischen und amerikanischen Zionismus übergehen, da beide entweder die deutlichen Kennzeichen eines transportierten ost- oder westeuropäischen Zionismus tragen.)

Die palästinensischen Kolonisten-Zionisten stellen relativ die weitgehendste Entwickelung der zionistischen Anschauungsweise dar. Sie sind zum grossen Teile osteuropäische Juden. So sind sie aus jüdischer Kultur erwachsen. Aus Ghetto-Kultur, aber doch aus jüdischer. Viele wuchsen über diese Kultur hinaus. Der Heroismus, mit dem sie den schweren Väterboden erkämpften, gab ihnen sittliche und geistige Kräfte von besonderem Werte. Aber ein gut Teil dieser Kräfte wurde durch das System der Kolonisation, das ihnen die Freiheit und die Entfaltungsmöglichkeiten raubte und sie in die alte Kleinheit zurückdrängte, aufgehoben, manchmal sogar verdorben und verzerrt. So ringt jetzt in ihnen das alte Ghetto und die alte materielle Not mit der Macht, die sie aus der jüdischen Entwickelung ihrer Persönlichkeit und aus dem organischen Zusammenhang mit dem Stammlande gewonnen haben. Doch wie häufig auch Rückfälle in die Ghettozeit und Ghettoanschauung mit allen ihren Einwirkungen auf Charakter und Geist zu finden sind, eines steht fest: Es giebt unter diesen Menschen volle Persönlichkeiten, ganze Juden und ganze Zionisten, die ein hohes sittliches Beispiel für die Gesamtbewegung darstellen. Diese Menschen, die in ihrer Person den Begriff der Nation verkörpern, die alles haben: die Rasse, das Land, die Tradition, die das Hebräische als Verkehrssprache sprechen, lehren und pflegen, sind die besten und sichersten Elemente für die Begründung einer neuen jüdischen Gesellschaft, — ohne dass sie natürlich bestimmend sein müssten für den Weg der künftigen sozialen und kulturellen Entwickelung.

Der osteuropäische Zionismus repräsentiert das grösste zionistische Kontingent und bietet zugleich in sich ein Abbild aller freilich nicht immer entsprechend stark vertretenen Strömungen unter den russischen Juden, also der jüdischen Volksmehrheit. Auch er ist aus nationalem Grunde hervorgegangen. Der Zionismus ist da ein Ergebnis der politischeu, ökonomischen, sozialen und kulturellen Daseinsformen des Individuums und der Gemeinschaft. Jeder lebt in sich und im Volke ein Stück Judentum. So sind diese Zionisten nicht Juden, nur weil sie es sein wollen, sondern weil sie es sind. Wenn auch manche Elemente dieses spezifischen Golus-Nationaljudentums ihrem Wesen nach passiver Natur sind, durch einen Zwang geschaffen wurden und erhalten werden, wie die Wirtschaft, der Rechtszustand, das Verhältnis zur nichtjüdischen Gesellschaft, so haben diese Elemente doch neue positive erzeugt, die sich mit den in Rassenanlage, Sprache, Schrift, Kultus, Tradition u. s. w. lebendigen Volkskräften zu einem zukunftsbejahenden Willen vereinigt haben, der eben im Zionismus seinen höchsten Ausdruck gefunden hat. Vom Osten her kommt nicht nur die materielle, sondern auch die nachdrücklichste ideelle Stärkung des Zionismus. Es ist durchaus nichts Aeusserliches, wenn man die gesteigerte Opferwilligkeit und Hingabe des osteuropäischen Zionismus hervorhebt. Sie fliessen aus dem positiven, manchmal fast unbewusst gewordenen nationalen Lebensdrange. Darum mussten von dort die ersten Kolonisten und zugleich die Träger einer Nationalkultur kommen.

In sich aber ist der osteuropäische Zionismus wieder mehrfach differenziert. Eine deutlich erkennbare Gruppe sind die orthodoxen Zionisten. Sie sind in neuester Zeit durch eine Vereinigung zu einer Gruppe („Misrachi“) sogar äusserlich aneinandergeschlossen. Sie stellen sozusagen die Rückendeckung des Zionismus dar. Für den Begriff der Nation substituieren sie den Begriff der Religion. Ihr Anhang beginnt bei solchen, die nur aus mystischen oder religiös-romantischen Empfindungen heraus den Zionismus begreifen können, und endigt bei denen, die die Religion in eine gewisse Beziehung zum Leben gebracht haben, ohne an ihren starren Formen etwas zu ändern. Indem sie den Messianismus durch eine kluge Auslegung irdisch gemacht haben, bekämpfen sie aus dieser Position heraus vor allem die rabbinischen Gegner äusserhalb des Zionismus, doch auch alle, die sie innerhalb des Zionismus für ihre Gegner halten. Vor allem sind sie die Feinde der Kultur, d. h. jeder Form moderner Kultur, die nur an einem Steinchen des durch ihre Religionsformeln abgegrenzten geistigen Gebietes rühren könnte. Aus einem verwandten Empfinden heraus sind sie Gegner der sozialistischen Anschauung. In ihrer Gegnerschaft Feind und Freund gegenüber eifernd, starr, manchmal sogar fanatisch, sind sie für ihren Kreis und ihre Ideen oft die hingebendsten Vertreter. In der Gesamtorganisation ist es ihnen — mehr Dank den andern — gelungen, einen unverhältnismässig grossen Einfluss und eine Ausnahmestellung zu erringen. Heute stellen sie als „Misrachi“ vom Standpunkte des Kongresszionismus eine illegale Gruppe dar. Sie haben die Religion, die der Kongress aus den Diskussionen ausgeschlossen haben will, nicht nur zum Ausgangspunkt gemacht, sondern haben sogar den Willen, den orthodoxen Geist in den Zionismus überhaupt hineinzutragen. Erst wenn der Kongress beschliessen wird, dass die Religion im Zionismus nicht Privatsache sei, werden sie eine legale Gruppe sein. Im übrigen ist aber ihre Organisationsform unwesentlich gegenüber dem Inhalte der Richtung, die sie repräsentieren.

Eine zweite Gruppe ist dadurch charakterisiert, dass sie in der Mitte steht zwischen der Orthodoxie, an die sie noch immer nicht die Anlehnung verloren hat, und einem modernen Nationaljudentum, dem sie sich oft nur schwer verschliessen kann. Obwohl sie von klugen und gebildeten Männern geführt wird, haftet ihr doch ein der Mehrheit ihrer Anhängerschaft entsprechendes Merkmal an, das man am besten als „kleinbürgerlich“ bezeichnen kann. In sozialer und kultureller Hinsicht konservativ im wahren Sinne des Wortes, haben sie ihre Hingabe mehr auf das rein Materielle gelenkt, was einen starken Einschlag eines philantropischen Zionismus in ihre Kreise bringt. Viele gehörten ursprünglich den „Chowewe-Zion“ an, von denen im Eingang die Rede war. Es ist ihnen gelungen, eine Beziehung zwischen „Chowewe-Zion“ und politischem Zionismus herzustellen, aber auch etwas von dem Geiste der „praktischen“ Kolonisation in die Bewegung zu tragen. Zur materiellen Stärkung des Zionismus trägt dieser Kreis ausserordenüich viel bei. Auf den Kongressen stellen sie die häufigsten Debatten, indem sie bald den — man muss das Wort wiederholen — kleinbürgerlichen, bald den orthodoxen Zionismus, in der Regel aber die westeuropäische Führung unterstützen.

Eine dritte Gruppe wird gebildet durch die jüdische Moderne Sie ist hauptsächlich repräsentiert durch die Jugend, allerdings eine Jugend, die im Zionismus oft viel länger thätig ist als die älteren. Diese Jugend, wie die anderen aus dem Nationaljudentum hervorgewachsen, hat zwei Gebiete passieren müssen, ehe sie zu ihrer heutigen Anschauung herangereift ist: ein Stück europäischer Kultur, das sie kennen lernte und aufnahm, beeinflusste ihre kulturelle, das Hindurchschreiten durch die modernen sozialen Bewegungen ihre soziale Entwicklung. So hat sie sich zu einer vollen Lebensanschauung durchgerungen, die auf einer durchaus positiven Begründung des Zionismus beruht. Die Erhaltung und Entwickelung der jüdischen Volksindividualität wird ebenso wegen ihrer selbst als wegen ihrer für die Allgemeinheit wertvollen speziellen kulturellen und sozialen Begabungen erstrebt. Diese Auffassung ermöglicht ihnen eine zionistische Synthese zwischen Nationalismus und Internationalismus in ihren fortgeschrittensten Formen und giebt zugleich die Grundlagen eines individuellen Auslebens im Zionismus. Während die Aelteren nach ihrer ganzen Anschauung und Lebensführung gezwungen sind, den Inhalt des Zionismus für sich einzurichten, richtet sich diese Jugend in ihrem Thun und ihrer Denkart für den Zionismus ein. Sie kann und will schon jetzt „Zionismus leben“.

Aus dieser Gruppe, die in ihren allerletzten Ausläufern in sozialer Hinsicht einen geläuterten Sozialismus innerhalb des Zionismus vertritt und in kultureller Hinsicht sich dem Achad-Haamismus nähert, hat sich ein Teil zu einer geschlossenen Gruppe, der „demokratisch-zionistischen Fraktion“, vereinigt. Sie könnte man die Avantgarde des Zionismus nennen. Fast durchaus Intellektuelle, junge hebräische oder Jargon – Schriftsteller, absolvierte oder studierende Akademiker. Sie suchen ihre Anhängerschaft in den Kreisen vor allem der jüngeren Intellektuellen und in den breiten Volksmassen, um mit den einen für die anderen einen freiheitlichen, wissenschaftlichen und auf das Volk gegründeten Zionismus zu vertreten und zugleich die Missstände, die eine gegenteilige Auffassung und Behandlung des Zionismus hervorgerufen hat, zu beseitigen.

Die erste Gelegenheit zu einem solchen Kampfe gab der letzte Kongress. Wir werden nächstens bei einem historischen Rückblick länger bei der „Fraktion“ verweilen und beschränken uns jetzt darauf, hervorzuheben, dass in der Fraktion oder um sie herum noch einzelne geschlossene Anschauungen zu nennen sind, die das Allgemeine des „Fraktions“-Programms spezialisieren.

Das sind die drei deutlichsten Strömungen im osteuropäischen Zionismus: Rechte, Centrum und Linke, wenn man will. Natürlich giebt es dazwischen eine Menge nuancierter Elemente.

Ueber den westeuropäischen Zionismus und die Einwirkung aller zionistischen Gruppen auf die Entwickelung des politischen Zionismus wollen wir nächstens sprechen.

In: Ost und West, Jg 2 (1902) Nr 10, S. 687-694.