Das Konzentrationslager Ravensbrück

Von Vaclava Kutter Bubnova
[Tschechische Häftlinge im KZ Ravensbrück]

„Es [das Konzentrationslager Ravensbrück] war das einzige große KZ auf deutschem Gebiet, das als sogenanntes Schutzhaftlager für Frauen bestimmt war“.38 So wird es heute auf den offiziellen Internetseiten der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück beschrieben. Es war aber viel mehr. Ravensbrück war ein Teil des nationalsozialistischen Terrorsystems, in dem über 130.000 Frauen aus vielen verschiedenen Nationen inhaftiert waren, sowie neue KZ-Aufseherinnen, die später in den Osten versetzt wurden, ihre Ausbildung erhielten.39

Das Konzentrationslager in Ravensbrück durchlief während des Krieges mehrere Entwicklungsphasen. Diese Tatsache muss stets berücksichtigt werden. Das Lager, das 1939 gegründet wurde, hatte eine Kapazität für die Aufnahme von 3.000 Frauen. Auf einer Fläche von 100×200 Metern standen 16 Baracken, wovon zwei als Krankenrevier dienten. Eine zusätzliche Holzbauanlage fungierte als Küche und Häftlingsbad.40 Dieses Lager kann nicht mit dem ausgebauten Lager aus dem Jahr 1942 verglichen werden, als sich dort 32 Wohnbaracken und viele andere Funktionsbaracken befanden. Eine dritte Phase begann 1944, als in dem ohnehin schon überfüllten Konzentrationslager zusätzlich ein Zelt als Unterkunftsmöglichkeit für ca. 3.000 Frauen aufgebaut wurde. In diesem Zeitraum herrschten im Lager unmenschliche Lebensbedingungen, die den Stand von früheren Jahren noch bei weitem übertrafen.41

Von Anfang an war dieses Lager als großes Wirtschaftsunternehmen geplant, in dem Frauen in der Textil- und Lederverwertungs GmbH (Texled) arbeiten mussten. Mit der Zeit wurden die Häftlinge außerdem an mehr als 70 Betriebe vermietet, in denen sie Zwangsarbeit leisten mussten.42 Dadurch wurde Siemens zu einem untrennbaren und unvergesslichen Teil des Lagers.43 Zwischen 1942 und 1945 wurden diverse Außenlager eingerichtet, deren Anzahl bis heute noch nicht eindeutig geklärt ist. Die Angaben schwanken zwischen 20 und über 70.44

Wenige Monate vor der Befreiung, am 30. April 1945, erfuhr das Konzentrationslager Ravensbrück durch die Inbetriebnahme einer provisorischen Gaskammer und die Umgestaltung des Jugendschutzhaftlagers zum Vernichtungslager eine letzte Veränderung.45 Die Frauen starben nicht mehr allein aufgrund der schlechten Lebens- und hygienischen Bedingungen, aufgrund von Misshandlung und schwerer körperlicher Arbeit, sondern wurden nun zusätzlich durch Vergasen systematisch vernichtet. Auf diese Weise kamen kurz vor der Befreiung auch 14 Tschechinnen ums Leben.46

„Das frühe Lager“ für Frauen

Da das Konzentrationslager Ravensbrück erst im Jahr 1939 entstanden ist und als erstes großes Frauenkonzentrationslager gilt, kann sich der Leser leicht ein falsches Urteil bilden und annehmen, dass Frauen bis zu diesem Zeitpunkt nicht verfolgt worden waren. Frauen, die politisch tätig waren, der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehörten oder auch nur einer für die Nationalsozialisten unerwünschten Gruppe, wie zum Beispiel Juden, Sinti und Roma oder Homosexuelle, zugeordnet werden konnten, wurden von Anfang an, ebenso wie Männer, jedoch mit geringerer Intensität gejagt und inhaftiert.47

In der ersten Phase der Konzentrationslager, der sogenannten wilden Phase,48 wurden keine separaten Lager für Frauen eingerichtet. Frauen wurden in Gefängnissen, Untersuchungsgefängnissen, in Arrestzellen von Polizeidienststellen oder in speziellen Schutzhaftlagern, die in den meisten Fällen Teil eines Männergefängnisses waren, inhaftiert.49 In Württemberg war es das Gefängnis in Gotteszell, in Bayern München-Stadelheim, in Berlin das Gefängnis in der Barnistraße, in Hamburg die Haftanstalt in Fuhlsbüttel, in Sachsen die Burg Hohenstein, in Nordrhein-Westfalen die Landesanstalt Brauweiler und in Niedersachsen das Landeswerkhaus Moringen/Sollingen.50

Das Landeswerkhaus in Moringen bei Göttingen wurde in wenigen Monaten, nachdem alle männlichen Gefangenen im November 1933 nach Oranienburg überstellt worden waren, zum ersten Vorläufer des Konzentrationslagers Ravensbrück umfunktioniert.51 Bereits im Oktober 1933 wurde vom Innenministerium per Erlass angeordnet, dass alle inhaftierten Frauen nach Moringen überstellt werden sollten. Die Kapazität dieses Komplexes wird auf 400 Personen geschätzt.52 Dieses Lager unterstand nicht der SS-Bewachung und Verwaltung, sondern wurde von Hugo Krack, einem Angestellten der Provinzverwaltung, geleitet.53 In der Forschung wird Moringen als erstes Frauenkonzentrationslager angesehen, obwohl die dortigen Lebensbedingungen mit den Bedingungen in den Männerlagern nicht gleichzusetzen waren.54

Im Jahr 1934 wurden hier 75 aus politischen Gründen inhaftierte Frauen registriert.55 Zu Beginn des Jahres 1935 waren es 23 Frauen.56 Im laufenden Jahr kamen neue Häftlingskategorien hinzu, wie beispielsweise Bibelforscherinnen,57 Remigrantinnen und Frauen, die wegen „Rassenschande“ verhaftet wurden. 1937 trafen Frauen ein, die als „Berufs-, Gewohnheits- und gemeingefährliche Sittlichkeitsverbrecher“
bezeichnet wurden.58

Durch die ständig anwachsende Anzahl von Einlieferungen verhafteter Frauen wurde die maximale Kapazität des Lagers schnell erreicht, so dass es von Seiten des Regimes als notwendig erachtet wurde, 1938 ein neues Lager zu errichten.59 Im Aufsatz von Drobisch wird diese Argumentation durch Berichte Überlebender widerlegt. Nach Aussage des ehemaligen Häftlings Ella Lentzsch sei das Lager bereits im Sommer 1937 total überfüllt gewesen. Laut Drobisch stünde die Verlegung des Lagers mit den Kriegsvorbereitungen in Zusammenhang.60 Für Strebel hingegen liegt der Grund für die Entscheidung bei Theodor Eicke. Theodor Eicke, Inspekteur der Konzentrationslager, wollte das Frauenlager erweitern, um Frauen aus dem gesamten Deutschen Reich dort inhaftieren zu können.61

Anhand der schwierigen Quellenlage ist es sehr problematisch, den Auslöser für die oben beschriebenen Handlungen zu ermitteln, wenn es ihn wirklich gab. Drobisch will durch die Aussage einer Zeitzeugin zeigen, dass die Verlegung des Lagers mit der Überfüllung wenig zu tun gehabt habe. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese nicht der einzige Grund war, sondern dass die Kriegsvorbereitungen dabei auch eine entscheidende Rolle spielten. Trotzdem muss diese Tatsache miteinbezogen werden und darf nicht leichtfertig verworfen werden. Strebels Meinung widerspricht dieser Ansicht insofern nicht, als dass alle Konzentrationslager vor dem Krieg erweitert oder neu erbaut wurden, um Platz für neue Häftlinge aus den eroberten Gebieten zu schaffen. Dieses Ziel wurde von Theodor Eicke, dem Inspekteur der Konzentrationslager, verfolgt.

Das Konzentrationslager Lichtenburg wurde bereits 1933 gegründet und diente als Schutzhaftlager für Männer, bis diese nach der Eröffnung des KZs Buchenwald 1937 dorthin verlegt wurden. Die alte Schlossfestung wurde zu einem Frauenkonzentrationslager umstrukturiert. Die Verwaltung und Bewachung der Häftlinge wurde von der SS übernommen und das Lager der Inspektion der Konzentrationslager unterstellt.62 Die ersten Frauen kamen bereits im Dezember 1937 aus Moringen, während die letzten Ende März eingeliefert wurden.63 Die genaue Gesamtzahl der inhaftierten Frauen kann nicht mit Sicherheit ermittelt werden. Es wurden jedoch Häftlingsnummern bis zur Nummer 1415 vergeben.64 Unter den Inhaftierten befanden sich auch tschechische Frauen.65

Der Tagesablauf im KZ Lichtenburg unterschied sich nicht merklich von dem späteren Alltag in Ravensbrück. Die Inhaftierten mussten Zwangsarbeit leisten, auch wenn es sich hierbei noch nicht um eine Verwirtschaftlichung der Häftlingsarbeit im Sinne des Wortes handelte. Die Frauen waren in der Küche, in der Wäscherei oder in der Schreibstube tätig. Sie mussten Zählappell stehen, wobei dieser, wie in vielen Männerlagern auch, zusätzlich als Kollektivstrafe eingesetzt wurde. Die Frauen wurden ebenso und mit den gleichen Mitteln wie die männlichen Häftlinge bestraft. Neben der Prügelstrafe wurden die Frauen mit Essensentzug gefoltert. Außerdem wurden sogenannte Bunker eingerichtet, in denen die weiblichen Häftlinge in Einzelhaft noch strengeren Bestrafungen ausgesetzt waren.66

Im Dezember 1938 wurde der Aufbau des neuen Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück beschlossen. Die vermuteten Gründe für die Verlegung des Lagers Lichtenburg waren die erneute Überfüllung des Lagers und anstehende Kriegsvorbereitungen. Da zu dieser Zeit alle großen Männerlager bereits aufgebaut oder erweitert worden waren, war es möglich, das Frauenlager für erhöhte Einlieferungsschübe und für den Häftlingsarbeitseinsatz vorzubereiten.67

Entstehung und Aufbau des Lagers

Im Dezember 1938 oder im Januar 1939, einer sehr ungünstigen Jahreszeit für Bauarbeiten im Freien, wurden 350 bis 500 männliche Häftlinge aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen nach Ravensbrück gebracht, um die bereits anwesenden Frauen aus dem KZ Lichtenburg, beim Bau des neuen Lagers in der Nähe der Stadt Fürstenberg zu unterstützen.68

Die Stadt liegt ca. 80 Kilometer nördlich von Berlin, an der Bahnlinie Berlin-Neustrelitz/Rostock, ebenso wie das Konzentrationslager Sachsenhausen, und an der Verbindungsstraße Berlin-Stralsund. Diese günstige Verkehrslage war wahrscheinlich ein wichtiger Grund, warum das Lager genau hier entstehen sollte. Ein anderer Grund war die Abgeschlossenheit dieses Gebiets von der Stadt durch Naturgrenzen. Im Osten befindet sich der Schwedt-See, im Norden und Nordosten war ein großes Waldstück, welches auch Erweiterungsmöglichkeiten für das Lager bot, und an der Südseite fließt die Havel, die außerdem als dritter Verbindungsweg zu Berlin angesehen wurde.69

In der ersten Bauphase wurden 14 Wohnbaracken, zwei Funktionsbaracken, eine Wirtschaftsbaracke mit Küche und Bad, ein Verwaltungsgebäude, ein Teil der SS-Siedlung und die Lagermauer errichtet.70 Anfang Mai wurde das Lager offiziell fertig gestellt, auch wenn beispielsweise der „Bunker“, dessen Bauleitung der privaten Firma Ahlgrimm unterlag, noch nicht fertig gestellt war.71

Bis heute wurden keine Pläne für den Bau des Lagers gefunden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Himmler an Ravensbrück dieselben Ansprüche stellte wie an das KZ Sachsenhausen. „Ein vollkommen neues, jederzeit erweiterungsfähiges, modernes und neuzeitliches Konzentrationslager mit verhältnismäßig geringen Mitteln […].“72 Ob alle von Himmler gestellten Anforderungen erfüllt wurden, muss unbeantwortet bleiben. Sicher ist aber, dass das Lager erweiterungsfähig war.

Am Lager wurden ständig Erweiterungsarbeiten durchgeführt. So wurde 1941 das Männerlager errichtet73 und in der Mitte des Jahres 1942 das sogenannte „Neue Lager“ fertig gestellt, der Industriehof ausgebaut und eine Fertigungsstätte der Firma Siemens und Halske in Betrieb genommen.74 Anfang 1945 bestand das Lager aus 32 Wohnbaracken. Davon wurden zehn als Krankenrevier genutzt. Zusätzlich gab es eine Kleider-, Effekten- und Gerätekammer, die Schreibstube der Oberaufseherin, die SS-Küche und Kantine, eine Leichenkammer, eine Waschküche und ein Häftlingsbad.75

Häftlingsgesellschaft: Nationalitäten und Verhaftungsgründe

Die ersten Häftlinge kamen im Mai 1939 aus dem aufgelösten KZ Lichtenburg nach Ravensbrück. Nach der ersten erhaltenen Stärkemeldung befanden sich am 21. Mai 1939 in Ravensbrück 974 Häftlinge. Neben 388 „Bibelforscherinnen,“ heute unter dem Namen Zeugen Jehovas bekannt, wurden auch 114 politische Häftlinge in das Lager gebracht. 240 Frauen wurden als „asoziale Vorbeugehäftlinge“ und 119 als „kriminelle Vorbeugehäftlinge“ eingestuft, 95 Frauen als „Rasseschänderinnen“ gekennzeichnet, 16 Frauen waren Abschiebehäftlinge und zwei Schulungshäftlinge.76

Über den gesamten Zeitraum hinweg wurden in Ravensbrück über 120.000 Frauen aus über 40 Ländern aus verschiedensten Gründen inhaftiert. Die Zahlenangaben unterscheiden sich jedoch je nach Quelle und Autor. Auf der offiziellen Internetseite der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück wird die Zahl der Frauen mit 132.000 angegeben. Diese bezieht sich wahrscheinlich auf das Werk von Kiedrzynska.77 Herzog und Strebel nennen nur eine Schätzung, bei der die Gesamtzahl der inhaftierten Frauen die 100.000 bei weitem überschreitet.78 Allein die Meta-Datenbank umfasst 83.082 weibliche Häftlinge, was nach Einschätzung der Bearbeiterinnen ca. 75% der gesamten Häftlingszahl entspricht. Das würde bedeuten, dass sie von einer Gesamtzahl von 110.776 Häftlingen ausgehen.79 Die Überlebende Hermine Salvini, die während ihrer Konzentrationshaft in der Schreibstube arbeitete, und der Kommandant von Ravensbrück, Fritz Suhren, gaben eine Zahl von ca. 123.000 Häftlingen an.80

In Ravensbrück waren nicht nur Frauen aus Europa inhaftiert.81 Die größte Häftlingsgruppe waren Polinnen, die mit mindestens 26.050 und höchstens mit 48.523 Frauen vertreten waren. Mit deutlichem Abstand folgten die Russinnen (14.508 oder hochgerechnet 28.050 Frauen) und die Deutschen/Österreicherinnen/„Volksdeutschen“ (8.029 oder 23.971). In ähnlich hoher Anzahl waren ungarische und französische Häftlinge vertreten, beide Gruppen mit etwa 7.000 Personen. Danach folgten die Nationen, aus denen jeweils zwischen 1.200 und 1.700 Häftlinge stammten wie Tschechien, Jugoslawien und Belgien. Slowaken, Niederländer und Italiener waren mit ca. 800 verhafteten Frauen vertreten.82

Die Frauen wurden aus verschiedensten Gründen in Ravensbrück inhaftiert, es handelte sich nicht immer nur um politische Häftlinge, die allerdings die stärkste Gruppe ausmachten. Die meisten Ausländerinnen wurden automatisch als politische Häftlinge eingestuft, weshalb sie den roten Winkel bekamen.83 Diese Gruppe machte ca. 90% aller Häftlinge aus.84 Schindler-Saefkow und Schnell arbeiteten mit den 83.082 namentlich bekannten Frauen und 20.020 Männern, die in den Namenlisten vorkommen. Die Gesamtzahl beträgt 103.102 Häftlinge. Bei 6.347 Frauen und 6.235 Männern wurden keine Angaben zu den Haftgründen gefunden, weshalb von der Gesamtmenge diese abgezogen werden müssen. Daher sind in diesem Fall nur die Angaben von 76.735 Frauen und 13.785 Männer relevant. Von dieser verbleibenden Gesamtzahl waren 69.094 weibliche und 11.127 männliche Häftlinge in Ravensbrück als politische Gefangene registriert. Dies bedeutet, dass 88% aller Häftlinge aus politischen Gründen eingesperrt wurden. Nach Schindler-Saefkow und Schnell beträgt die Zahl 78%. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden die Häftlinge ohne Haftgrundangaben von den beiden Autorinnen für ihre Berechnungen verwendet.85

Einen schwarzen Winkel bekamen die Frauen, die als „asozial“ oder „arbeitsscheu“ eingestuft wurden. Schon während des Krieges gab es keine genaue Definition dieses Begriffes. Unter den Inhaftierten waren Prostituierte, Sinti und Roma, Frauen ohne einen festen Wohnsitz und Frauen, die bereits vorbestraft waren.86 In Ravensbrück waren dies mindestens 5.742 Frauen, was 7,48% ausmacht.87 Eine zweite Gruppe, die von den politischen Häftlingen nicht geschätzt wurde, waren die sogenannten „Kriminellen“, die mit dem grünen Winkel gekennzeichnet waren. Frauen mit dieser Kennzeichnung kamen entweder nach der Verbüßung einer Strafe im Gefängnis oder aufgrund einer Vorstrafe in das KZ.88 Es handelte sich hierbei um mindestens 1.117 Frauen, das sind, 1,45%.89

Die Zeugen Jehovas waren eine religiös verfolgte Gruppe, die bereits im KZ Lichtenburg sehr stark vertreten war. 1933 war diese Glaubensgemeinschaft von den Nationalsozialisten verboten worden, und ihr anzugehören oder den Glauben dieser Gemeinschaft zu verbreiten wurde streng bestraft. Die Zeugen Jehovas bekamen einen lila Winkel. Durch einen Widerruf oder Ablegens ihres Glaubens bestand jederzeit die Möglichkeit entlassen zu werden. In Ravensbrück befanden sich ca. 800 bis 900 Frauen, die den Zeugen Jehovas angehörten.90

Als Sondergruppen müssen noch „Nacht-und-Nebel-Häftlinge“ und Jüdinnen erwähnt werden. „Nacht-und-Nebel-Häftlinge“ kamen durch Geheimaktionen auf Anordnung von Hitler seit September 1941 aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden in deutsche Konzentrationslager. Ziel war es, alle Widerstandskämpfer oder potenziellen Widerständler zu verhaften und in Nacht-und-Nebel-Aktionen nach Deutschland zu verschleppen. Keiner sollte wissen, was mit diesen Leuten passierte, weswegen diese Aktionen streng geheim verliefen.91 In Ravensbrück waren mindestens 772 „Nacht-und-Nebel-Häftlinge“ inhaftiert, was 1% der Gesamtbesetzung des Lagers entsprach.92 Jüdinnen waren nicht die ganze Zeit im KZ Ravensbrück vertreten.

Auf Befehl von Hitler sollten spätestens 1942 alle Konzentrationslager auf deutschem Gebiet „judenfrei“ sein,93 weshalb alle Juden in die Lager im Osten überstellt wurden. Jüdinnen kamen also erst 1944 mit den Evakuierungsmärschen aus Auschwitz wieder nach Ravensbrück.
Es waren mindestens 11.998 jüdische Frauen in Ravensbrück. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Häftlinge auch noch aus anderen Gründen inhaftiert wurden.94

Anmerkungen:
38 Zitat von den offiziellen Internetseiten der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, www.ravensbrueck.de/mgr/deutsch/frauen-kz/index.htm, [20.6.2007].
39 Monika Herzog/Bernhard Strebel: Das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, in: Füllberg-Stolberg u.a. (Hrsg.), Frauen, S. 13–26, hier S. 14.
40 Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, S. 132; Herzog/Strebel, Das Frauenkonzentrationslager, S. 14.
41 Arnd, Das Frauenkonzentrationslager, S.149; Wanda Kiedrzynska, Ravensbrück, S. 89, zitiert nach Herzog/Strebel, Das Frauenkonzentrationslager, S. 17.
42 Jacobeit/Thoms-Heidrich, Kreuzweg, S. 13.
43 Strebel, Das KZ, S. 384–415.
44 Ebd., S. 428. Strebel setzte sich in seinen Fußnoten mit unterschiedlichen Zahlenangaben zu den Außenlagern auseinander, ohne eine endgültige Zahl zu nennen.
45 Ebd., S. 476–481.
46 Totenliste mit 14 tschechischen Frauen, die am Karfreitag vergast wurden. OVS/KT–OVS, 53/35, SZAP.
47 Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, S. 126–128.
48 Diese Phase begann im Jahr 1933 nach der Machtübernahme von Adolf Hitler. Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 2, München 2005, S. 10.
49 Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, S. 126.
50 Elling, Frauen, S. 23.
51 Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, S. 126.
52 Klaus Drobisch: Frauenkonzentrationslager im Schloss Lichtenburg, in: Dachauer Hefte 3, Frauen- Verfolgung und Widerstand, Dachau 1987, S. 101–115, hier S. 102.
53 Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, S. 127; Jacobeit/Thoms-Heinrich, Kreuzweg, S. 11.
54 Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, S. 127; Elling, Frauen, S. 23.
55 Schreiben des Direktors des KZ-Lagers Moringen, vom 13.1.1934, zitiert nach Ellig, Frauen, S. 24.
56 Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, S. 127.
57 Drobisch, Frauenkonzentrationslager, S. 103.
58 Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, S. 128–131.
59 Jacobeit/Thoms-Heinrich, Kreuzweg, S. 11.
60 Drobisch, Frauenkonzentrationslager, S. 103. Ella Lentzsch erzählte Folgendes: „In Moringen war bereits ein außerordentlicher Platzmangel. Die Häftlinge waren in einer Turnhalle unter unmenschlichen Zuständen untergebracht.“
61 Strebel, Das KZ, S. 38.
62 Strebel, Das KZ, S. 38f.; Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, 131f.; Elling, Verfolgung, S. 30.
63 Drobisch, Frauenkonzentrationslager, S. 102f.
64 Strebel, Das KZ, S. 38f.
65 Drobisch, Frauenkonzentrationslager, S. 108.
66 Ebd., S. 105–109.
67 Jacobeit/Thoms-Heinrich, Kreuzweg, S. 12; Drobisch, Frauenkonzentrationslager, S. 113.
68 Drobisch, Frauenkonzentrationslager, S. 113; Strebel, Das KZ, 44f. Über die Frauen, die bei der Errichtung des Lagers helfen, spricht nur Grit Philipp, die sich auf Reinhard Plewe/Jan Thomas Köhler: Baugeschichte Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Bd. 10, Berlin 2000, beruft. Philipp, Kalendarium, S. 22f. Vlasta Kladivová und Lída Krutinová behaupten, dass die ersten Frauen am 23.3.1939 nach Ravensbrück kamen. Es würde bedeuten, dass sie wegen der Arbeit dorthin verlegt wurden, da in dieser Zeit die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen waren. Vlasta Kladivová/Lída Krutinová: Vítězství života [Der Sieg des Lebens], in: Hájková u.a. (Hrsg.), Ravensbrück, S. 147–195, hier S. 147.
69 Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, S. 132; Strebel, Das KZ, S. 44; Plewe/Köhler, Baugeschichte Frauenkonzentrationslager, S. 16.
70 Strebel, Das KZ, S. 45; Herzog/Strebel, Das Frauenkonzentrationslager, S. 14; Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, S. 132.
71 Strebel, Das KZ, S. 46.
72 Kosthorst/Walter, Konzentrations- und Strafgefangenenlager, S. 173, zitiert nach Drobisch, Frauenkonzentrationslager, S. 114.
73 Herzog/Strebel, Das Frauenkonzentrationslager, S. 14.
74 Arndt, Das Frauenkonzentrationslager, S. 145. Zu Industriehof und Siemensanlage siehe Kapitel 4.2 dieser Arbeit, S. 46–51.
75 Herzog/Strebel, Das Frauenkonzentrationslager, S. 15.
76 Gefangenenstärkemeldung vom 21.5.1939, Sammlungen MGR/SBG, RA Bd. 14, zitiert nach Philipp, Kalendarium, S. 27; Strebel, Das KZ, S. 103.
77 www.ravensbrueck.de/mgr/deutsch/frauen-kz/index.htm, [23.6.2007]. Kiedrzynska gibt die Zahl 132.000 an, Kiedrzynska, Ravensbrück, S. 5, zitiert nach Strebel, Das KZ, S. 179.
78 Herzog/Strebel, Das Frauenkonzentrationslager, S. 13.
79S chindler-Saefkow/Schnell, Gedenkbuch, S. 32f.
80 Aussage Frau Salvini am 4.6.1946, MGR/SBG, DÖW Akt 146; Aussage Fritz Suhren am 5.12.1949, MRD, beide zitiert nach Strebel, Das KZ, S. 179.
81 Nach der Analyse aller Namenslisten sind 83.082 Frauen namentlich bekannt, die von vier Kontinenten stammten: Europa, Amerika, Asien und Afrika. Nur Australien ist nicht vertreten. Anhand der schwierigen Quellenlage darf aber auch dieser Kontinent nicht kategorisch ausgeschlossen werden.
82 Es waren auch viele andere Nationen darunter, die nur mit einer geringeren Anzahl an Häftlingen vertreten waren. Zum Beispiel Frauen aus England, Ägypten, USA, Marokko, Kanada, Irland, Argentinien u.s.w. Die Statistiken beziehen sich nur auf die 83.082 Frauen, die namentlich bekannt sind. Schindler-Saefkow/Schnell, Gedenkbuch, S. 34, Hochrechnungen zitiert nach Herzog/Strebel, Das Frauenkonzentrationslager, S. 18.
83 Strebel, Das KZ, S. 111; Sofsky, Die Ordnung, S. 138. Winkel als Bezeichnungssystem wurde 1936 in allen Konzentrationslagern eingeführt. Zum Beginn blieben noch politische Häftlinge ohne Kennzeichnung, dies änderte sich aber 1937. Sofsky, Die Ordnung, S. 138.
84 Berechnet von der Verfasserin. Zahlangaben wurden von Schindler-Saekow/Schnell, Gedenkbuch, S. 33f., benutzt.
85 Schindler-Saefkow/Schnell, Gedenkbuch, S. 33f.
86 Strebel, Das KZ, S. 123–125.
87 Berechnet von der Verfasserin. Datenangaben wurden von Schindler-Saefkow/Schnell, Gedenkbuch, S. 33f., benutzt.
88 Strebel, Das KZ, S. 123–125.
89 Berechnet von der Verfasserin. Datenangaben wurden von Schindler-Saefkow/Schnell, Gedenkbuch, S. 33f., benutzt.
90 Strebel, Das KZ, S. 121f.
91 Bernhard Strebel: Die „Lagergemeinschaft.“ Aspekte der Häftlingshierarchie und Gruppenbildung in Ravensbrück, in: Füllberg-Stolberg u.a. (Hrsg.), Frauen, S. 79–87, hier S. 81.
92 Berechnet von der Verfasserin. Datenangaben wurden von Schindler-Saefkow/Schnell, Gedenkbuch, S. 34, benutzt.
93 Stanislav Zámečník: Das war Dachau, Luxemburg 2002, S. 239f.
94 Schindler-Saefkow/Schnell, Gedenkbuch, S. 34.